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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI Heft:
1./2. Maiheft
DOI Artikel:
Loewental, Artur Imanuel: Stunden und Tage um Einstein: wie ich ihn modellierte
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0340

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nicht vereinzelt dasteht, sondern schon Vorgänger in
Amerika hat. Dann wurde ein Schreiben verlesen, in-
dem eine Anzahl hervorragender französischer Gelehr-
ter Einstein aufforderten, in einem Falle, wo durch ein
rechtskräftig gewordenes Fehlurteil das Rechtsempfin-
den der ganzen zivilisierten Welt verletzt wurde — es
handelte sich übrigens nicht um Frankreich, sondern um
ein anderes zentraleuropäisches Land, mit einem Veto
an die Spitze zu treten. Bei der Besprechung dieses
Falles geschah es auch, daß Prof. Einstein das Wort an
mich richtete und mich mit ins Gespräch zog. Von die-
sem Moment an war, wie ich mir einbilde, die erste
Brücke geschlagen. Es ward mir vergönnt, in den per-
sönlichen Bannkreis dieser Ausnahmemenschen zu

heimlich stuhrem Gesichtsausdruck, wie ein Irrer in sei-
ner Zelle auf und ablaufen. In der Wohnung erfuhr ich
dann Folgendes: Der Mensch draußen, ein angeblicher
Schriftsteller, habe vor einigen Monaten irgend ein
Manuskript an Einstein cingesandt, zuerst mit der Bitte,
Einstein möge dieses „überaus bedeutungsvolle“ Werk
durchlesen und dann den Autor zu einer Besprechung
einladen. Da solche Fälle dutzendweise vorkämen, habe
man, um ja niemanden zu kränken, höflich aber kurz
geschrieben, Einstein sei leidend und bedaure sich der
Sache nicht widmen zu können, der Autor möge also
seine Sache äbholen. Dies geschah nun nicht, statt
dessen kamen immer ausfallendere Zuschriften, die
schließlich von Drohungen und unflätigen Beschimpfun-

Artur Loewental

Plakette

auf

Albert Einstein

Erworben vom Münz-
Kabinett des Kaiser-
Friedrich-Museums
io Berlin,

vom Schloßmuseium
Berlin und von der
Stadt Berlin

treten. Von nun an wurde ich zwar noch einige Male
ins Gespräch gezogen, aber mit keinem Wort oder Blick
wurde meine Arbeit berührt. Dies ereignete sich erst
am Ende der dritten Sitzung, als bei einem Platzwechsel
sein Mitarbeiter einen vollen Anblick der Arbeit bekam
und einen erstaunten Ausruf tat. Da wurde Einstein
aufmerksam und fragte, ob denn die Arbeit schon vollen-
det sei. Nun zeigte ich mein Werk und bekam zu hören,
wie sprechend lebendig sie Beide es fänden. Als ich
darauf einwandte, daß das Ganze für mich nur erst eine
Skizze sei, daß ich aber selbst hoffe, daraus noch etwas
Gelungenes machen zu können, wenn mir nur vergönnt
wäre wiederzukommen, da sagte mir Einstein zu meiner
großen Freude: „Sie haben mich nicht im geringsten
gestört, ich habe ja nicht wie bei den anderen stillhalten
müssen. Sie können ruhig 'wiederkommen, denn ich
bin jetzt selbst überzeugt, daß was Gutes draus wird“.

Am nächsten Morgen sah ich auf der Etage vor Ein-
steins Wohnung einen baumlangen Menschen mit un-

gen strotzten, die man aber bis jetzt unbeachtet gelassen
habe. Heute Morgen sei er nun vor Einsteins Türe er-
schienen und in großer Erregung die sofortige Ausliefe-
rung seiner so ungeheuer wertvollen Manuskripte gefor-
dert. Nun habe Frau Prof. Einstein überall nachgesucht
und auch irgend ein Kuvert gefunden, daß mit dem an-
gegebenen Namen bezeichnet war. Als man ihm nun
dieses aushändigen wollte, wies er es zurück, weil an-
geblich das Wertvollste daran, Entwürfe, die er direkt
auf göttliche Eingebung hin entworfen habe, fehle.
Drohend erklärte er nicht eher von der Türe weichen
zu wollen, bis er sein volles Eigentum wiederhabe. Frau
Einstein war in heller Verzweiflung. Sie konnte nichts
mehr finden und wollte auch ihrem Gatten, der eben
eine wichtige Konferenz hatte, jede Aufregung fern-
halten. So erbot ich mich, mit dem Mann zu verhandeln,
hatte aber nicht den geringsten Erfolg. Der Mensch
fauchte mich blos an, er verhandle nicht mehr mit Ein-
stein, aber bald sei die gestellte Frist verstrichen und

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