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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

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1./2. Märzheft
DOI Artikel:
Kuhn, Alfred: Die polnische Kunst der Vergangenheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0270

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die deutschen Städte sogar ihr Recht aus der Heimat.
Leider traf der staatspolitisch begründete Wunsch nach
Homogenisierung des Landes unter der Regierung der
Jagiellonen mit einer Unterdrückung der Städte zu-
gunsten des Adels zusammen, was einer Vernichtung
der nationalen künstlerischen Kultur gleichkam, die sich
just in den Ansätzen einer Bildung befand. Gerade in
den Zeiten, als Litauen in den Reichsverband auf-
genommen, der deutsche Orden säkularisiert, wäre eine
blühende gewachsene Kultur mit klarem eigenem Ge-
sicht notwendig gewesen, um alles zusammen-

Skoczylas, Hl. Sebastian. Ausstellung neuer poln. Kunst in Berlin

zuschweißen. Diese aber zu schaffen, war versäumt
worden. Polnisch war die Sprache des einfachen
Volkes, des Liedes, der Predigt. Die Gebildeten
sprachen lieber Latein, später französisch. Seine
Künstler bezog man immer wieder aus Deutschland, den
Niederlanden, Italien, Frankreich. Sie bauten die
Kirchen und Paläste, schmückten die Adelssitze. Nur
auf dem Lande unter den Bauern lebte alte slavische
Kunstübung, hier erhielt der Osten Einlaß mit seinen
Webereien, Silberstickereien, der Keramik und der
Holzschnitzerei. Erinnerungen an fremde Heereszüge
lebten fort in künstlerischen Betätigungen, wurden um-
gewandelt und anverwandelt. Sehr spät, erst nach
Jahrhunderten, sollte von hier aus eine neue eigentüm-
liche Kunst entstehen. Einstweilen war nicht die Rede
davon.

Ueberblickt man die polnische Kunst der Vergan-
genheit, so findet man überall Spiegelungen, wenn nicht
Abbilder der westlichen Kunst. „Es muß festgestellt
werden, daß die polnische historische Baukunst ganz
und gar zur Gruppe der Architekturen des Westens und
nicht des Ostens gehört, sie hat z. B. nichts mit der
russischen gemein“, schreibt Stanislaw Noakowski mit
besonderem Nachdruck, einer der hervorragendsten
Kenner der Baukunst seines Landes. Die innere Ab-
neigung gegen Rußland, das Barbarenland, ist zu groß.
Weit lieber will man keinen eigenen Stil besitzen, als
einen slawischen, der mit dem moskowitischen etwas
gemein hat.

In romanischer Zeit führen Frankreich und Deutsch-
land. Sie verdrängen die armenischen Einflüsse, die
für die ältesten polnischen Steindenkmäler nachgewie-
sen wurden. In gotischer Zeit kommt der norddeutsche
Backsteinbau mit den Beziehungen zu den Ordens-
rittern. Nur in Südpolen bildet sich ein eigentümlicher
Stil im Haustein. Die Kirchen Krakaus bieten Beispiele.
Es sind die Tage Kazimierz des Großen (1333—1370),
des Gründers der Krakauer Universität. Er habe ein
Polen in Holz gefunden, heißt es, und eines in Stein zu-
rückgelassen. Daß es sich hier um jene typisch slawi-
schen Holzbauten handelte, von denen sich Reste in der
ländlichen sakralen und profanen Architektur erhalten
haben, ist kaum zweifelhaft. Der hochkultivierte Fürst
etablierte energisch die Zeichen westlicher Gesittung.

In der Malerei kann man Aehnliches beobachten.
Die Miniaturen und Gemälde lassen deutlich franzö-
sische Einflüsse spüren, besonders jedoch böhmische,
Einflüsse, die sich auch in der gleichzeitigen Plastik zei-
gen. Dann 1413 kommt Veit Stoß nach Krakau und es
beginnt eine enge Verbindung mit Nürnberg. Es ist
viel darüber diskutiert worden, ob Stoß ein Pole oder
ein Deutscher war. Gelehrte wie Kopera und Lossnitzer
haben die besten Waffen ihrer Kenntnis und ihres
Scharfsinns eingesetzt, ihre Thesen zu verteidigen. Für
uns ist die Frage hier ohne Belang. Sicher ist, daß die
künstlerische Verflechtung Krakaus mit Nürnberg einen
außerordentlich hohen Grad erreichte und daß Nürnberg
gebend war. Peter Vischer und seine Werkstatt lie-
fern in großem Umfang, Hans Dürer, Albrechts jünge-
rer Bruder, Hans von Kulmbach und Pleydenwurf
malen, Nürnberger Kupferstiche gehen von Hand zu
Hand, geben Vorbilder ab für manches, was einheimi-
sche Künstler produzieren. Später folgen Holbein und
seine Schule, besonders in den Familienbildern der
Jagiellonen.

Seit 1500 setzt übermächtig der italienische Ein-
fluß ein, der in der Malerei schon lange vorher spür-
bar war. Die Humanisten kommen von jenseits der
Alpen. Das deutsche Kulturelement wird langsam zu-
rückgedrängt, besonders als Zygmunt I. die Mailänder
Prinzessin Bona Sforza gefreit. Es ist die Glanzzeit
der Architektur in Polen: die italienische Attika, der
deutsche Giebel stehen nebeneinander. Etwas Selt-
sames: Als ein Brand die Krakauer Tuchlauben zum
Teil vernichtet hatte, baute man ein neues steiles Sattel-

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