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Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

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Heft 2 (Novemberheft 1921)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Vom Problem der Bildung
DOI Artikel:
Bonus, Arthur: Was kann uns der Buddhismus noch geben?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0099

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den, den Propheten, den Gelehrten, den Unternehmer, den Politiker und
Machtmenschen, den Michael Kohlhaas und den einsamen Pilger an-
treiben, das ihre zu tun. Im Kamps liegt dieser Dämon mit den andern
wie jeder mit allen, im Kampf um die Vorherrschaft über ein Volk, eine
Gemeinschaft, im unendlichen, unaustragbaren Kampf um die Macht. Im
Kampf auch um die tzerrschaft in unsrer eignen Brust, denu auch unser
Herz, sind wir nicht von Iugend auf mystisch einer einzigen Gottheit ver-
schrieben, jauchzt bald diesem bald jenem zu, und wir mögen uns wohl
bewußt werden, daß jenes kämpfende Pandämonium uur das in den
Himmel geworfene Spiegelbild des Streites ist, der unser Inneres Iahr
für Iahr durchtobt. Ist aber dieser Kampf Wahrheit, ist er unaustragbar,
dann dürfen wir wohl den „Willensmenschen" zurufen: Ihr dient eurem
Dämon mit Stärke und Kühnheit, aber auch hier ist Wille uud Kraft!
Auch unsre Gottheit, Bildung geheißen, ist eifersüchtig und duldet keine
andern Götter neben sich. Die Tempel, die wir errichten wollen, die
Altäre, die wir ausstellen, gehören vielleicht einem euch uubekannteu Gott,
und auch wir kennen ihn nicht. So wenig wie ihr wißt, wohin ihr von
euren Dämonen getrieben werdet, so wenig wissen wir, welchen unbe-
kannten Ufern uns unser Gott zuführt. Aber wir lieben ihn, wir dienen
ihm, wir vertrauen ihm — und ihm vor allen.

Wolfgang Schumann

Was kann uns der Buddhisnms noch geben?

(Schluß)

^vrir sind in diesen Iahren gewohnt, alles, was uns wichkig ist, auf seine
^^Beziehung zur Politik anzusehen. Tun wir das auch hier, so werden
wir dabei eine merkwürdige Veranschaulichung der religiösen Zentralbehaup-
tung des Abendlandes vorfinden.

In alten italienischen Chroniken trifft man immer wieder die Nachricht
an von dem Stadtoberhaupt oder Podestä, der aus einer fremden Stadt
berufen ist. So war es notwendig, weil sonst der Kampf der Geschlechter um
die oberste Macht überhaupt nicht abriß. Aus ähnlichen Gründen pslegteu
balkanische Kleinstaaten sich westeuropäische Fürsten zu holen. Ilnd wie-
deruni aus denselben Gründen war es den Fürsten versagt, Landestöchter
zu heiraten. Ia, das monarchische Prinzip selbst beruht auf diesem Gruud-
satz, einc Familie aus dem Interessenkampf der Familien und Stände her-
auszuheben, damit sie gerecht sein könne. Das „von Gottes Gnaden". Der
Untergang des Königtums beginnt allemal da, wo der Herrscher sich mit
seinen Interessen an einen bestimmten Stand, eine Kaste, eine Partei zu
binden anfängt. Lr verliert damit den außerhalb des Kampfes gestellten
Platz. Auch der Gedanke der tzierarchie ist dieser: Menschen sollen herr-
schen, die gerecht sein können, weil sie vou irdischen Interessen abgelöst sind.
Und auch hier ist der Anfang vom Lnde, daß die tzierarchie Partei nimmt
oder eigene weltliche Interessen ausbildet.

Diesem Gedanken der äußeren Sichsrungen tritt nun gegenüber der mit
der Erinnerung an die Hierarchie bereits angerührte religiöse Gedanke der
inneren Sicherungen. Der Mensch soll überhaupt allem Irdischen gegen-
über Herrscherstellung gewinnen. Die Distanz oder Fremdheit zu den
Dingen, die nötig ist, um gerecht und sachlich sein zu können, hat jeder,
schlechthin jeder Mensch nötig, nicht nur der Leiter großer Gemeinwesen.

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