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Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

DOI Heft:
Heft 6 (Märzheft 1922)
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Schumann, Wolfgang: Max Arends "Gluck"
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Heilmeyer, Alexander: Ignatius Taschner und die Generation von 1890
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https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0400

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suggestiv auszusprechen, ein Arteil fesselnd zu formen, ein Stück Umriß
zu veranschaulichen. Aber in der Hauptsache ist sein Buch, formal genom-
men, eine stilistisch recht mühsam verbundene Sammlung von Wissensstoff,
durch welche das tiefe Wissen und Schauen des Verfassers nur gerade
unentfaltet hindurchblitzt.

Man wird das bedauern. Entscheidend aber ist nicht, ob dieses Buch
Werbekraft und Wucht hat. Entscheidend ist, daß es, so oder so, uns Gluck
wiedergibt. Mag ein anderer kommen, wenn einst, wiederum von Arend
angeregt, alle notwendigen Vorarbeiten erledigt sind, und mit dem Griffel
des geborenen Historikers die Zeit, mit der Glut des Gestalters die Per-
sönlichkeit, mit der Feinheit des berufenen Ausdeuters die Werke Glucks
schildern, er wird nichts Neues sagen, sondern das, was heute Wenige
dank Arends Arbeit wissen, Tausenden mitteilen. Er selbst wird das
wissen. Auf dies alles kommt es nicht an. Es kommt an auf die Wieder-
gewinnung Glucks für die musikalische Kultur Deutschlands. Sie ist jetzt
möglich, also ist sie notwendig. Sch.

Jgnatius Taschner

und die Generation von 1890

uf einem jener Münchener Künstlerfeste, wie sie vielleicht nie mehr
I gefeiert werden, war es, daß ich Taschner zum erstenmal kennen
^d^lernte. Im Reich des Märchens und der Sage, der Minne und
der Ritter vom Stegreif und vom Busch wandelte er in einem selbstgefertig-
ten Kostüm in engen gotischen Hosen, Wams, Eisenbrüstlein und Igel
mit einem erbeuteten Hahn am Gürtel mit anderen fahrenden und „garten-
den" Gesellen umher. Echt wie das selbstverfertigte Kostüm, war auch Aus-
druck und Geste. Nie vergaß ich dieses Schelmengesicht in der Lederkappe
und die unnachahmliche gotische Geste der Hände. Hätte ich damals tiefer
in diese Gestalt hineingesehen, hätte ich's erkennen müssen, daß in diesem
Gehaben und in dieser Geste ein ausgesprochenes Stilgefühl sich äußerte,
nur noch nicht in Form und Gestalt, sondern in mimischer Verkleidung.
Es hat wohl niemand ehemals in dieser Maske den tieferen Zusammenhang
zwischen diesem seltsam Taschnerschen Gehaben, zwischen diesem Körper-
gefühl und dieser Mimik mit dem heimlich bildenden Künstlertrieb in ihm
erkannt. Denn es lag so etwas in der Münchener Luft. Die Diezschule
mimte ja allerwegen nicht bloß auf der Leinwand Raubritterlust, Minne-
sang und Götz von Berlichingen. Man zog am hellen Werkeltag mit
Troß und Wagen auf die Burg Schwaneck ins Isartal, oder als „Win-
zererfähndl" auf dem Floß .die Isar hinab gegen Landshut. Bei den meisten
blieb dieses alles doch nur Mummenschanz, Spiel und „Gaudi". Nur bei
einigen drang es tiefer ein und erschloß ihnen die Welt Barthel Behams,
Urs Grafs, Albrecht Dürers und Rembrandts — Egger-Lienz, Dürr, tzetze,
Boehle, den Brüdern Schiestl, Max Heilmeier, Liebenwein, Taschner, sonder-
ten sich bald vom großen Haufen, fanden im Münchener Kupferstichkabinett
den Weg zu den Primitiven von Dürer, den frühen Holzschneidern und
Meistern der Handschriften und Miniaturen und wurden, was sie zuerst
selbst nicht wußten und glaubten: „heimliche Gotiker".

Jm Taschnerhaus

^ahre vergingen, da sah ich Taschner wieder auf der tzöhe seiner Erfolge
<)in seinem Landhaus in Mitterndorf bei Dachau. Er stand in seinem
Garten bei einem Bäumchen, das der Wind vom Pflock gelöst hatte.

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