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Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1921)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Phantasien
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https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0018

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verbreiten! Welche? Die man als die übergeordneten mit feinem kritischen
Gewissen fühlt, wenn man sich jenseits aller Parteilehren an jeder Auf--
gabe immer wieder anfs neue mit seinem ganzen Menschentume übt, um die
Forderung der Sache so rein heraus zu erkennen, wie man das, wachsend
an seiner eigenen Kopf- und Herzarbeit, vermag.

Lachen die Leser abermals? Was ich da schreibe, klingt ideologisch-welt-
fremd. Ich kann auch nicht mit zwei Worten nachweisen, daß es das nicht
ist. Nach vierthalb Iahrzehnten Arbeit an einem und demselben Leuchtfeuer,
an dem immerhin bei Ebbe und Flut, Sonnenschein und Sturm abertausend
Schiffe vorübergefahren sind, ergibt das Erinnern ein sehr buntes Bilder-
gemisch. Aber über ihm etwas wie eine Menetekelschrift: Ansprüche stellen!
Erlahmt nicht, Schreiber und Leser, wenn etwas „schwer zu begreifen" ist, ob
aus intellektuellen oder ethischen oder politischen oder sonstwelchen Gründen
oder — Hemmungeu! Soudern prüft zweitinals und drittinals. Ansprüche
stellen an Kopf und Herz, Ansprüche stellen immer wieder uud Ansprüche
auch hochhalten und verbreiteu — gerade unter den Ermüdenden! Wer sich
selber die höchsten stellt, wird sich am ehesten in die klare Bergluft hinauf-
arbeiten, welche die Fernen sichtig macht und in der dem Gesunden am
wohlsten ist. Freilich, er darf die Wege zu den Höhen nicht durch dick und
dünn klettern wollen, er muß sie da suchen, wo diejenigen solgen können,
die seiner Art sind, aber noch uicht seiner Äbung und seiner Kraft. Der Kunst-
wart ist von je ein Blatt für Führende gewesen. Das möge er bleiben!

A

Phantasien

^fv^as ich mit dieser unverhofften riesigen Erbschaft nun tun werde?
^»»^Lieber Freund, zunächst gar nichts Äberraschendes. Erst werde ich
abwarten, wie viel es eigentlich ausmacht; von einer halben Mil-
liarde ist keine Rede! s80 Millionen mögen es sein. Genau erfahre ich
die Zahl erst später. Bis dahin werde ich meinen Lebensstil überhaupt
nicht ändern und lediglich einigen Notleidenden, die ich längst und genau
kenne, helfen. Ich wüßte gar nicht, warum ich mein bisher fröhliches
Dasein durch Mehraufwand für irgeudwelchen Luxus mir ungemütlich
machen sollte. Im übrigen und im Ernst: Sie haben natürlich recht damit,
es als eine tief ernste Aufgabe hinzustellen, die mir mit der unerhörten
Summe zugefallen ist, und ich will hoffen, daß ich sie würdig lösen kann.
Sie täuschen sich aber in der Annahme, daß ich mich ständig mit ihrer
Lösung beschäftige. Ich bin ja schließlich auch durch zahlreiche Studien,
Projekte, Diskussiouen seit Iahren einigermaßen vorbereitet. Da ist es
mir denn durchaus willkommen, Ihnen über das Lrgebnis meiner bis-
herigen Betrachtungen Rechenschaft abzulegen.

Von den Zwecken, für die im vorhinein einige Summen „abzugliedern"
sind, genügeu uuter uns drei oder vier Worte wie „Sicherung von Frau
und Kindern", „Nnterstützungfonds zu meiner persönlichen Verfügung"
(desseu Verwaltuug ein Büro erfordern wird!), Ankauf eines leistung-
fähigen Buchverlages, Rücklage für einige größere Reisen . . .

Ich rechne, daß ich nach dieser Abgliederung etwa (50 Millionen übrig
behalte. Für diese Summe denke ich an mehrere Nnternehmungen, von
denen vielleicht eine eiuzige, vielleicht mehrere iu besonderer Verknüpfung
erstehen solleu. Bis jetzt studiere ich oder lasse ich studiereu die folgen-
den: eine große europäische freigesinnte Zeitung, deren Stil und Ziel
 
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