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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Hausenstein, Wilhelm: Die Umgestaltung der neuen Pinakothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0082

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXV. Jahrgang 1913/1914 Nr. 10. 28. November 1913

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
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DIE UMGESTALTUNG
DER NEUEN PINAKOTHEK.

Im Lauf von drei Wochen — ungefähr innerhalb
einer Frist, wie sie sonst zur materiellen Reinigung
der Säle gebraucht wird — hat der Leiter der Neuen
Pinakothek in München, Professor Heinz Braune, eine
Reorganisationsarbeit geleistet, von der man nicht zu
viel behauptet, wenn man sagt, daß sie die Schaffung
einer neuen Galerie bedeutet. In diesen drei Wochen
sind Hunderte von neuen Bildern in die Galerie ge-
bracht, Hunderte entfernt worden. In dieser Zeit sind
sämtliche Wände teils neu bespannt, teils neu ge-
strichen worden. In dieser Zeit wurden sogar bau-
liche Veränderungen vorgenommen: in zweien der
langen und schmalen Südsäle wurden Querwände ein-
gezogen und im Zentralsaal, in dem jetzt die zwei-
undzwanzig aus Schleißheim herbeigeholten Bilder des
Hans von Marees hängen, wurden Türen zugebaut
und damit ununterbrochene Wände gewonnen. In
den durch Einbauung neuer Wände geschaffenen vier
Kabinetten der südlichen Flucht wurde die Höhe
reduziert, indem man unterhalb der Deckenwölbung
weißen Mull spannte, der das Oberlicht nicht nur
durchläßt, sondern ihm auch noch eine gewisse Gleich-
mäßigkeit gibt. Im südlichen Parterre, in dem bis
zu dieser großen Veränderung die wunderlichen Por-
zellanbilder ausgestellt gewesen waren, wurden durch
Einziehung von zwei Wänden aus einem Saal drei
kurze Rechtecke gewonnen; in diesen Kabinetten wurde
die Tschudi-Gedächtnis-Spende untergebracht und
räumlich sehr glücklich untergebracht. Daß Braune
die Porzellanbilder entfernte, die lediglich den Wert
technischer Kuriositäten haben, ist an sich begrüßens-
wert; daß sie aber so wundervollen Dingen Platz ge-
macht haben, wie sie in der Tschudi-Gedächtnis -
Spende gegeben sind, würde jeden Einwand dreimal
lächerlich machen. So wurde in einer fast unmerk-
lichen Pause, im Handumdrehen aus einer trostlos
verlotterten Sammlung, die kaum ein Mensch mit
künstlerischen Bedürfnissen mehr ernst nahm und
aufsuchte, eine Galerie der Kunst des 19. Jahrhunderts
geschaffen, die ihresgleichen nicht leicht findet. Fortab
kann die Neue Pinakothek jedenfalls die Konkurrenz
der Berliner Nationalgalerie nicht bloß aushalten, son-
dern im Einzelnen auch stark überbieten; sowohl
durch den Wert des Materials als auch durch Vor-
züge der Hängung.

Die bauliche Situation ist in kurzer Skizzierung
diese: In der Mitte der Neuen Pinakothek liegen in
ostwestlicher Flucht hintereinander fünf große und
hohe, ungefähr quadratische Säle; vom Eingang links
(südlich) liegen sieben Kabinette (vordem waren es
fünf); vom Eingang rechts (nördlich) liegen innerhalb

der nämlichen ostwestlichen Gesamtlänge 14 Kabinette,
die sich in südnördlichen Rechtecken strecken, während
die südlichen, der gegenüberliegenden Alten Pina-
kothek zugekehrten Kabinette in ostwestlichen Recht-
ecken verlaufen — mit Ausnahme der neugewonnenen
Kabinette, die ungefähr quadratische Grundform haben.

Betritt man die Pinakothek, so findet man sich
zuerst im Stiftersaal, in dem keine nennenswerten Ver-
änderungen vorgenommen wurden. In dem folgen-
den Saal wurde durch Verbauung der westlichen Türe
für die ungeheure Sintflut von Schorn Platz gewonnen,
so daß sich dieser Saal nun folgendermaßen präsen-
tiert: Westwand Schorn — Südwand Pilotys Thus-
nelda — Ostwand Pilotys Wallenstein — Nordwand
Kaulbachs Jerusalem. Wir haben hier zwar nichts als
die Harmonie der großen Maschinen — aber sie ist
in ihrer Art vollkommen. Das Beste ist dabei dies,
daß man von diesem zweiten Saal gar nicht in den
Zentralsaal gelangen kann, in dem die Mareesbilder
hängen. Um dorthin zu gelangen, muß man seinen
Weg durch vier der südlichen Kabinette nehmen, in
denen sich Meisterwerke heute drängen.

Betritt man nämlich, durch den Stiftersaal zurück-
schreitend, das erste Südkabinett, so findet man sich
inmitten einer unsäglich beglückenden Welt von Werken
folgender Künstler: Courbets, der mit sechs Bildern
vertreten ist, Leibis, von dem neun Werke da sind,
Trübners, der mit elf Bildern erscheint. Unter den
Courbets sind kostbare Landschaften, zwei tiefruhige
Bildnisse (dabei der Ollivier) und weiter ist von ihm
ein großer sprengender Schimmel im Walde, als
Vollkommenstes aber ein grandioses Äpfelstilleben
da. Unter den Leibis findet man das Bildnis der
Frau von Gedon, jenes Werk des jungen Akademie-
schülers, das die goldene Medaille haben sollte und
sie wegen der »Schülerstellung« Leibis nicht bekam,
dann aber die Übersiedlung Leibis nach Paris ver-
anlaßte und in Paris den Jubel der Kunstfreunde er-
regte, ferner das Bildnis des Fräuleins Kirchdorfer,
das Bildnis des Freiherrn Max von Perfall, das herr-
liche Bildnis des Malers Sattler mit dem Hund, Schuch
in jener bekannten meisterlichen Porträtimpression —
von den äußerlich kleineren Sachen nicht zu sprechen.
Von Trübner findet man den toten Christus, eine der
prachtvollen dunklen Doggen, das Bild eines Ein-
jährigen von den badischen schwarzen Dragonern,
eine Schloßlandschaft in Grün und außer dem Ein-
jährigen noch mehrere Bildnisse, die ihm an Wert
kaum nachstehen. In diesem Kabinett sind auch zwei
sehr innige Sperls und zwei sehr intime Arbeiten von
Hirth du Fresnes, schließlich etliche Stilleben und
Landschaften von Schuch und zwei Arbeiten von
Hagemeister aufgehängt. Neben Courbet zeigt Schuch
freilich bloß das, was er nicht ist, aber sein möchte
 
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