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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Neues aus der alten Pinakothek in München, [1]
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ACAD.LESEH.

5-AU61911

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 34. 4. August 1911.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern .
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

NEUES AUS DER ALTEN PINAKOTHEK
IN MÜNCHEN

L

Seit Hugo von Tschudi als Direktor der staat-
lichen Galerien Bayerns nach München gekommen ist,
hat deren beschauliche, durch keinerlei energischere
Eingriffe gestörte Ruhe ihr Ende gefunden. Sowohl
das Zentralinstitut, die alte Pinakothek, wie die in den
verschiedenen Teilen des Landes untergebrachten Filial-
galerien zeigen sich in steter Bewegung und geben von
der rastlosen Tätigkeit ihres obersten Leiters Zeugnis.
Nach der durchgreifenden Neuordnung der alten Pina-
kothek im Anfang des Jahres 1910, über die damals
in der Kunstchronik (N. F. XXI, Nr. 12, Sp. 182 ff.) aus-
führlich berichtet wurde, hatten noch manch kleinere
Veränderungen stattgefunden, die indes das Gesamt-
bild der Galerie nicht umgestalteten und daher an
dieser Stelle auch keine Erwähnung fanden. Bedeu-
tungsvolle Neuerungen setzten jedoch wieder im ver-
gangenen Herbst mit der Übersiedelung der jedem
Kunstfreund bekannten Sammlung Carstanjen aus dem
Berliner Kaiser-Friedrich-Museum in den französischen
Saal unserer Pinakothek ein, wo diese erlesenen Meister-
werke eine Reihe von Jahren der Allgemeinheit zu-
gänglich bleiben sollen. Vor wenig Wochen wurde
dann der Direktion eine weitere Privatsammlung als
Leihgabe zur Verfügung gestellt, eine Auswahl von
Bildern aus der Galerie des k. k. Rates M. von Nemes
in Budapest, die man in dem zu diesem Zweck sehr
vornehm ausgestatteten spanischen Saal unterbrachte,
und nun folgte, so ziemlich als bedeutendstes Ereig-
nis im diesjährigen Münchener Kunstleben, die Er-
öffnung der neugeordneten altdeutschen und altnieder-
ländischen Säle und Kabinette, über die hier an erster
Stelle berichtet werden soll.

Eine nochmalige Änderung in der Aufstellung dieser
Schulen war nur dadurch zu ermöglichen gewesen, daß
man den sogenannten Stiftersaal in die eigentlichen Ga-
lerieräume mit einbezog und die sechs Stifterbildnisse
im Stiegenhaus unterbrachte, welches sie im Verein mit
einer seit kurzem aufgestellten Marmorbüste König
Ludwig I. von Anton Heß außerordentlich beleben.
Der freigewordene Saal, der, ähnlich den übrigen
der gotischen Abteilung mit ganz hellem, etwas ins
Gelblichgrau spielenden Rupfenstoff bespannt und mit
einem niedrigeren Sockel versehen wurde, birgt nun

Meisterwerke deutscher Malerei, wie sie in dieser
Größe und Qualität kein anderes Museum aufzuweisen
hat. Überhaupt ist der Gesamteindruck der neuer-
öffneten Räume sehr günstig und nur in einigen
Fällen ließe sich vielleicht noch das eine oder andere
Bild ausscheiden und eine mehr die zeitliche und
künstlerische Verwandtschaft bestimmter Werke be-
tonende Hängung erzielen. Bei dem erwähnten ehe-
maligen Stiftersaal hatte man sich vor allem zur Auf-
gabe gemacht, die großen Altäre, deren einzelne durch
die Filialgalerien verstreute Teile in ihrer Zusammen-
gehörigkeit, soweit nicht schon bekannt, von Dr.
H. Braune eruiert wurden, nach Möglichkeit wieder
zu vereinigen und in würdiger Weise aufzustellen,
was sich bei der räumlichen Ausdehnung dieser Werke
allerdings nur durch Einziehung von Scherwänden
zwischen den Fenstern erreichen ließ. Diese provi-
sorischen Hilfsmittel werden die Staatsregierung hoffent-
lich einsehen lehren, daß man mit den Erweiterungs-
bauten der Pinakothek unmöglich länger warten kann,
denn außer den hier zur Not untergebrachten Bildern
harren noch Hunderte in den Depots ihrer Aufstellung.
Das erste, was man nun beim Eintritt in die Galerie
zu sehen bekommt, ist der grandiose Kirchenväteraltar
von Michael Pacher, eines der hervorragendsten Mo-
numente altdeutscher Malerei, das an Kraft der Farbe
von keiner zeitgenössischen Arbeit übertroffen wird.
Die Rückseite dieser Scherwand ziert ein großes Altar-
werk von Marx Reichlich, das man aus den Beständen
der Galerien Schleißheim, Augsburg und Burghausen
zusammengestellt hat. Die ganze zweite Scherwand
wird durch die großen Flügel des Wettenhausener
Altars von Martin Schaffner (1524) gebildet und ver-
dient vor allem dadurch Interesse, daß nun auch die
bemalten, unrestaurierten Rückseiten zu sehen sind,
daß ferner an den beiden mittleren Flügeln die ur-
sprünglichen Plastiken1) wieder angebracht wurden, die
Dr. H. Braune in der Burgkapelle zu Nürnberg auf-
gefunden hat. Weiter finden sich in diesem Saal
bayrische Werke und solche der Pacherwerkstatt, Köl-
nische Meister, Holbein d. Ä. Sebastiansaltar, Altar-
fragmente von Hans Fries von Freiburg (aus Schleiß-
heim und Nürnberg), das von Chr. Rauch auf Hans
Traut bestimmte Schutzmantelbild aus Schleißheim

1) Die Statuen eines hl. Georg und hl. Augustinus, die
die Wettenhausener Chronik erwähnt, konnten bisher nicht
nachgewiesen werden.
 
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