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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 24 (2. Septemberheft 1904)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0659

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Zus „j^lorarl auf <ter Reise nack prag".

Wenn er nun durch diese und andere Berufsarbeiten, Akademieen^
Proben und dergleichen abgemüdet, nach frischem Atem schmachtete, war
den erschlafften Nerven hänfig nur in neuer Aufregnng eine scheinbare-
Stärkung vergönnt. Seine Gesundheit wurde heimlich angegriffen, ein je
und je wiederkehrender Zustand von Schwermut wurde, wo nicht erzeugt,
doch sicherlich genährt an eben diesem Punkt, und so die Ahnung eines-

frühzeitigen Todes, die ihn zuletzt auf Schritt und Tritt begleitete, unver-

meidlich erfüllt. Gram aller Art nnd Farbe, das Gefühl der Reue nicht

ausgenommen, war er als eine herbe Würze jeder Lust auf seinen Teil

gewöhnt. Doch wtssen wir, auch diese Schmerzen rannen abgeklärt und rein
in jenenl tiefen Quell zusammcn, der, aus hundert goldenen Röhren sprin-
gend, im Wechsel seiner Melodieen unerschöpflich, alle Qual und alle Selig-
keit der Menschenbrust ausströmte.

*

Wir wünschten wohl, unsere Leser streifte hier zum wcnigstcn ctwas-
von jener eigentümlichen Empfindung an, womit oft schon ein einzeln ab»
gerissener, aus einem Fenster beim Vorübergehen an unser Ohr getragenen
Akkord, der nur von dorther kommen kann, uns wie elektrisch trifft und
wie gebannt festhält; etwas von jener süßen Bangigkeit, wenn wir in denr
Theater, solange das Orchester stimmt, dem Vorhang gegenüber sitzen. Oder
ist es nicht so? Wenn auf der Schwelle jedes erhabenen tragischen Kunst-
werks, es heiße Macbeth, Oedipus oder wie sonst, ein Schauer der ewigen
Schönheit schwebt, wo träfe dies in höherem, auch nur in gleichem Maße
zu, als eben hier? Der Mensch verlangt und scheut zngleich, aus seinem
gewöhnlichen Selbst vertrieben zn werden, er sühlt, das Unendliche wird
ihn berühren, das seine Brust zusammenzieht, indem es sie ausdehnen und

den Geist gewaltsam an sich reißen will. Die Ehrfnrcht vor der vollendeten

Kunst tritt hinzu; der Gedanke, ein göttliches Wnnder genießen, es als-

ein Verwandtes in sich anfnehmen zu dürfen, zu können, führt eine Art

von Rührung, ja von Stolz mit sich, vielleicht den glücklichsten und reinsten„
dessen wir fähig sind.

*

„Manchmal", fing Mozart an, „kann sich doch ein Ding sonderbar
sügen. Was wird denn meine Stanzl sagen, wenn sie ersährt, daß eben
das Stück Arbeit, das sie nun hören soll, um eben diese Stunde in der
Nacht, und zwar gleichfalls vor ciner angesetztcn Reise, zur Welt ge--
boren ist?"

„Wär's möglich? Wann? Gewiß vor drei Wochen, wic du nach Eisen-
stadt wolltest!"

„Getroffen! Und das bcgab sich so. Jch kam nach zchne, du schliefst
schon fest, von Richters Esscn heim, und wollte vcrsprochenermaßen auch
bälder zn Bett, um morgens beizciten hcraus und in den Wagen zn steigen.
Jnzwischen hatte Veit, wie gewöhnlich, die Lichter auf dem Schreibtisch
angezündet, ich zog mcchanisch den Schlafrock an, nnd fiel mir ein, ge-
schwind mein letztes Pensum noch einmal anzusehen. Allein, o Mißgeschick!
Verwünschte, ganz unzcitigc Geschäftigkcit der Weiber! Du hattest aufge-
räumt, die Noten eingepackt — die mußtcn nämlich mit: der Fürst ver-
langte eine Probe von dem Opus; — ich suchte, brummte, schalt, umsoustk

Uunstwart
 
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