U3e(iö (Hiebet; Kunffaustaufcb*
Don pcofeffoe üiktoE 0ppenb<2ttrieE=BEÜnn.
Einem gebürtigen Mährer, Künstler von Beruf, Professor V.
Chytil wurde das merkwürdige Geschick der Mittlerrolle zwischen
dem Kunstgut zweier Weltteile, die nicht nur räumlich, sondern
auch durch die Weltanschauungsweise grundsätzlich getrennt sind.
Professor Chytil kam durch Kriegsgefangenschaft zu seinem Er-
folg. In China von dem Friedensschluß überrascht, beeilte sich
der für die asiatische Kunst begeisterte Künstler gar nicht in die
Heimat zu kommen, sondern vereint mit einer gleichgesinnten, aus
Rußland gebürtigen Gattin ging er nach Peking in das heilige Herz
des Riesenlandes mit seiner geheimnisvollen und dadurch gerade
so anziehenden und festhaltenden Kunst. Hier wußte er sich eine
maßgebende Stellung an der National Academy of Fine Arts Peking
für europäische Darstellungsweise im Aktzeichnen zu gründen
und saß damit an der richtigen Stelle, welche im Einfluß auf die
jungen Künstler, die Künstlervereinigungen, den Kunst- und Anti-
quitätenhandel nicht nur im Reiche der Mitte, sondern auch in
Japan gewährte, welches er oft und fruchtbringend aufsuchte.
Chytil behorchte das dem Europäer bisher unzugängliche Leben
Die heilige Dorothea mit Krone, Blumenkorb und Palme
Bes.: Gilhofer & Ranschburg, Luzern
der jungen Künstler, er erwarb seltene kostbare Dinge, darunter
eine Reihe prachtvoller lamaistischer Tempelfahnen, von chinesi-
schen Plündern nach Peking verschleppt, darunter Stickereien,
und, was das Beste war, er wußte sich das Vertrauen der chine-
sischen Künstler zu verschaffen. Er kehrte nach Europa heim als
doppelter Sieger in sein befreites Land, zusammen mit den Werken
der Künstler Chinas und Japans, die der Welt eine neue Kunst
des fernen Ostens aufzeigen wollen, Professor Chytil stellt, mit
größtem Erfolge bei Künstlern, Kennern, sowie auch beim breiten
Publikum in der Wiener Secession aus und wurde als Träger einer
neuen völkerverbindenden Idee in jeder Weise gefeiert. Er ist
jetzt in Brünn, der Hauptstadt seiner engeren Heimat, mit einer
großen Doppelausstellung im Künstlerhause des Mährischen Kunst-
vereins, sowie im Gebäude der tschechischen Künstlervereinigung
Ales vertreten. Von hier aus will er mit seinen Künstlern nach
Prag, wo er bereits zweimal Station machte, Budapest, Berlin und
Paris. Eine ähnliche Sammlung von Jung-Japankunst ist derzeit,
auf seine Anregung und auf besonderen Wunsch Mussolinis, in
Rom zu sehen. Ein großes Propagandawerk, wie einst jenes des
Florence Fenollosas zu Ende des 19. Jahrhunderts, das Altjapan
in Amerika und Europa endgültig auf den Schild hob.
Von den beiden Brünner Ausstellungen hat man eine plasti-
sche Perspektive des Kunstschaffens beider Länder. Gemeinsam
ist die thematische Verflachung, die mit der europäischen Ver-
armung auf diesem Gebiete gleichen Schritt hält. Auf der ganzen
Linie triumphiert das Stilleben ostasiatischer Art, das Pflanzen-
und Tierkakemonos in der objektiven mehr egozentrischen Art
Japans und in der breiten, mehr getragenen, noch immer vom alt-
chinesischen Tao der großen Gesittung durchtränkten chinesischen
Weise. Vom Schauplatz der Kunst verschwand jedoch völlig das
religiöse Bild, ein unersetzlicher Verlust, sowie die legendere und
humoristische Darstellung — erstere in der Sung- und Mingzeit
Chinas vertreten, letztere die besondere Stärke der alten japani-
schen Künstler. Die Landschaft dominiert ebenso wie in Europa,
in Japan als zarter Stimmungsausschnitt mit wenigen sordinierten
Akkorden wirkend, in China noch immer die mächtig nach der
Ewigkeit eingestellten Perspektiven, die kühn aufgebauten Erinne-
rungsbilder der pittoresken Heimat, untertan dem strengen, aber
sinnvollen Kanon des Zenstiles. Auch der Holzschnitt in Japan
ist gegenständlich ungemein eingeschrumpft, aber technisch wie
besessen von einem verblüffenden, fast akrobatischen Furor und
von einer unglaublichen Abwechslung innerhalb des Gebietes der
Landschaftsdarstellung. Ueberfeinerung des Druckes und impressio-
nistische Annäherung an die Aeußerlichkeiten der Aquarell- und
Gouachenmalerei einerseits und Rückkehr zur gedämpften Har-
monie echter alter Farben andererseits, kennzeichnen das neue Ge-
samtbild japanischer Graphik, die sich von der Art der letzten
Epigonen Hiroshiges und der Utagawaschule entschieden abwendet.
