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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 15 (1. Maiheft 1904)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0152

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Das ift brav, sagte der Weidhofer. Jch muß es loben, wenn einer
mitten in der Freude an scine Pflicht denkt. Auch wir wollen an unser
Werk gehn.

Noch einmal trat Maria an mich heran und sah mir liebreich in dic
Augcn' tzeutc Abend, Reinhold.

Heute Abend, liebc Maria. Behüte dich Gott, du geliebtes Herz.

Wir schieden. Langsam ging ich dcn Grashang hinunter. Vor dcm
Walde blicb ich noch einmal stehn und schaute zurück. Maria stand noch auf
dcrselbcn Stelle und jauchzte nun, da ich mich umwandte, hell auf. Jch
wolltc ihr antworten, aber die Stimme versagte. So wehte ich init dem
Hutc uach ihr hiuüber und schwenkte ihn, so lange ich sie noch sah, und
bis mir der Schlcier, dcr sich mir vor die Augen lcgte, die geliebte Gestalt
vcrhüllte.

Jm Walde warf ich mich uiedcr und war mit meincm Gott allein.

Als ich dann weiter ging, war ich ruhig gcwordcn und wußte, wie
ich mich verhalteu wollte. Der Mcistcrin teilte ich sogleich nach meiner
-Heimkchr mit, daß ich mit Maria verlobt wäre, bat sie aber, darüber
vorläufig nichts vcrlauten zu lassen. Daß sie es erfuhr, gehörte zu dem
Planc, den ich mir zurechtgelegt hatte. Dann setzte ich mich an dic Arbeit,
und wenn ich die Frau in dcr Nähe wußte, pfisf ich mir wohl ein Lied-
chen, sie durfte uicht merkcn, daß es mir iiu Herzen zum Sterben schwer
nnd müde war.

Einmal kam mir dcr Gcdankc: daß ich nicht blciben dürfe, sei freilich
ausgemacht, aber viclleicht könne ich anderswo von neuem beginnen uud
den abgerissenen Fadcn nochmals anknüpfen. Der Gedanke erlosch jedoch
soglcich in einer Flut von Abscheu, die sich über mcine Seele ergoß, und
um ihm jede Wicdcrkchr numöglich zu machen, holte ich dic Schriften,
die der Ausweis übcr mcine Person waren, hervor, zerriß sie in Stücke
uud verbraunte sie im Herdfcucr. So war die Lüge meines Lebens vcr-
uichtct, nnd ich selbst nur uoch ein Schatten in dieser Welt.

Wie hatte das doch gcschehn können?

Stürmen uud brausen sollte es um mich her, so hatte ich es ge-
wüuscht, und ich hatte gelobt, was auch übcr mich käme, wenn nur die
Lügc, an der mcin Lcben hing, crhalten bliebe, mit geduldigem Herzen zu
ertragen. Der Sturm war nicht gekommcn, ruhig und sanft hatte sich
mein Lebcn gcstaltct, aber in diescm sanften rcinen Lichtc, in das ich
hincingestcllr worden war, und nnter dem Scheinen so vielcr treuer Augen,
in der Gütc und Schönheit und Hcrzenswärme, von dcr ich umgeben ge-
wcscn war, mußte ja wohl die Lüge wie ein Eisgcbilde im Sonnenlicht
schwindcn und allmählich vergchend zu einem Hauch wcrdcu, den eine Mor-
genröte auslöschcn konnte. Da gedachte ich: Dcr Herr ging vorüber an
dem Prophetcn. Er kam im Sturm, im Feuer, im Erdbeben, doch Elias
crkannte ihn nicht. Abcr als er nun in eincm sanften Wehen vorüberging,
verhüllte der Prophct scin Haupt.

Um die vierte Nachmittagsstunde war ich fcrtig und kleidete mich
auf mcincm Zimmcr um. Soviel Geld, als ich noch zu bedürfen glaubtc,
steckte ich zu mir, crgriff dcn Stock und stieg die Treppc hinunter.

Die Meisterin betrachtete mich verwundert: Du gehst aus?

Jch gehe in den Wald, und am Abcnd erwartet man mich auf dem

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