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Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

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Heft 1 (Oktoberheft 1921)
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Avenarius, Ferdinand: "Kleine Meisterbilder" und "Weltkunst": zwei neue Kunstwart-Unternehmungen
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Kammermusik fürs Volk
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https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0037

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ternehmungen. Wir wünschen natürlich nichts weniger, als irgend einen
Teil der Kunstwart-Kulturarbeit wegen der Not der Zeit aufzuheben. Im
Gegenteil, wir gedenken diese Sachen nicht nur „durchzuhalten", sondern sie
nach aller Möglichkeit weiter auszubauen. 2k

Kamrnerumsik fürs Volk

^^^ie Frage, ob Kammermusik sich zur Aufführung vor größeren Volks-
^A)mengen eignet, wird vermutlich in den nächsten Iahren des öfteren
erörtert werden. Im Vorwort seines Buches „Kammermusikabende",
das den Untertitel führt: „Auf welche Weise kann Kammermusik dem Volk
geboten werden?", spricht Alfred tzeuß darüber ausführlich. Mit Recht
detont er, daß man diese Frage vor dem Kriege wohl uubedingt verneint
bätte, hebt aber auch hervor, daß kleinere und mittlere Städte sich regel-
mäßige Orchesterkonzerte nicht mehr lange werden leisten können. Um so inehr
drängt sich die Kammermusik auf. Heußens Ausführungen sind ganz dem
Aachweis gewidmet, daß damit keineswegs eine schwierige oder unerträgliche
k-age geschaffen sei. Schon während des Krieges hat man mit steigendem
Grfolg Kammermusik sehr großen Zuhörerschaften geboten, und uichts
wäre nach tzeuß falscher als zu glaubeu, daß der breiten Allgemeinheit
etwa vorwiegend Gesellschafts-und Unterhaltungsmusik geboteu werden
"uisse. Gerade das ist es nicht, so sagt er, was das Volk in ernsten Konzerten
sucht. das sogenanute Fachverstäudnis, das Verständnis der kompo-

litorischen Einzelarbeit kommt erst an zweiter Stelle und hat erst dann einen
wirklichen Sinn, weun ein Werk in seiuem eigentlichen allgcmcin mensch-
ichen Kern erfaßt worden ist, dort, wo es sich eben nicht an den kleinen
^is von Musikverständigen wendet, sondern an eiue Allgemeinheit.

»In der Kunst, und der Tonkunst im besonderen, ist es nuu aber so,
ein wahres Verstehen zunächst ein leises, feines A h n u n g s g e f ü h l
Zur Grundlage hat, das sich auf keine künstlerischeu Einzelheiten einläßt
noch einlassen kann, weil gerade dadurch der so unendlich fein sich spiunende
lH'i^"u^nhang mit dem Ganzen gelockert würde. Dieses Ahnungsgefühl
aber das köstlichste Besitztum des unverbildeten, empfänglichen Indivi-
laae"^ ^it ihm rechnet jeder Künstler; wäre es nicht vorhanden, die Grund-
stütl ^^n Verstehen der Künst das eigentliche, auf Fachkcnutnisse sich
wie^" 2Zerständuis, dann arbeitete er nicht für die Meuschheit, sondern,
Teil^^" ^äen immer wieder gesagt werden kann, für eineu Kreis von zum
ha^^^uschlich sehr beschränkten Fachleuten, d. h. die Kunst existierte über-
^chwina Dieses Ahnungsgefühl zu unterstützen, es möglichst stark zum
uufgabeii" bringen, hierin sieht gerade ein Meister eine seiner Haupt-
>uein we' s^ine Mittel bestehen darin, erstens einmal Dinge von allge-
3u tun ^^lcher Bedeutung zu sagen, dies ferner aber in einer Weise
für ein ab, ^ lvir gehen einen kleinen Schritt weiter — die Grundlage
gabe, habe^"^ulles Verstehen geschaffen wird. Er verstünde seine Auf-
denn auck ^ ^ sagen, schlecht, wäre ihm dies ebeu nicht möglich. Wer

luird iminer^^^ lvirklichen Einblick in das Schaffen echter Meister hat,
auf die illöqn^^ '-'le Erfahrung machen, daß, was von ihnen gesagt wird,
einfachen Ausd - ^^fache Art geschieht und gerade das Finden des inöglichst
Nur deshalh ihnen gelegentlich am meisten Schwierigkeiten bereitet.

gewöhnliche Meisterwerke schwerer verständlich zu sein als manche

e, weil jene viel mehr enthalten, viel mehr zu verstehen

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