Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1921)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Zu den Weihnachtseinkäufen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0169

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zu den Weihnachtseinkäufen

rüher war die Zeit vor Weihnachten die einzige, da der Durch-
schnittsdeutsche „Luxus" kaufte, will sagen: etwas, das er nicht haben
„mußte", in unerhörten Fällen sogar ein Buch. Heute ist das ja
ganz anders. Heute ist bei den Gaunern, den Profitierern nnd den „Herren
Iünglingen" der Annoncen alle Tage Iuchei, und bei denen, welchen es
anders geht, Schmalhans auch zu Weihnachten. Aber immer noch sind
die Vorfestwochen die Wochen der vermehrten Anschaffungen, des regsten
Umsatzes im Iahr. Bei wem es noch so knapp steht, jetzt kauft er am
ehesten etwas, worauf er zu andern Zeiten verzichten würde, und sei es
auch nur, weil er jetzt über den Sachwert hinaus dem Gegenstande mit
dem Erinnerungsduft vom Weihnachtsbaume noch einen Aberwert, noch
eine Art Weihe-Wert mitgeben kann. In der kleinen einleitenden Be-
trachtung zum Oktoberheft sprachen wir davon, das; vor fünfunddreißig
Iahren das eigentlich Bestimmende für die Gründer des Kunstwarts halb
unbewußt der Drang gewesen sei, geistige Ansprüche zu stellen und
solche Ansprüche zu verbreiten, und von der Bedeutsamkeit des Ansprüche-
machens für unsere Kultur. Geistige Ansprüche, oder sie stirbt, vorher aber
verfault sie bei lebendigem Leibe. Es ist klar, daß die Vorfest-Wochen die
wichtigsten im ganzen Iahre sind, um solchem Geiste den wirtschaftlichen
Ausdruck zu geben.

Oft ist darauf hingewiesen worden, daß der Eindruck der Oberfläche des
heutigen deutschen Lebens täuscht. Linerseits schlechtweg gaunerischer Pöbel,

Dezemberheft 1S2l (XXXV, 2)

(29
 
Annotationen