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Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

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Heft 5 (Februarheft 1922)
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Spranger, Eduard: Eros
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Schumann, Wolfgang: Josef Popper: zu seinem Tode
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Popper-Lynkeus, Josef: Aus Josef Poppers Schriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0342

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ethischen Umwandlung der Wenschen als dem Ur-Antrieb alleS Korr.
schritts gesprochen. Solche sich von seinem Schaffen zu versprechen, war
er befugt genug, mochte er über die „Durchführbarkeit" seiner Vorschläge
denken, wie er wollte. In der Reihe der Erzieher und Geistesumwandler
aber nimmt er jenen besonderen Platz ein, auf den wir eingangs hin°
deuteten: er gehört zu den „Verständigen", vor deren schlichtem,
wirklichkeitfassendem Blick Tausende von Einbildungen in nichts
zergehen, Tausende von Phantasien hinsinken^ er war ein tief--
ernster Träger jener Kräfte, die nach seinem eigenen Zeugnis
allein weder herrschen können noch sollen, die aber nicht fehlen dürfen,
wenn wir nicht in Wahnsinn geraten wollen; er „riß Masken herunter"
und war ein Prüfer für alles, was auf seinem weiten Denkgebiet gedacht
wurde — was vor ihm bestand, das bestand. Preisen wir uns, daß
ein Mensch diese „undankbare" Rolle übernahm, die allzu oft unbesetzt
bleibt. Und preisen wir uns doppelt, daß dieser Mensch zugleich Phantasie
hatte und Güte. Denn seine Prophetie der Güte kam aus seinem stärksten
Wesen. „Wenn irgendwann in einer Gssellschaft ein wahrhaft guter
Mensch erscheint, so ist es, wie wenn inmitten der dunkeln Nacht die Sonne
aufgeht", so schrieb er. Wer in sein Altersheim zu dem Gelähmten ein--
trat, mochte ähnlich empfinden — die Sonne schien da, ob auch Sturm
und Regsn draußen wetterten. SH.

Aus Josef Poppers Schriften

sWir bringen im folgenden einiges aus Poppers größeren Schriften,
was für ihn so oder so bezeichnend sein mag. Die Erzählung „Der
Weltangstschrei" ist entnommen dem Buch „Phantasien eines Rea--
l i st e n". Dieses gehört zu den reizvollsten Büchern der letzten Iahrzehnte.
E8 besteht aus Erzählungen und Anekdoten, und zwar aus solchen lehr--
haften Inhalts. Fast jede von ihnen will, wie die alten Fabeln, nicht nur
vergnüglich gelesen, sondern überdacht sein, ein Problem stellen, oft eine
Lösung geben. Das ist im Zeitalter ästhetischer Reizbarkeit ein Wagnis,
denn die „Gestaltung", die ästhetische Vollwirkung wird dadurch beein--
trächtigt. Literarische Kreise haben denn auch die „Phantasien eines
Realisten" nicht weiter beachtet. Inmitten der allgemeinen „Geist"losig->
keit unserer erzählenden Literatur hätte das immerhin anders sein dürfen,
zumal es Popper zwar an der Fähigkeit, auch wohl an der Absicht fehlt,
scharf charakterisierte Gestalten zu zeichnen und stimmungmäßig und durch
tiefe Gefühle die Empfindung des Lesers aufzuregen, er aber doch
eins sehr kräftige Erfindunggabe, viel wirkliche Phantasie und eine wirk--
same Technik hat. Und überhaupt, ist es denn ein für alle Mal ausge--
machtes „Wesen" der Literatur, daß sie Gefühle und Affekte jeder Art
zu erregen, den nachdenklichen Geist aber leer ausgehen zu lassen hat?
— Wenige kleinere Stellen bringen wir aus Poppers „Voltaire"; dieses
merkwürdige Buch ist eine sogenannte „Rettung",- der Verfasser sucht mit
großem Geschick und viel Erfolg die zahlreichen Schmähungen Voltaires,
welche in den letzten s50 Iahren vorgebracht wnrden, zu widerlegen, die Ent--
stellungen seines Charakters richtigzustellen und das wahre Bild heraus-
zuarbeiten. Mit „nüchterner Leidenschaft" geht er der Verunstaltung Vol-
taires durch die Geistesgeschichte nach und setzt er sich mit Lessing, Carlyle,
Treitschke imd vielen andern auseinander. Man bekommt einen merkwür-

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