Es ist zu erwarten, daß der neue Farbenholzschnitt Japans einen
großen Einfluß, insbesondere was das Technische betrifft, auf die
europäische Graphik üben dürfte. Professor Chytils Bemühungen
ist bester Erfolg zu wünschen, insbesondere auch aus dem Grunde,
da er beabsichtigt, der europäischen Kunst im Osten Verständnis
und einen Markt zu werben.
Sine Sammlung
bedeutende? fcbtüäbifcbet; pia(Hken
im Beßb dev Stadt RottiüeiL
Don De. Cbarloffe SfeinbEuekeE.
Die spätgotische Lorenzkapelle auf dem alten Friedhof in Rott-
veil enthält eine äußerst wertvolle Sammlung von steinernen und
hölzernen Bildwerken schwäbischer Meister des Mittelalters. Die
Steinbildwerke stammen von Rottweiler Gebäuden, hauptsächlich
von den Portalen der Frauenkirche; die Holzbildwerke gehören zu
der Sammlung des Kirchenrats Dr. Dursch, welche 1851 von König
Wilhelm I. der Stadt zum Geschenk überwiesen wurde, nachdem
die Regierung des Schwarzwaldkreises den vom Gemeinderat be-
schlossenen Verkauf als „ein weder notwendiges noch nutzbringen-
des Vorhaben“ untersagt hatte.
Die Lorenzkapelle bildet eines der wichtigsten südwestdeut-
schen Museen; denn sie gibt ein anschauliches Bild der Entwick-
lung der schwäbischen Plastik des Mittelalters. Die Kunstwerke
dieser Sammlung gehören drei Hauptepochen an: der Mitte des
14. Jahrhunderts, dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts und der
Zeit um 1500. Die Bildwerke der Rottweiler Frauenkirche stammen
aus der Mitte des 14. Jahrhunderts und zeigen eine enge Verwandt-
schaft mit den Propheten des Mittelportals an der Westfront des
Straßburger Münsters. Besonders der Kapellenturm der Rottwei-
ler Frauenkirche war reich mit Bildhauerwerken geschmückt. Ueber
dem mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts geschmückten
Bogenfeld des Westportals thronte der Heiland als Mittelpunkt der
zwölf Apostel. In den Bogenfeldern der Portale der beiden seit-
lichen kleinen Treppentürme waren unten je zwei Mönche und
Ritter und Dame und oben die Krönung und der Tod Marias dar-
gestellt. Auch die Bogenfelder des Nord- und Südportals waren
mit figürlichen Szenen, die südliche Stirnwand außerdem mit den
Gestalten der Propheten und die Nordwand mit Freifiguren ge-
schmückt. Der größte Teil dieser Skulpturen befindet sich heute in
der Rottweiler Lorenzkapelle. Die Propheten wirken tektonischer
und ausdrucksvoller als die Straßburger Vorbilder. Nahe ver-
wandt mit dem Meister der Propheten ist der Künstler der auf
einer Steinbank sitzenden Maria und dem einen nach links vor-
gebeugten, besonders erregt wirkenden Propheten mit übergeworfe-
nem Mantel der Rottweiler Frauenkirche. Wesentlich schwächer
in der Gestaltung und unbedeutender im Ausdruck wirken vier
Apostelfiguren mit schwer vorhängenden Köpfen und in den Ge-
wandmassen versinkenden Körpern und der stehende Christus mit
373
Don pcofeffoe üiktoE 0ppenb<2ttrieE=BEÜnn.
