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Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

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Heft 2 (Novemberheft 1921)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0135

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Vom tzeute fürs Morgen

Zum Thema Oberschlesien

„Entscheidung" über Oberschle-
-^sien stchen wir vorläufig machtlos
gcgenüber. Eine Reaktion der Ge°
walt wäre nicht etwa „vollkommen
aussichtslos", sondern „vielmehr" sie
schüfe die vollkommen gewisse Aus-
sicht auf noch größeres Unrecht, denn
sie böte die Vorwände, die Frankreichs
Vernichterwille braucht. Immerhin,
diese Vorwände braucht man drü-
ben noch, obgleich dort „auch die Scham
zu den Hunden zu fliehen scheint". Der
Feindbund hätte zu unserer Unter-
drückung nicht den Weltwahn schaffen
müssen, wcnn man die Vorwände, das
heißt: den Schwindel nicht brauchte. Ich
meine: das ist eine Tatsache von unge-
heurer völkerpsychologischer und wel ge°
schichtlicher Wichtigkeit. Unsre Negie-
renden der kaiserlichen nnd der repu-
blikanischeu Zeit haben sich bei ihrer
politischen Auswcrtung einsichtlos wie
Knaben und wo man also inrmerhin
nicht ganz cinsichtlos war, ungeschickt
wie schlapp spielende Kinder benommen,
die ihr Spiel nicht gelernt hatten. Noch
aber ist nicht bewiesen, daß wir nicht
lernen könnten. Noch nicht, vielleicht
war für uns Irrlichtelierer der Iwang
dazn immer noch nicht hart genug. Ler-
nen wir nun endlich in der Not, so
werden spätere Iahrzehnte zwar immer
noch schwere Ungerechtigkeiten gegen
das Deutschtum sehen, aber auch seiuen
unhemmbaren Wiederaufstieg, und
mehr als nur einen Wiederaufstieg,
einen Aufstieg auch zun - uen Höhen.

Freilich, das verlangt Arbcit auf
lauger Sicht. Aber Arbeit, an der jedes
Mittun selber Lrost und Freude bringt.
Und an der jeder Lüchtige mitarbeiten
kann. Hier ist gcradezu ein weihnacht-
liches Thema, mehr davon also im näch-
sten Heft. A

Tapferkeit

s ist etwas Erhebendes, wenn im
Straßenbahnwagen oder imEisen-
bahnzug, oder wo sonst Menschen zu-
sammenkommen, ein einfacher Mann
oder eine Fran aus dem niederen Volk
uicht mit den andern klagt und anklagt,

sondern zeigt, daß es möglich ist, den
Kopf und das Herz nicht zu verlieren.
Dem ganz natürlichen Zeugnis eines
guten tzerzens und klaren Verstandes
können sich die Menschen nur schwer
entziehen. Sie spüren es, daß die Tap-
ferkeit nicht darin besteht, daß man in
das allgemeine Lied oder in das all-
gemein« Geschrei einstimmt, sondern
daß man seinen eigenen Gedanken zu
denken wagt. Sieht man, wis schnell
manchmal die Stimmung umschlägt,
wenn nur erst ein herzhafter Hauch
aus der Nichtung des Guten und Klu-
gen kommt, dann gewinnt man wieder
Glauben an die Seele unseres Volkes.
In Wahrheit ist bei vielen nur die
Oberfläche in Bewegung und dieTiefe
bleibt ruhig. Diese Ticfe wartet auf
den Tapferen, der sich zu ihr bekennt,
dann breitet sich ihre Ruhe aus.

Christian Geyer

Binnen-Suggerierklicg

ns hat nicht so sehr der Waffen-
und Sperrkrieg als der Sugge-
rierkrieg besiegt, der den Waffen-
und den Sperrkrieg aufrecht hielt, die
Völker weiter gegen uns zusammen-
hetzte und schließlich uns selber betrog
— wer das heute behauptet, wird wenig-
stens nicht mehr, wie früher, ausge-
lacht vder ausgclächelt. Wie vielen
ist aber bewußt, daß wir jetzt auch einen
richtigen Binnen-Suggerierkrieg
haben? Die alte politische Weife dcs
gegenseitigen Anschimpfens und Anlü-
gens 'wird nicht 'mehr dilettantisch geübt,
die betreffenden Führer betreiben die
Sache jetzt fachmännisch und methodisch
uach dem leuchtenden Vorbild der er-
folg- und glorreichenEntentepropaganda
Northcliffes, ja nach einigem Studium
der Pshchologie. Das Bild des Ge-
scheheus wird mit einer Frechheit um-
gelogen, die kein Mensch wagen würde,
der nicht die Techniken dcs Suggerie-
rens kennt, und man hat bereits so
breite Erfolge, daß man beim Binnen-
Snggerierkrieg schon, wie die feindliche
Propaganda tat und tut, auf der Ve-
fangenheit der Menschen weiterbaut.
Män verläßt sich darauf, statt

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