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Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1921)
DOI Artikel:
Bonus, Arthur: Was hat uns der Buddhismus noch zu geben?, [1]
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Zu Raabes Neunzigstem
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https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0027

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was man aussprechen kann, der eigne Leib, das eigne Gefühl, ja Bewußt-
sein, schon etwas Fremdes, schon ein Nicht-du.

Der denkbar stärkste Gegensatz. Nicht zuletzt iu der innersten Lebens-
gestimmtheit. Und etwas davon bleibt auch bestehen. Die Weisheit der
Upanischaden behält etwas Bejahendes. Wie auch jenes letzte Prinzip, das
Brahman, das Selbst, die Seele gelegentlich als Lustgefühl, ebeu Schöp-
fungsgefühl, bestimmt wird. Man denkt an Goethes „Werdelust, schaf-
fcnder Freude nah". Immerhin, die Wendung ist in den Bereich der
Möglichkeit gerückt (und sie wird iu den Ilpanischaden stellenweis sehr nahe
gelegt): es ist alles nichts, das uicht schon in deiner Seele da wäre; du
brauchst es nicht. Von da ist es dann nicht mehr weit zu der Weisheit
Buddhas: Alles, was sich sehen oder sagen läßt bis ins Innerste hinein,
gehört nicht zu dir, laß es liegen; es ist Unrat, ein Haufen zufällig da°
liegenden Reisigs, geh vorüber. ;

Wenn man die in diesen Npanischaden vorbereitete und in diesen Buddha-
reden gewollte und sich aussprechende Gemütszusammenfassung und °stäh>°
lung sich kräftig vergegenwärtigt, so hat man immer wieder den Eindrrick,
mit überlegener Kraft und Wucht etwas hingestellt zu sehen, das auch in
unsrer abendländischen Religion einen großen uud sehr wichtigen Teil aus-
macht. Die ganze negative und vorbereitende Hälfte.

Das schöpferische Innere des Menscheu und damit der Welt ist hier erst
einmal gesehen, ist in eigene Bewegung, Rotierung, gesetzt uud damit gegen
die Rußenwelt abgehoben, selbständig gemacht. Alle Fädeu zur Welt sind
zu diesem Zweck abgerissen, „rein ab", wie unsre Pietisten sagteu. Aber die
positive Schlußwendung des Abendlandes ist dann nicht erreicht. Zwar
auch das Abendland in seiner ersten mittelalterlichen Religionsform schiebt
die Herausziehung aus der Welt und die Selbständigmachung gegen die
Welt in den Mittelpunkt. Aber der zufassende Endzweck ist hier doch immer
mitgesetzt: Nnabhängig von der Welt werden, um sie beherrschen und in
bejahender Arbeit umwandeln zu können. Die Gottesreichidee.

Dieses Schlußkapitel der abendländischen Religionsweise ist noch immer
nicht im Gange, hat im Grunde noch nicht angefangen. So wenig, daß wir
es, wo es geahnt wird, kaum mehr noch zu uusrer bisherigen Religion ge-
hörig fühlen. Es ist das im Grunde auch völlig gleichgültig, sobald wir
auf die Sache sehen. Nnd die ist, daß unsre Zukunft daran hängt, ob wir
dieses beides vereinigen lernen, ob wir die Brücke oder, wenn wir wollen,
Freitreppe finden von der Selbständigkeit unsres Innenlebens zu der von
ihm geleiteten Arbeit am Leben. Auf diese Verbindung aber kommt
alles an, selbst bis in die äußerlichsten Dinge hinein.

Taufkirchen, Mai (920. Bonus

(Schluß folgt).

Zu Naabes Neunzigstem

>7>-s ist jetzt kein Zweifel mehr: Wilhelm Raabe wächst ein ins deutsche
U^l^Volk. Ich habe noch mehr als einmal Stunden mit ihm verlebt, bei
der Humor am sauseuden Schlafrock die tiefe Tragik eines leiden-
schaftlichen Schmerzes nicht auslöschte, wenn Raabe von seinen Deutschen
etwa als einem „Volk von Kanaillen" sprach und mit hellster Empörung
davon, wie gleichgültig die ihm gegenüber geblieben seien, die für Fusel,
Phrasen und Bonbons dankbar waren. Alles Sagen und Schreiben Raabes
 
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