Einem gebürtigen Mährer, Künstler von Beruf, Professor V.
Chytil wurde das merkwürdige Geschick der Mittlerrolle zwischen
dem Kunstgut zweier Weltteile, die nicht nur räumlich, sondern
auch durch die Weltanschauungsweise grundsätzlich getrennt sind.
Professor Chytil kam durch Kriegsgefangenschaft zu seinem Er-
folg. In China von dem Friedensschluß überrascht, beeilte sich
der für die asiatische Kunst begeisterte Künstler gar nicht in die
Heimat zu kommen, sondern vereint mit einer gleichgesinnten, aus
Rußland gebürtigen Gattin ging er nach Peking in das heilige Herz
des Riesenlandes mit seiner geheimnisvollen und dadurch gerade
so anziehenden und festhaltenden Kunst. Hier wußte er sich eine
maßgebende Stellung an der National Academy of Fine Arts Peking
für europäische Darstellungsweise im Aktzeichnen zu gründen
und saß damit an der richtigen Stelle, welche im Einfluß auf die
jungen Künstler, die Künstlervereinigungen, den Kunst- und Anti-
quitätenhandel nicht nur im Reiche der Mitte, sondern auch in
Japan gewährte, welches er oft und fruchtbringend aufsuchte.
Chytil behorchte das dem Europäer bisher unzugängliche Leben
Die heilige Dorothea mit Krone, Blumenkorb und Palme
Bes.: Gilhofer & Ranschburg, Luzern
der jungen Künstler, er erwarb seltene kostbare Dinge, darunter
eine Reihe prachtvoller lamaistischer Tempelfahnen, von chinesi-
schen Plündern nach Peking verschleppt, darunter Stickereien,
und, was das Beste war, er wußte sich das Vertrauen der chine-
sischen Künstler zu verschaffen. Er kehrte nach Europa heim als
doppelter Sieger in sein befreites Land, zusammen mit den Werken
der Künstler Chinas und Japans, die der Welt eine neue Kunst
des fernen Ostens aufzeigen wollen, Professor Chytil stellt, mit
größtem Erfolge bei Künstlern, Kennern, sowie auch beim breiten
Publikum in der Wiener Secession aus und wurde als Träger einer
neuen völkerverbindenden Idee in jeder Weise gefeiert. Er ist
jetzt in Brünn, der Hauptstadt seiner engeren Heimat, mit einer
großen Doppelausstellung im Künstlerhause des Mährischen Kunst-
vereins, sowie im Gebäude der tschechischen Künstlervereinigung
Ales vertreten. Von hier aus will er mit seinen Künstlern nach
Prag, wo er bereits zweimal Station machte, Budapest, Berlin und
Paris. Eine ähnliche Sammlung von Jung-Japankunst ist derzeit,
auf seine Anregung und auf besonderen Wunsch Mussolinis, in
Rom zu sehen. Ein großes Propagandawerk, wie einst jenes des
Florence Fenollosas zu Ende des 19. Jahrhunderts, das Altjapan
in Amerika und Europa endgültig auf den Schild hob.
Von den beiden Brünner Ausstellungen hat man eine plasti-
sche Perspektive des Kunstschaffens beider Länder. Gemeinsam
ist die thematische Verflachung, die mit der europäischen Ver-
armung auf diesem Gebiete gleichen Schritt hält. Auf der ganzen
Linie triumphiert das Stilleben ostasiatischer Art, das Pflanzen-
und Tierkakemonos in der objektiven mehr egozentrischen Art
Japans und in der breiten, mehr getragenen, noch immer vom alt-
chinesischen Tao der großen Gesittung durchtränkten chinesischen
Weise. Vom Schauplatz der Kunst verschwand jedoch völlig das
religiöse Bild, ein unersetzlicher Verlust, sowie die legendere und
humoristische Darstellung — erstere in der Sung- und Mingzeit
Chinas vertreten, letztere die besondere Stärke der alten japani-
schen Künstler. Die Landschaft dominiert ebenso wie in Europa,
in Japan als zarter Stimmungsausschnitt mit wenigen sordinierten
Akkorden wirkend, in China noch immer die mächtig nach der
Ewigkeit eingestellten Perspektiven, die kühn aufgebauten Erinne-
rungsbilder der pittoresken Heimat, untertan dem strengen, aber
sinnvollen Kanon des Zenstiles. Auch der Holzschnitt in Japan
ist gegenständlich ungemein eingeschrumpft, aber technisch wie
besessen von einem verblüffenden, fast akrobatischen Furor und
von einer unglaublichen Abwechslung innerhalb des Gebietes der
Landschaftsdarstellung. Ueberfeinerung des Druckes und impressio-
nistische Annäherung an die Aeußerlichkeiten der Aquarell- und
Gouachenmalerei einerseits und Rückkehr zur gedämpften Har-
monie echter alter Farben andererseits, kennzeichnen das neue Ge-
samtbild japanischer Graphik, die sich von der Art der letzten
Epigonen Hiroshiges und der Utagawaschule entschieden abwendet.
