Kunst mit den vor. ihr aufgenommenen Einflüssen aus-
einandergesetzt und in welchem Umfange sie es ver-
mocht hatte, sie in das nationale Temperament einzu-
schmelzen.
Der Sturmtrupp, der dem Freiluftnaturalismus Bahn
brach, setzte sich aus Persönlichkeiten von verschiede-
dem Gewichte zusammen. Carl Locher, der feine kleine
Seestücke gemalt hat, war im Ganzen doch eine gerin-
gere Begabung. Lauritz Tuxen war unzweifelhaft ein
geborener Kolorist, aber er hat der Verführung zum
Effekte nicht widerstehen können, und die großen Bilder
fürstlicher Gesellschaften und Feierlichkeiten, durch die
er sich später bekannt gemacht hat, haben mehr ge-
schichtliches und gesellschaftliches Interesse als künst-
lerischen Wert. So wurden P. S. Kröyer und Michael
Ancher die eigentlichen Führer. Kröyer ist die glänzen-
dere Persönlichkeit; man kann wohl sagen, daß er etwas
Genialisches hatte; das Schaffen wurde ihm leicht, er
war voller Temperament, liebte das Fest des Lebens und
ließ es auf seinen Bildern gern laut und lustig zugehen.
In dem „Künstlerfrühstück auf Skagen“ von 1883 hat er
in einer glänzenden Improvisation einem Augenblick
sonnenheller Lebensheiterkeit Dauer gegeben; sein Bild-
nis des Dichters Schandorph (1895), um nur dies eine
aus der Reihe seiner Porträts herauszugreifen, ist von
prachtvoller Vitalität und unwiderstehlich in der, man
möchte sagen, übermütigen Kraft und Frische der
Charakteristik. Wenn Kröyer nicht ganz das gehalten
hat, was sein Talent verhieß, so liegt das wohl daran,
daß er einen Zug zur Virtuosität hatte, und daß er als
Impuls- und Stimmungsmensch sprunghaft und daher
ungleichmäßig schuf; seine ganze Kraft in einem Werke
zu sammeln fiel ihm schwer. Ergebnisse sehr ernster
Arbeit sind seine figurenreichen Gruppenbildnisse, mit
denen er eine in der dänischen Kunst bis auf Eckersberg
und Constantin Hansen zurückreichende Ueberlieferung
fortsetzte und die, wenn nicht zu seinen originellsten und
persönlichsten, so doch zu seinen gediegensten
Schöpfungen zählen. Für die „Sitzung der Akademie
der Wissenschaften“ (1897) hat er in dem Vortrage von
Professor Steenstrup ein ordnendes Motiv gefunden,
durch das er die Gruppenbildung organisieren und zu-
sammenfassen konnte, während an dem „Ausschuß der
französischen Kunstausstellung“ von 1888 und den
„Männern der Industrie“ (1904) der photographische
Charakter nicht überwunden ist. Die „Männer der In-
dustrie“, in grauem Tageslichte dargestellt, sind im gan-
zen ein wenig erfreuliches Bild; auf dem Ausschußbilde
trägt der Widerstreit von Tages- und Kerzenlicht, der
Kröyer malerisch gereizt haben mag, eher zur Spren-
gung des Bildkörpers bei; das Akademiebild, auf dem die
künstliche Beleuchtung allein herrscht, ist auch malerisch
als die reifste Schöpfung anzusehen.
Der Bornholmer Michael Ancher war langsamer,
beharrlicher, gründlicher als Kröyer. Der Stoffkreis des
Lebens der Skagener Fischer, den er erschloß, wurde für
die dänische Malerei dadurch von Bedeutung, daß er ihr
eine wohltätige Auslüftung brachte; es gab, so sah man,
noch ein anderes, ein kraftvolleres und herberes Däne-
mark, als das der traulich intimen Landschaften und der
stillbehaglichen Stuben, als das „hyggelige“ Dänemark,
das der inseldänische Geschmack immer wieder darge-
stellt hatte. Ancher war eine ernstere Natur als Kröyer;
sein Verhältnis zu den Menschen wie auch zu den male-
rischen Problemen war innerlicher, ln seinen Bildern
lebt ein verhaltenes Pathos, dessen Wirkung freilich ge-
rade in seinen bekanntesten Werken, wie z. B. „Wird er
die Spitze runden?“ von 1879, durch die modellhaftc Be-
handlung der Figuren gehemmt wird. Naturalist ist er
immer geblieben, aber er hat sich zu einer reinen Schön-
heit und einem feinen Leben der Farbe durchgearbeitet,
durch die die besten seiner Bilder aus dem Bereiche des
Photographischen in den freier künstlerischer Wirkung
emporgehoben wurden. Werke, wie das „Kranke Mäd-
chen“ (1883) und die „Taufe“ von 1888, sind Gipfel-
leistungen dieser Generation; sie erinnern in ihrer Wirk-
lichkeitsnähe, ihrer strengen Sachlichkeit und in der
Schönheit der farbigen Deutung der Erscheinungen fast
an Leibi; aber die gedämpfte Innigkeit, die Ancher in
die Schilderung der Vorgänge legt, ist dänisch.
