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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919 (April-September)

DOI Heft:
Nr. 35 (13. Juni 1919)
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Tietze, Hans: Max Dvořáks "Idealismus und Naturalismus in der gotischen Skulptur und Malerei"
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https://doi.org/10.11588/diglit.29582#0231

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZB
NR. 33 13. JUNI 1919

MAX DVORÄKS
IDEALISMUS UND NATURALISMUS IN DER GOTISCHEN
SKULPTUR UND MALEREI«')
VON HANS TIBTZE
"TAAS ferne Licht, delfen kein individuelles und kein gefellfAaltliAes Tun
-I—entraten kann, das nicht mit armfeligem von Tag=zu=Tag-Tappen fich
befdieiden will, hat der wilfenfAaltliAen Kunlterkenntnis Karl Sdmaafe ent-
zündet, wenn er das dunkle Gefühl einer bedeutungsvollen Schönheit und
und das bloß hiftorifdie Beleben beltimmter Vergangenheiten als Vorltufen
bezeichnet und die höhere Verbindung zwilchen ihnen fordert, die im vollen
Genuß jeder einzelnen Schönheit zugleich ihr Verhältnis zu allen anderen
und ihre hiltorikhen Beziehungen fühle. »Aber freilich«, hat er den idealen
Charakter fotcher Forderung betonend hinzugefügt, »auf ;diefer Meilterltufe
lernt keiner aus«. Die Gegenfätzlichkeit, deren Überwindung ihm als Ziel
erkhien, hat fich im Lauf der folgenden Jahrzehnte mehr und mehr zur aus^
lAließenden Antinomie entwickelt,- der Abfolutismus des volle Hingabe for-
dernden Kunltwerks und der Relativismus hiltorilAer Erkenntnis beltimmten
eine Spannung, von der falt ein Jahrhundert KunltgefAiAte belebt war. Heute
ift die wilfenfAaftsgefAiAtliAe Situation dem Standpunkt SAnaafes wieder
eigentümliA ähnliA geworden,- wie der ererbte Rationalismus des 18. Jahr-
hunderts und der GefühlsüberlAwang der Romantik die doppelte Wurzel für
feine SehnfuAt naA einer Synthefe bot, hat uns der Hiltorismus des 19. Jahr-
hunderts und der von ihm fo merkwürdig durAtränkte Antirationalismus der
Gegenwart — wie die Romantik mehr eine SehnfuAt naA Befreiung als ein
wirkliAes Loskommen von der ErlAeinung, gegen die reagiert wird — den
WunIA naA Vereinigung des Getrennten zum Bedürfnis gelteigert. Daß HA
der fpezielle Hiltorismus unferer WilfenlAaft mehr und mehr auf die Probleme
der AnfAautiAkeit eingefAränkt hat und der Drang, hiltorifAe ErfAeinungen
in ihrer Ganzheit zu erfalfen, zu einem uneingefAränkten Operieren mit den
Mitteln der Intuition führen mußte, läßt den AugenbliA für den VerfuA
günltig erfAeinen, die beiden Pole zu einer Berührung zufammenbiegen zu wollen.
1) München, Ofdenbourg, 1918,- (auch in »Hiftorifdie Zeitfchrift« 1918).

Nr. 33. 13. VI. 19
 
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