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Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

DOI Heft:
Heft 6 (Märzheft 1922)
DOI Artikel:
Rade, Martin: Der Teil fürs Ganze: ein Wort von Wesen und Aufgabe der Parteien
DOI Artikel:
Halla, F.; Schumann, Wolfgang: Um Steiners "Dreigliederung"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0387

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Blrck auf das Ganze richtet, auf die Polis, auf den Staat. Ablösung
der politischen Parteien durch Wirtschaftsgenossenschaften, Ersatz des heu-
tigen Parlaments durch ein Berufsparlament wäre ein unerträglicher
Rückschritt, wäre die Legalisierung und Verewigung eines staatenmörde-
rischen Egoismus. Keine größere Gefahr für die bestehenden politischen
Parteien auch unter der heutigen Verfassung, als daß sie trotz ihrer poli-
tischen Marke tatsächlich nur Interessenvertretungen sein oder werden
können. Solche Parteien sind dann korrumpiert, faul geworden und zu
nichts weiter nütze, als von den Leuten zertreten zu werden. Darum
müssen Parteien Ideen haben, Ideale. Ideologien nennt das der kluge,
skeptische Spötter, Utopien der „Realpolitiker". Solche Kritik begreift
nicht, wovon ein Staat und ein Staatsvolk lebt, was Geschichte macht)
man kann nur sagen: Biologie schwach, Geschichte schwach. Die Ideen
können falsch sein — immer besser als keine. Um ihre Ideen ringen
letztlich die Parteien, auch wo sie es vielleicht selber nicht merken. Aber
freilich, besser, sie merken und wissen es. Und die letzte Idee, von der sie
zehren, ist die des Vaterlandes, des Gesamtstaates, der Völkereinheit.

Das allein macht Sinn und Recht der politischen Parteien aus: ?av8
pro lolo. „Der Teil ist für das Ganze da." Der Teil darf das Ganze
nie aus dem Auge verlieren. Ein richtiges politisches Parteiwesen ist
geradezu die Korrektur alles - törichten und gemeinen Egoismus in öffent-
lichen Dingen. Ein rechtschaffenes politisches Parteileben ist ein Segen für
den Staat. Es ist das natürliche Leben des Staates selbst, das Leben,
das ein reifes, gesundes, in Kämpfen und Leiden bewährtes Volk führt,
das ihm seine Zukunft verbürgt und immer neu schafft.

Marburg i. H. MartinRade

Llm Steiners ^Dreigliederung"

ie zu erwarten war, hat Wolfgang Schumanns Aussatz über Steiner
H H und die Dreigliederung mehrere Anhänger Steiners zu Erwiderun-
gen veranlaßt. Es ist unmöglich, sie alle abzudrucken, da hierzu
kaum der Raum eines ganzen Kunstwart-Heftes ausreichen würde. Wir
bringen diejenige größere Lrwiderung ganz, die uns die Einwände gegen
den Kunstwart-Aufsatz am besten darzulegen scheint. In Schumanns Gegen-
antwort kommt dann noch ein anderer Einsender zu Worte. Damit muß
die Erörterung dieses Fragenkreises für den Kunstwart vorläufig abge-
schlossen sein. K.-L.

Dr. F. Halla schreibt uns:

Es kann sich hier nicht darum handeln, dem Schumannschen Artikel eine
ausführliche Darstellung der Dreigliederungsidee eutgegenzusetzen, sondern
darum, zu zeigen, inwieweit der Autor die Dreigliederungsidee mißver-
standen hat und wo die Gründe eines solchen Mißverständnisses liegen.
Daß ein solches vorliegt, obwohl der Autor die Dreigliederungsidee als
einsach bezeichnet, geht daraus hervor, daß er von Steiner oder seinenj
Schülern die Ausmalung einer „Dreigliederungsutopie", also Durchsüh-
rungsbestimmungsn oder, kurz gesagt, ein Programm verlangt. Das ist
gerade Has, was die Dreigliederung nicht geben will. Darauf hätte der viel-
leicht doch nicht ganz unverständliche Satz Steiners (Kernpunkte der sozialen
Frage S. s(D hinweisen können: „Ideen, die aus der Wahrnehmung des
Wirklichen geholt sind, wollen Anregungen, nicht Prograinme sein, von
denen man sich einbildet, daß sie ihrem wörtlichen Sinn nach ausgeführk
 
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