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Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1921)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Vom Problem der Bildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0092

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Vom Problem der Bildung

^^e schwerer erträglich unser »äußeres« Schicksal sich gestaltet, je weniger
^^wir auf baldige Wiederkehr der Macht und des Wohllebens von ehe--
^Fdem rechnen können, je mehr wir uns auf „billige", das heißt: im
äußerlichsten Sinne wenig kostende Erlebnisse hingewiesen sehen, je tiefer
Linzelne die moralische und geistige Rückständigkeit der Zeitgenossenschaft
als Schmach und Elend empfinden, um so lockender und glückverheißender
tritt eine Zielvorstellung hervor, an die sich unnennbare Hoffnungen
knüpfen: Bildung. Wohl, wir sind verarmt und entmachtet, aber die
„inneren" Güter kann uns kein Feind entreißen, die wir unsrer Bildung
verdanken. Wir bedürfen keiner großen irdischen Güter, um Faust oder
Homer zu lesen. Wir werden keine Kohlen zum Heizen haben? Dann
werden wir uns im Kreise Williger zusammenfinden und frierend gemein-
sam die Gedanken großer Denker, die Systeme bedeutender Gelehrter und
die Schöpfungen der Künstler in uns aufnehmen. Ilnd von eben diesen
Veranstaltungen, welcher Art sie auch seien, von allem, was die Bildung
des ganzen Volkes heben und fördern kann, dürfen wir uns Trost in
unserm Ilnglück, einen neuen Aufschwung der Gesamtheit, eine Rettung
aus tiefer Not versprechen, ganz zu geschweigen von dem unsäglichen
Glück, das dem Einzelnen durch Bildung seines Selbst widerfährt.

Es wäre vermessen, klarlegen zu wollen, was an solchen Bemerkungen
„richtig" und „falsch", was von solchen Hoffnungen „berechtigt", was Chi-
märe ist. Vermessen, denn auch der gewaltigste Geist kaun heute das
Problem der Bildung in seiner Ganzheit nicht stellen, gcschweige denn lösen.
Wir stoßen allsogleich an die Grenzen unserer Lrkenntnisfähigkeit, wenn
wir das versuchen. Nicht einmal das ist uns gegeben, zu sagen: was Bil-
dung „ist". Nnd wenn wir eine übersehbare Definition von „Bildung"
zustande brächten, so nützte sie uns wenig. Wir würden dann Dutzende
von Typen des Gebildeten zu beschreiben versuchen, die alle der Definition

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