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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Neues aus Belgien
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ACAD. LESEH.

21.JAN.1911

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 13. 20. Januar 1911.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
_Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

NEUES AUS BELGIEN

Auf der Jubiläumsausstellung in Rom wird auch Bel-
gien mit einem eigenen Pavillon vertreten sein. Das
ist nicht so glatt gegangen, als man sich vielleicht denkt.
Man hat selbst eine Frage hoher Politik aus dem Ja oder
Nein der Teilnahme Belgiens anderrömischen internationalen
Kunstausstellung des nächsten Jahres gemacht. Schließlich
ist es der Diplomatie dennoch gelungen, den Konflikt beizu-
legen und Belgien wird daher auch in Rom 1911 zu finden
sein. Der Architekt des belgischen Pavillons, der 640 Qua-
dratmeter bedeckt, ist Octave Flanneau, derselbe, von dem
die gelungene Einteilung und architektonische Ausstattung
der Brüsseler Ausstellung der »Belgischen Kunst des 17.
Jahrhunderts« stammte. Sein Stil ist sehr einfach und hält
sich genau an den reinen Klassizismus des 17. Jahrhunderts.
Auf der Stirnseite keinerlei Lichtöffnungen, sondern nur
dekorative Ornamente. Das Eingangsportal ist im Brüsse-
ler Stile jener Zeit. Es führt zu einer Oalerie, die einer
zentralen Rotonde von acht Metern Durchmesser vor-
gelagert ist. Letztere nun, im Mittelpunkte des Gebäudes
gelegen, erlaubt dem Besucher einen Überblick über sämt-
liche Säle, vierzehn an der Zahl, die strahlenförmig von
ihr auslaufen. Man hat damit für die Besichtigung gewisser
größerer oder bildhauerischer Werke stets den wünschens-
werten Abstand zur Verfügung. Man hat auch die Absicht,
einen der Säle ausschließlich mit den Werken Constantin
Meuniers zu füllen.

Der Löwenhof der Alhambra des spanischen Pa-
villons von der Brüsseler Weltausstellung, bleibt wie er
da war, Belgien erhalten. Die spanische Regierung hat
das maurische Wunderwerk dem Abgüssemuseum im
Cinquantenairpark überwiesen und empfängt dafür von der
belgischen Regierung im Austausche verschiedene Abgüsse
belgischer Altertümer.

Königin Elisabeth besuchte am letzten Tage des
Bestehens die internationale Kunstausstellung und erstand
für die private Sammlung des Königspaares in der belgi-
schen Abteilung folgende Werke: Delaunois-Löwen, »Nach
dem liturgischen Gesänge«;/\rar/zs//a/s-Antwerpen, »Pacht-
hof in den Poldern«; P.-J.Dierckx, »Die Spitzenmacherinnen-
Schule«; Frans Smeers, »Am Seestrande«; Franz Gaillard,
»Der Triumphbogen«; Frl. Verboeckhoven, »Mondschein am
Meere«; Louis Thevenet, »Stilleben« und Henri Leroux,
»Garten unter Schnee«.

Dem Architekten Acker, dem Erbauer der Brüsseler
Weltausstellung igio, steht eine besondere Ehrung durch
die belgischen Architekten bevor. Sie werden ihm seine
von Vincotte hergestellte Büste, ferner ein Album
überreichen, dessen Deckel von Philippe Wolfers ent-
worfen und ausgeführt werden wird. Dieser Deckel
erinnert bildlich an die am 14. August abgebrannte
Fassade des belgischen Hauptgebäudes der Ausstellung I

und zeigt außerdem in einer Ecke das von Devreese
modellierte Bildnis Ackers.

Die dekorative Ausstattung der Säle der verblichenen
Ausstellung der »Belgischen Kunst des 17. Jahrhunderts«
im linken Flügel der Museumsräume des Cinquantenair-
parkes wird erhalten bleiben. Die Räume werden zu dauern-
den Ausstellungen der Museumsverwaltung benutzt werden,
und zwar ausschließlich zu solchen alter Kunst. Es werden
dort vor allem ihren Platz finden die Sammlungen alter
Möbel, Töpfereien, Edelmetalle, Spitzen und so weiter, die
sich augenblicklich sehr ungeordnet hinter den Sammlungen
derGipsabgüssedes Cinquantenairparkes verstecken müssen.
Es sollen dort ferner untergebracht werden die berühmte
Sammlung prähistorischer Gegenstände des Freiherrn von
Loe und diejenige japanischer Kunst des Herrn Michotte,
die als eine der vollkommensten Europas gilt.

Die Klasse der Schönen Künste der Belgischen Aka-
demie der Wissenschaften hielt ihre erste öffentliche
Sitzung unter Vorsitz ihres Präsidenten, des Kupferstechers
Lenain, ab. Dieser sprach sich bei dieser Gelegenheit in
einem sehr interessanten Vortrag über den in der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts wirkenden lothringischen Kupfer-
stecher und Chalkographen Callot aus, der, wie seine Bio-
graphen behaupten, ein sehr abenteuerliches Leben ge-
führt hat. Im Alter von 12 Jahren schon entlief er seinen
Eltern, um sich nach Italien zu begeben. Zweimal zwangs-
weise zurückgeholt, erhielt er schließlich die Erlaubnis, in Ita-
lien ständig arbeiten zu können. Er verlebte dort eine sehr
bewegte Jugend, dann siedelte er nach Frankreich über, wo
sein Talent die endgültige Weihe empfing. Callot trieb sich
ohne Unterschied in der besten wie in der schlimmsten Ge-
sellschaft umher, und alle Eindrücke, die er in den beiden
empfing, wurden von seinem nie rastenden Stichel festge-
halten: Feste und Schlachten; Reichtum und Elend; der
Hof und das Bürgertum; die vornehme Welt und die Kanaille;
die Kirche und die Hölle. Seine Kunst war eben der Aus-
druck des Lebens, das er selbst führte, und hatte außerdem
einen bedeutenden Einfluß auf die Kunstrichtungen seiner
Zeit überhaupt.

Der Archäologische Klub in Mecheln begeht im
Laufe dieses Jahres das fünfundzwanzigjährige Stiftungsfest.
Gleichzeitig wird dort der 22. Kongreß für Geschichte
und Archäologie tagen. Bei dieser Gelegenheit soll auch
eine rückblickende Ausstellung des heimischen Kunst-
gewerbes, namentlich aus dem 16. und 17. Jahrhundert,
veranstaltet werden. Diese Ausstellung dürfte besonders
wichtige Hinweise auf die Spitzen-, Gobelin-, Leder- und
Holzskulpturindustrie bieten, welche zu jenen Zeiten den
Weltruhm Mechelns ausmachten. Dem Organisations-
komitee steht Dr. Van Doorselaar vor.

Solomon Reinach, der berühmte Pariser Kunstge-
lehrte und Mitglied des Institutes, hielt in der Brüsseler
 
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