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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI Heft:
1./2. Juliheft
DOI Artikel:
Friedrich, Paul: Das Problem der Kunstkrise der Gegenwart
DOI Artikel:
Eckhardt, Ferdinand: Emil Orlik als Graphiker: zu seinem 60. Geburtstag am 21. Juli
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0408

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nicht gleichwertige Konkurrentin im Lebenskampf. Sie
wurde sehr selbständig, sehr frei: Girl und Garconne,
Kamerad und Kollege. Um das „geschlechtliche“ zu
neutralisieren (im geheimen mit der Absicht, so besser
zu wirken), zeigte sie alle ihre Reize. Sie ahnte nicht,
wie sich daran die Phantasie der Männer abstumpfte!
War früher das chic chaussürte elegante Bein einer
Dame ein Erlebnis im Alltag, so sieht man jetzt den
Wald vor Beinen nicht. So wurde sic aus einem „cruel
euigme“ eine Trivialität mit soundsoviel Gehalt, Roh-
kostnahrung, Bembcrgscide und Topfhut, bekannt mit
allem Praktischen, bekannt mit allen Tips beim Rennen,
innerlich völlig kulturfremd.

Kein Wunder, daß Eros, der Liebling der Künstler
und der Kunst entfloh und das Feld dem nüchternen
Sexus überließ. Die Frau muß sich schnellstens
von dem für ihren Nimbus tötlichen Sachlichkeitswahn
befreien und von der inneren Vermännlich u n g
zur Frau, zum Weib zurückemanzipieren !
Gelingt es ihr, dem kommenden Mann wieder ein Ge-
heimnis zu werden, dann wird auch die Sehn-
sucht nach dem Ideal in den Künstlern wieder er-
wachen und die Phantasie, die heute nicht einmal
mehr kriechen kann, neue Flügel gewinnen, um nach
dem „Unerreichbaren strebend“ h e u t Unerreichbares
zu gestalten.

Natürlich ist die Frau nicht allein Stimulans der
Kunst. Auch das Volkstum ist unbeschadet aller echten
übervolklichen Weltgeistigkeit ein ewiger Grund für
fruchttragende Kräfte. Aus der leeren Luft der Ab-
straktion reiner Gehirnlichkeit kann keine Kunst, keine
lebenskräftige Dichtung erblühen.

Wie ein Mahnruf an alle Schaffenden klingt
Herders „unsachliches“ und dafür unsterbliches
Motto: Idee und Liebe. Und als Drittes setze ich
hinzu: P h a n t a s i e !

Zu all dem aber gehört mehr als Talent, als „an-
ständige Technik“, dazu gehört herrlichste, dionysiscnc
U n s a c h 1 i c h k e i t. Sachlichkeit im Bürospind und
im Küchenschrank, aber um Gotteswillen nicht auf der
Leinwand und „van Geldern“. Zur Kunst gehört
Temperament, Leidenschaft, Phantasie und Idealität.
Wer all das nicht hat, der soll lieber Häuser anstrei-
chen und Möbel polieren, als das Publikum aus den Aus-
stellungshallen scheuchen und den Kritikern ihr Amt
vergällen und sie zu Scharfrichtern entwürdigen.

Was die Ausstellungen anbetrifft, so bin ich ganz
Dr. Fechters Ansicht: Macht einmal fünf Jahre keine
„Bildermagazine“ auf und dann aus dem Besten bisher
Geschaffenen eine kleine Auswahldarbietung, bis wie-
der „Kerle“ da sind, die Kritiker und Publikum über-
wältigen !

G. J. Kern, Wattenmeer bei Gewitterstimmung
Sammlung Dr. F. Supf, Berlin

6mU Oclik als Qt’apbtket?

2u feinem 60. Geburtstag am 21. luti
oon

fßcdinand Gckbardt

/\ ls in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts
* * eine vollkommen neue Graphik entstand, da waren
es verschiedene Länder, die an der Entwicklung betei-
ligt waren. Es ist heute kaum möglich, die mannig-
faltigen Faktoren herauszuschälen, den Anteil dieses
oder jenes Landes und Künstlers genau zu umgrenzen.

Vielmehr liegt es im Kerne der Sache, daß die Entwick-
lung da und dort unabhängig voneinander stattgefunden
hat. Der Weg den die neue Graphik einschlug, lag so
sehr in ihr selbst begründet, daß der, der den ersten
Schritt einmal getan, notgedrungen in dem eingeschla-
genen Geleise weiter mußte. Das vollkommen Neue

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