Lim Ancher und Kröyer hat sich auf Skagen nach
und nach eine skandinavische Künstlerkolonie zu-
sammengefunden, und namhafte Maler, wie die Norwe-
ger Christian Krogli, Fritz Thaulow, Eilif Peterssen und
der Schwede Oskar Björck, haben sich hier Anregungen
geholt. Als Kröyers Nachfolger wäre wohl am ehesten
der gleichaltrige Viggo Johansen zu bezeichnen, der ge-
meinsam mit ihm 1887 in Paris einen Sieg erfochten hat,
durch den die Scharte von 1878 ausgewetzt wurde. Bei
Johansen ist der französische Einschlag stärker; es ist
das malerische Bewegte, das ihn an den Erscheinungen
in erster Reihe interessiert; seine Pinselführung ist
locker, seine Farbe geschmeidig. Er hat vielerlei gemalt;
seine „Künstlergesellschaft“ (1902/03) ist ein elegant und
flott durchgeführtes Gruppenbildnis im Innenraume; mit
seinen intimen Innenbildern, in die er etwa eine oder
zwei Figuren stellt, setzt er auf neuer malerischer Ebene
die klassische Linie dieser Gattung fort, die seit den
Holländern nirgends eine so eifrige und erfolgreiche
Pflege gefunden hat wie in Dänemark. Die Heimliche
und die Heimkultur des dänischen Volkes bilden die
Quellen, aus denen diese Gattung eine Kraft gezogen
hat, die erst in jüngster Zeit zu versiegen scheint.
So hoch man nun aber auch die Geltung Kröyers
und Anchers als Vordergrundsgestalten in dem bewegten
Bilde der dänischen Malerei der achtziger Jahre an-
schlagen mag — in seinem Mittelpunkte steht ein ande-
rer Künstler: Kristian Zahrtmann. Er besaß die größere
Originalität und die stärkere künstlerische Triebkraft; er
war solide und zugleich doch auf eine Weise verwegen;
seine Entwicklung ist reicher und mannigfaltiger als die
jener beiden Künstler, folgerichtig und doch wieder über-
raschend. Und zugleich war er eine jener Persönlich-
keiten, die dazu geschaffen sind Kraftzentren zu bilden,
die nach allen Seiten belebende Ströme aussenden.
Zahrtmanns Einfluß in der dänischen Malerei reicht bis
ins 20. Jahrhundert hinein.
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einandergesetzt und in welchem Umfange sie es ver-
mocht hatte, sie in das nationale Temperament einzu-
schmelzen.
Der Sturmtrupp, der dem Freiluftnaturalismus Bahn
brach, setzte sich aus Persönlichkeiten von verschiede-
dem Gewichte zusammen. Carl Locher, der feine kleine
Seestücke gemalt hat, war im Ganzen doch eine gerin-
gere Begabung. Lauritz Tuxen war unzweifelhaft ein
geborener Kolorist, aber er hat der Verführung zum
Effekte nicht widerstehen können, und die großen Bilder
fürstlicher Gesellschaften und Feierlichkeiten, durch die
er sich später bekannt gemacht hat, haben mehr ge-
schichtliches und gesellschaftliches Interesse als künst-
lerischen Wert. So wurden P. S. Kröyer und Michael
Ancher die eigentlichen Führer. Kröyer ist die glänzen-
dere Persönlichkeit; man kann wohl sagen, daß er etwas
Genialisches hatte; das Schaffen wurde ihm leicht, er
war voller Temperament, liebte das Fest des Lebens und
ließ es auf seinen Bildern gern laut und lustig zugehen.
In dem „Künstlerfrühstück auf Skagen“ von 1883 hat er
in einer glänzenden Improvisation einem Augenblick
sonnenheller Lebensheiterkeit Dauer gegeben; sein Bild-
nis des Dichters Schandorph (1895), um nur dies eine
aus der Reihe seiner Porträts herauszugreifen, ist von
prachtvoller Vitalität und unwiderstehlich in der, man
möchte sagen, übermütigen Kraft und Frische der
Charakteristik. Wenn Kröyer nicht ganz das gehalten
hat, was sein Talent verhieß, so liegt das wohl daran,
daß er einen Zug zur Virtuosität hatte, und daß er als
Impuls- und Stimmungsmensch sprunghaft und daher
ungleichmäßig schuf; seine ganze Kraft in einem Werke
zu sammeln fiel ihm schwer. Ergebnisse sehr ernster
Arbeit sind seine figurenreichen Gruppenbildnisse, mit
denen er eine in der dänischen Kunst bis auf Eckersberg
und Constantin Hansen zurückreichende Ueberlieferung
fortsetzte und die, wenn nicht zu seinen originellsten und
persönlichsten, so doch zu seinen gediegensten
Schöpfungen zählen. Für die „Sitzung der Akademie
der Wissenschaften“ (1897) hat er in dem Vortrage von
Professor Steenstrup ein ordnendes Motiv gefunden,
durch das er die Gruppenbildung organisieren und zu-
sammenfassen konnte, während an dem „Ausschuß der
französischen Kunstausstellung“ von 1888 und den
„Männern der Industrie“ (1904) der photographische
Charakter nicht überwunden ist. Die „Männer der In-
dustrie“, in grauem Tageslichte dargestellt, sind im gan-
zen ein wenig erfreuliches Bild; auf dem Ausschußbilde
trägt der Widerstreit von Tages- und Kerzenlicht, der
Kröyer malerisch gereizt haben mag, eher zur Spren-
gung des Bildkörpers bei; das Akademiebild, auf dem die
künstliche Beleuchtung allein herrscht, ist auch malerisch
als die reifste Schöpfung anzusehen.