Es ist zu erwarten, daß der neue Farbenholzschnitt Japans einen
großen Einfluß, insbesondere was das Technische betrifft, auf die
europäische Graphik üben dürfte. Professor Chytils Bemühungen
ist bester Erfolg zu wünschen, insbesondere auch aus dem Grunde,
da er beabsichtigt, der europäischen Kunst im Osten Verständnis
und einen Markt zu werben.
Sine Sammlung
bedeutende? fcbtüäbifcbet; pia(Hken
im Beßb dev Stadt RottiüeiL
Don De. Cbarloffe SfeinbEuekeE.
Die spätgotische Lorenzkapelle auf dem alten Friedhof in Rott-
veil enthält eine äußerst wertvolle Sammlung von steinernen und
hölzernen Bildwerken schwäbischer Meister des Mittelalters. Die
Steinbildwerke stammen von Rottweiler Gebäuden, hauptsächlich
von den Portalen der Frauenkirche; die Holzbildwerke gehören zu
der Sammlung des Kirchenrats Dr. Dursch, welche 1851 von König
Wilhelm I. der Stadt zum Geschenk überwiesen wurde, nachdem
die Regierung des Schwarzwaldkreises den vom Gemeinderat be-
schlossenen Verkauf als „ein weder notwendiges noch nutzbringen-
des Vorhaben“ untersagt hatte.
Die Lorenzkapelle bildet eines der wichtigsten südwestdeut-
schen Museen; denn sie gibt ein anschauliches Bild der Entwick-
lung der schwäbischen Plastik des Mittelalters. Die Kunstwerke
dieser Sammlung gehören drei Hauptepochen an: der Mitte des
14. Jahrhunderts, dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts und der
Zeit um 1500. Die Bildwerke der Rottweiler Frauenkirche stammen
aus der Mitte des 14. Jahrhunderts und zeigen eine enge Verwandt-
schaft mit den Propheten des Mittelportals an der Westfront des
Straßburger Münsters. Besonders der Kapellenturm der Rottwei-
ler Frauenkirche war reich mit Bildhauerwerken geschmückt. Ueber
dem mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts geschmückten
Bogenfeld des Westportals thronte der Heiland als Mittelpunkt der
zwölf Apostel. In den Bogenfeldern der Portale der beiden seit-
lichen kleinen Treppentürme waren unten je zwei Mönche und
Ritter und Dame und oben die Krönung und der Tod Marias dar-
gestellt. Auch die Bogenfelder des Nord- und Südportals waren
mit figürlichen Szenen, die südliche Stirnwand außerdem mit den
Gestalten der Propheten und die Nordwand mit Freifiguren ge-
schmückt. Der größte Teil dieser Skulpturen befindet sich heute in
der Rottweiler Lorenzkapelle. Die Propheten wirken tektonischer
und ausdrucksvoller als die Straßburger Vorbilder. Nahe ver-
wandt mit dem Meister der Propheten ist der Künstler der auf
einer Steinbank sitzenden Maria und dem einen nach links vor-
gebeugten, besonders erregt wirkenden Propheten mit übergeworfe-
nem Mantel der Rottweiler Frauenkirche. Wesentlich schwächer
in der Gestaltung und unbedeutender im Ausdruck wirken vier
Apostelfiguren mit schwer vorhängenden Köpfen und in den Ge-
wandmassen versinkenden Körpern und der stehende Christus mit
373