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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0228

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Aufenthalt im Palazzo Medici gewährte. Späterhin kehrte
Stockamer wieder nach Nürnberg zurück, wo er nach
Scherer im Jahre 1700 starb — berühmt durch seine geist-
reichen und eleganten Bildnisplastiken. Vollständigere
Lebensdaten des Künstlers fehlen uns bis jetzt. — Der
künstlerische Sachverständige bei dem Auftrag Monannis
an Stockamer war Pietro da Cortona, der auch die (nicht
mehr auffindbare) Zeichnung zu den Figuren lieferte. Am
11. Dezember 1666 hat Stockamer die Modelle zu den
Figuren begonnen. Am 25. Juni 1667 ist die Figur der
Madonna vollendet, am 11. Februar 1668 sind alle Figuren
fertig montiert. — Die etwas größere Gruppe des Ge-
kreuzigten selbst ist sicherlich von anderer Hand aus-
geführt. Sie zeigt eine sorgfältigere, aber auch kleinlichere
Technik, als die der Leidtragenden. Das Kruzifix schmückte
wohl vorher für sich allein den Betschemel des Kardinals,
bis es durch Vereinigung mit den anderen Figuren und
durch Aufstellung auf einem Calvarienberg zu einem re-
präsentativen Schaustück umgestaltet wurde. Die Ver-
einigung ist aber nicht recht gelungen. Jede Figur wirkt
als ob sie für sich entworfen sei. Es fehlt der rechte Zu-
sammenschluß in der Komposition.

Aus der Korrespondenz Monannis mit dem Kardinal
Leopold läßt sich noch ein zweites Werk Stockamers nach-
weisen. Die in einem Brief vom 22. September 1668 be-
schriebene Gruppe des Herkules mit der Hydra ist zweifellos
in einer gleichnamigen, anonymen Gruppe im Bargello
erhalten. Diese Arbeit wurde vor Ende 1668 abgeliefert
und am 12. Januar 1669 bezahlt. Die Figur des Herkules
geht auf antike Vorbilder zurück. Die Zeichnung zur Gruppe
wurde von Stockamer mit großer Sorgfalt durchgeführt.
Die anatomische Durchbildung der Figuren ist viel exakter
als bei der Kreuzigungsgruppe. Der Einfluß Pietros da
Cortona ist nicht mehr zu bemerken.

Eine dritte Gruppe Stockamers — eine sitzende Caritas
mit Putten —, die in einem Briefe Monannis vom 27. Juni
1665 erwähnt wird, konnte vom Vortragenden bisher nicht
identifiziert werden.

Direktor Dr. Hans von der Gabelentz legte die
wohlgelungene Reproduktion einer Scheibenzeichnung Jörg
Breus d. Alt. mit der Darstellung der »Luna« vor, die von
dem Vortragenden letzthin zusammen mit anderen Hand-
zeichnungen aus der Satnmlungdes Großherzogs von Sachsen-
Weimar im Auftrag der Prestel-Gesellschaft publiziert wor-
den ist. Die Zeichnung gehört in eine Serie von Planeten-
darstellungen, von der ein weiteres Stück — der Mars —
in der Erlanger Sammlung erhalten ist (Publ. von Dornhöffer
im k. k. Jahrbuch XVIII. Fig. 6). Die Weimarer Zeichnung
steht in Beziehungen zu den Planetenstichen des sog. Baccio
Baldini. Besonders die Figur der Luna verrät ein Ab-
hängigkeitsverhältnis, aber auch die Gruppenmotive, durch
die die Wirkung des Planeten auf den Menschen verbild-
licht werden, zeigen große Ähnlichkeit. Die Zeichnung
Breus ist ein neuer Beweis für die Weite der Einflußsphäre
Baccio Baldinis, für dessen Wirkung in die Ferne bereits
Lippmann 1895 im Organ der Internat. Chalcographical
Society Belege beibrachte. — Im Anschluß hieran gab der
Vortragende einen kurzen Überblick über die Entwicklung
der Planetendarstellungen in Italien seit dem Mittelalter.
Das bedeutendste Beispiel der älteren, scholastischen
Darstellungsweise, die noch keine Beziehungen zu Baccio
Baldini hat, bietet die Spanische Kapelle in S. Maria Novella
(von Andrea da Firenze, nach 1350). Die Planeten sind
in Medaillons auf den Thronen der sieben freien Künste
angebracht und zwar in folgender Ordnung: L Grammatik
(Priscianus) — Luna mit einer Brunnenschale; (hier ist die
Reihenfolge willkürlich geändert, an die zweite Stelle gehört
Merkur); 2. Rhetorik (Cicero) — Venus mit Spiegel;

3. Dialektik (Aristoteles) — schreibender Merkur; 4. Musik
(Tubalkain) — Sonne mit Stundenglas; 5. Astronomie
(Ptolomaeus) — bärtiger Saturn mit Sichel; (auch hier ist
die Reihenfolge verändert, da Saturn an die letzte Stelle
gehört); 6. Geometrie (Euklid) — Mars mit Helm und
Schild; 7. Arithmetik (Pythagoras) — gekrönter Jupiter mit
Zepter und Weltkugel.