Der Bornholmer Michael Ancher war langsamer,
beharrlicher, gründlicher als Kröyer. Der Stoffkreis des
Lebens der Skagener Fischer, den er erschloß, wurde für
die dänische Malerei dadurch von Bedeutung, daß er ihr
eine wohltätige Auslüftung brachte; es gab, so sah man,
noch ein anderes, ein kraftvolleres und herberes Däne-
mark, als das der traulich intimen Landschaften und der
stillbehaglichen Stuben, als das „hyggelige“ Dänemark,
das der inseldänische Geschmack immer wieder darge-
stellt hatte. Ancher war eine ernstere Natur als Kröyer;
sein Verhältnis zu den Menschen wie auch zu den male-
rischen Problemen war innerlicher, ln seinen Bildern
lebt ein verhaltenes Pathos, dessen Wirkung freilich ge-
rade in seinen bekanntesten Werken, wie z. B. „Wird er
die Spitze runden?“ von 1879, durch die modellhaftc Be-
handlung der Figuren gehemmt wird. Naturalist ist er
immer geblieben, aber er hat sich zu einer reinen Schön-
heit und einem feinen Leben der Farbe durchgearbeitet,
durch die die besten seiner Bilder aus dem Bereiche des
Photographischen in den freier künstlerischer Wirkung
emporgehoben wurden. Werke, wie das „Kranke Mäd-
chen“ (1883) und die „Taufe“ von 1888, sind Gipfel-
leistungen dieser Generation; sie erinnern in ihrer Wirk-
lichkeitsnähe, ihrer strengen Sachlichkeit und in der
Schönheit der farbigen Deutung der Erscheinungen fast
an Leibi; aber die gedämpfte Innigkeit, die Ancher in
die Schilderung der Vorgänge legt, ist dänisch.
Lim Ancher und Kröyer hat sich auf Skagen nach
und nach eine skandinavische Künstlerkolonie zu-
sammengefunden, und namhafte Maler, wie die Norwe-
ger Christian Krogli, Fritz Thaulow, Eilif Peterssen und
der Schwede Oskar Björck, haben sich hier Anregungen
geholt. Als Kröyers Nachfolger wäre wohl am ehesten
der gleichaltrige Viggo Johansen zu bezeichnen, der ge-
meinsam mit ihm 1887 in Paris einen Sieg erfochten hat,
durch den die Scharte von 1878 ausgewetzt wurde. Bei
Johansen ist der französische Einschlag stärker; es ist
das malerische Bewegte, das ihn an den Erscheinungen
in erster Reihe interessiert; seine Pinselführung ist
locker, seine Farbe geschmeidig. Er hat vielerlei gemalt;
seine „Künstlergesellschaft“ (1902/03) ist ein elegant und
flott durchgeführtes Gruppenbildnis im Innenraume; mit
seinen intimen Innenbildern, in die er etwa eine oder
zwei Figuren stellt, setzt er auf neuer malerischer Ebene
die klassische Linie dieser Gattung fort, die seit den
Holländern nirgends eine so eifrige und erfolgreiche
Pflege gefunden hat wie in Dänemark. Die Heimliche
und die Heimkultur des dänischen Volkes bilden die
Quellen, aus denen diese Gattung eine Kraft gezogen
hat, die erst in jüngster Zeit zu versiegen scheint.
So hoch man nun aber auch die Geltung Kröyers
und Anchers als Vordergrundsgestalten in dem bewegten
Bilde der dänischen Malerei der achtziger Jahre an-
schlagen mag — in seinem Mittelpunkte steht ein ande-
rer Künstler: Kristian Zahrtmann. Er besaß die größere
Originalität und die stärkere künstlerische Triebkraft; er
war solide und zugleich doch auf eine Weise verwegen;
seine Entwicklung ist reicher und mannigfaltiger als die
jener beiden Künstler, folgerichtig und doch wieder über-
raschend. Und zugleich war er eine jener Persönlich-
keiten, die dazu geschaffen sind Kraftzentren zu bilden,
die nach allen Seiten belebende Ströme aussenden.
Zahrtmanns Einfluß in der dänischen Malerei reicht bis
ins 20. Jahrhundert hinein.
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