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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919 (April-September)

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Nr. 29 (2. Mai 1919)
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Tietze, Hans: Die Demokratie und die Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.29582#0095

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KUNSTCHRONiK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KtRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZE
NR.29 2. MAI 1919

DIE DEMOKRATIE UND DIE KÜNSTLER
VON HANS TIETZE
WVVAS der neue Staat und die erneute Gefellfchaft für die Kunft fein
W können und fein werden, ift eine Frage innerer Erfaffung,- wie alte Krifen
wirkt auch die heutige Umwälzung zunächft hörend und kann die Kunft
fpäter mächtig beflügeln, wenn Ce Ce mit einem erhöhten Lebensgefühl zu
erfüllen, mit der kraftzeugenden Gewißheit eines neuen Weltentages zu durth-
dringen vermag. Viel rafcher, als diefe erhoffte, allmähliche Neugeburt, viel
äußerlicher, als diefer innere Prozeß hat Cch die Auseinanderfetzung der
KünfHer mit der neuen Lage vollzogen,- ihr leichtblütiges Temperament, ihre
foziate Zwifchenftellung, die wirtfchaftliche Krife, unter deren Druck Ce allere
wärts ftehen, haben ihnen geholfen, enthuCaftifch und vorbehaltlos die Sache
der Demokratie zu der ihren zu machen,- überall in Deutfchland und Deutlch-
öfterreich gebärden Cch gerade ihre Räte und Ausfchülfe am radikalen, Cnd
ihre Wünfche die kühnften, ihre Forderungen die weitgehendften. Überall
verlangen Ce ^ oder verlangten Ce im elften Überfchwang — die völlige
Autonomie von Kunft und KünClern und die ausgiebigfte Förderung beider
durch die Öffentlichkeit,- eine naive Verbindung von hart pour hart und De-
mokratiCerung der Kunft, in der die jähe Wendung der allgemeinen Geiftes-
ftrömungen Cch feltfam widerfpiegelt.
Der unheilbare Zwiefpalt in diefer Stellungnahme der Künder ift im
Widerfpruch diefes Begriffes felbft begründet: Künder Cnd jene Begnadete,
deren fchöpferifches Tun, aller Regelung entzogen, an keinem anderen Arbeits-
werte meßbar, die Menfchheit bereichert,- Künder Cnd aber auch diejenigen,
die Cch im Hauptberufe als Maler, Bildhauer oder Architekt fortbringen und
deren Tätigkeit Cch in die foziale Ordnung unfdhwer einfügt. Im Namen
jener organiCeren Cch diefe Künder,- Ce fordern die Ausnahmeftellung, die
nur den fchöpferifchen Einzelnen gebührt, als das Vorrecht ihres Standes und
wollen gleichzeitig in der Kunft ein Majoritätsprinzip zur Geltung bringen,
das den Überragenden verderblich ift und verderblich fein muß. Nur die
unklare, faft abergläubifche Verehrung, die der tönende Name der Kunft den
Nahe= und Ferneftehenden abnötigt, vermag den Staatsmännern, die das
 
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