Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI Heft:
1./2. Märzheft
DOI Artikel:
Kuhn, Alfred: Die polnische Kunst der Vergangenheit
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0271

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
dach, wie es das Klima erforderte, mit einer hohen
Attika im Geiste des sonnigen Italiens. Ein phanstati-
sches Gebilde von Nischen, Pilastern und Kreuzgesims
entsteht: Voluten tragen die in Stein gemeißelten Köpfe
und Körbe. Diese Attika hat Schule gemacht in ganz
Polen. Sie gilt als typisch polnisch, und man empfindet
sie auch durchaus so. Trotzdem ist sie eine ureigene
Schöpfung von Gianmaria Padovano aus den Jahren
1556—1559. Vielleicht ist diese Attika symbolisch:
Oestlich will man nicht sein, von Deutschland hat man
das Gerüst seiner intellektuellen Kultur bezogen, aber
man verkleidet es mit der Fassade des leuchtenden
Südens, der dem östlich-nordischen Menschen so viel
bedeutet. Italien hat dann auch die kulturelle Führung
an sich gerissen. Die städtische Bürgerschaft pflegt die
Verbindungen zu Deutschland. Der Adel jedoch tendiert
nach Italien. Nach dem Brande des Krakauer Wawels
1499 erfolgt sein Neuaufbau im italienischen Stil durch
Francesco della Lore, und als auch sein Werk ein Feuer
1536 zum Teil vernichtete, ist es wieder ein Italiener,
Berecci mit Namen, der es ersetzt.

Italien bleibt in der Folgezeit für die polnische
Kunst maßgebend, mögen auch vorübergehend nieder-
ländische Einflüsse hereinströmen. Die Fülle der
prachtvollen Barockkirchen und Klöster ist nicht ohne
dieses zu denken. Unter Zygmund 111. tritt die venezia-
nische Malerei eindrucksvoll in die Erscheinung. Thomas
Dolabella aus der Schule des Veronese wird Hofmaler
und füllt die Krakauer Klöster und Schlösser mit seinen
Werken.

Noch Ende des 17. Jahrhunderts bauten dfe
Italiener Belloti, Locci, Ceroni für Jan Sobieski das ent-
zückende Lustschlößchen Wilanöw in der Nähe
Warschaus.

Im 18. Jahrhundert unter den sächsischen Königen
setzt der Einfluß Frankreichs ein. Louis de Sylvestre,
ein Schüler Lebruns, Adam von Manyoki, ein ungari-
scher Schüler Largillieres arbeiten in Warschau für den
Hof. Der italienische Einfluß erstreckt sich jetzt allein
auf die kirchliche Kunst.

Noch einmal erlebte Polen nach der Renaissance
eine große Zeit der Kunstentfaltung, unter dem letzten
polnischen König Stanislaw August Poniatowski. Wäh-
rend seiner Regierung entstand das Lazienki-Paläis in
Warschau, eine der reizendsten Schöpfungen des
Louis XVI.-Stil in Europa, jedoch von durchaus
italienischem Gepräge. Der König beschäftigte Künst-
ler aus Italien, Deutschland und Frankreich. Der jün-
gere Canaletto schilderte in einer schönen Folge das
Warschau des 18. Jahrhunderts, Bacciarelli, ein Batoni-
schüler, schmückte die Schlösser des Königs mit Wand-
malereien mythologischen und historischen Charakters,
Giovanni Battista Lampi und Giuseppe Grassi porträ-
tierten die höfische Gesellschaft. Unter den Deutschen
ist Anton Graff zu nennen, unter den Franzosen sind
Louis Marteau aus dem Kreise Quentin la Tours, Vigee-

Lebrun und endlich Jean Pierre Norblin hervorzuheben,
der zwischen 1774 und 1804 in Polen weilte und im
galanten Stil eines Watteau in Schlössern der Radziwill
und Czartoriski malte. Sein Einfluß auf die polnische
Malerei der Zeit ist ausschlaggebend, so auf Qrlowski
und Pionski.

Wichtiger jedoch ist die Tätigkeit Stanislaw
Augusts auf dem Gebiete des heimischen Kunst-
gewerbes. Er begnügte sich nicht mit der Beschäf-
tigung ausländischer Kräfte, sondern schuf ganz im
Sinne seiner Zeit im Lande selbst nationale Manufak-
turen. Daneben gründete der hohe Adel solche auf sei-

Krasnodebska, Weihnachtssänger
Ausstellung neuer polnischer Kunst in Berlin

neu riesigen Territorien, als Blüten seiner Hofhaltungen,
die an Pracht manche regierenden Könige übertrafen.
So entstanden die Porzellanfabriken in Korec, Bara-
nowka, Telechany, für Fayencen solche in Warschau
(Belvedere), Cmielow, Nieborow, für Gobelins als
Schöpfungen der Lubomierski: Lacaut, der Oginski:
Slonim, der Radziwill: Korelicze. Die blühende Gold-
und Silberweberei jedoch war eine mehr städtische Betä-
tigung. Um dieselbe Zeit, also seit Mitte des 18. Jahrh.
trat an die Stelle des Importes von Silberschärpen, wdc
sie der Adel in seinem Standeskostüm trug, eine rege
Produktion im Lande selbst und zwar in Sluck, in
Kobylki bei Warschau, in Krakau und Danzig, um nur
diese zu nennen.

261
 
Annotationen