Zeitlich nahestehend und in den Motiven verwandt ist
der Planetenzyklus am Florentiner Campanile, vielleicht
von Francesco di Talento, Mitte des 14. Jahrhunderts. Hier
sind die Planeten in Verbindung mit den sieben freien
Künsten, den sieben Tugenden und den sieben Sakramenten
gebracht. Luna hält auch hier eine Brunnenschale, um die
Anziehungskraft des Mondes auf das Wasser zu versinn-
bildlichen. Merkur ist als Lehrer gegeben mit Anspielung
auf den Hermes Trismagistus, den Gott der Schrift und
überhaupt der Wissenschaft. Venus hält ein nacktes Liebes-
paar in der Hand. Die Sonne ist ein jugendlicher, ge-
krönter Apoll mit einer Schauspielermaske (Baccio Baldini
stellt auf dem entsprechenden Stich Gruppen von Akrobaten
dar). Mars, ein gerüsteter Kriegsmann zu Pferd. Jupiter
ist auffallenderweise als Mönch gegeben mit Becher und
Kreuz. Saturn als Greis mit dem Rad der Fortuna und
einer kleinen nackten Figur (Jupiter?) in der Hand.

Beziehungen zum Florentiner Kunstkreis hat auch ein
Kapitäl an der Loggia des Dogenpalastes in Venedig, das
die Planeten in Verbindung mit den zwölf Tierkreiszeichen
bringt. Die anschließenden Kapitäle zeigen die Tugenden
und Laster, die sieben freien Künste und ihre Vertreter
aus dem Altertum, schließlich die sieben Lebensalter. Im
Zusammenhang mit den sieben Lebensaltern erscheinen
die Planeten auch in der Cappella Maggiore der Eremitani-
kirche zu Padua.

Der zwar nicht künstlerisch, aber inhaltlich bedeutendste
Planetenzyklus Italiens befindet sich im Salon des Palazzo
della Ragione zu Padua, den Giovanni Miretto und andere
nach 1410 ausführten. In dieser gemalten Enzyklopädie
werden sämtliche Beziehungen der Planeten zum Menschen
und zur Natur dargestellt. Die Planeten selbst sind ähnlich
charakterisiert, wie auf den vorgenannten Denkmälern.

Eine völlig veränderte Charakteristik findet sich erst
auf den Stichen Baccio Baldinis in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts. Baldini führt die jüngere, humanisti-
sche Darstellungsweise ein. Die Planeten werden jetzt
als antike Gottheiten gegeben. Luna als Diana mit dem
Bogen in der Hand und dem Halbmond auf der Stirn,
Merkur mit dem Caduceus, Venus in Begleitung Amors,
Sol-Apollo im Sonnenwagen, Mars als Krieger, Jupiter mit
Ganymed, Saturn als Gottheit des Landlebens.

An die Stelle der freien Künste und ihrer Vertreter,
der Tugenden, Lebensalter usw. treten Genrebilder, die
den Einfluß der Planeten illustrieren. Der Sinn der Bilder
wird durch Unterschriften erläutert. Diese Genrebilder,
die der italienischen Kunst bisher weniger geläufig waren,
sind wohl unter dem Einfluß nordischer Kunstwerke ent-
standen. Im besonderen dürften die Miniaturen von livres
d'heures und ähnlichen Handschriften vorbildlich gewesen
sein. Baccio Baldini seinerseits hat wieder auf die italie-
nische Kunst der Folgezeit bestimmenden Einfluß gehabt.
Die Planetendarstellungen im Appartamento Borgia aus der
Werkstatt des Bernardo Pinturicchio (um 1494) und im
Cambio zu Perugia von Perugino (1499 — 1500) gehen auf
die Fassungen Baldinis zurück.

Die Zeichnung Jörg Breus dürfte um 1510 entstanden
sein. Vielleicht entstand sie während eines italienischen
Aufenthaltes, der als sicher anzunehmen ist. Sie ist nicht
das späteste Beispiel für die Nachwirkung Baldinis in
der deutschen Kunst, denn Lippmann wies nach, daß
 
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