Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

DOI Heft:
Heft 4 (Januarheft 1922)
DOI Artikel:
Stoessl, Otto: Aus Otto Stoeßls Roman "Das Haus Grath"
DOI Artikel:
Troeltsch, Ernst: Die Amerikanisierung Deutschlands: Berliner Brief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0282

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
über hinaus auf eine nicht alltäglichr und großartigs Weiss ins Allge-
meine, Bedeutsame reichte und hinwies, wie diese drei Stusen der Anlage
auf die bewegte weite Landschaft hinausklangen. Damit fand Hermann
denn einen freundlichen Gedanken, der ihm wieder recht aus dem Herze'n
kam und die Stille getrost unterbrechen durfte, um seiner jungen Führerin
dargereicht zu werden.

Schon standen alle Farben des Tales dichter, satter vor dem immer
leuchtenderen Goldgrund der abendlichen Sonne, als das Paar, nach den
mannigfachen Gesprächen des Nachmittags schweigend und gleichsam wie die
Welt selbst tiefer atmend, vor den tzos trat, um auf dem Kiesplatze, auf
der weißen Bank vor dem Tor ausruhend die Frau zu erwarten, die nun
auch von ihren Wegen und Arbeiten zurückkommen mußte. In der
Tat hatte die Rainer Gustl längst ihre Mahd beobachtet, in der Küche
das Nötige angeordnet, überwacht, sogar selbst zugegriffen und kam, nicht
von draußen her, wie ihre Tochter vermutete, sondern aus dem Innern
des Hauses, begrüjzte die jungen Leutchen und lud sie zum Nachtmahl ein.

Die Amerikamsierrmg DeuLschlands

Berliner Brief

^»H»,ie augenblickliche Lage ist beherrscht durch die Washingtoner Konferenz.
>-^^Mit ihr ist Arnerika wieder öffentlich in die große Weltpolitikeingetre-
ten, nachdem es in Versailles mit Wilsons persönlicher Völkerbunds-
politik eine seinem eigenen und wirklichen Willen nicht entsprechende Fignr
gemacht hatte. Der Wilsonsche Völkerbund war einprosessorales, ideologisches
Gebilde, das ohne genügende Kenntnis Luropas, ohne Rückhalt an den ent-
scheidenden Faktoren der amerikanischsn Politik und ohne Lharakterstärke
Wilsons selbst erdacht worden war, das sein Nrheber daher selbst sachlich
tn Paris verriet, um den Schein zu retten. Der so übrig bleibende Schein
wurde dann ganz einsach ein Werkzeug der französischen Hegemonispolitik
und arbeitete in Genf vor den Toren Frankreichs im Interesse der sranzö-
sischen Realität, d. h. einer kolossalen kontinentalen Militärmacht, die sinan-
zielle und politische Ziele unter dem Titel der Sicherung der Kriegsergeb-
nisse betrieb und betreibt. Inzwischen ist in Amerika Wilson von dem Senat
und den Wählern rücksichtslos desavouiert worden. Die Truppen sind von
einem glorreichen Kreuzzug im Interesse der Tugend uud Freiheit mit ver-
schwindend geringen Verlusten — was bedeuten 75 000 Mann Tote für
Amerika? — und mit dem Skalp des erlegten Menschheitsfeindes am Gürtel
zurückgekehrt. Ein neues Regiment trat ins Amt und bereitete langsam
und sorgfältig eine große politische Aktion vor, die das für amerikanischen
Geschmack Gesunde und Menschenfreundliche an Wilsons Plan behaupten
und zugleich das amerikauische reelle Interesse verwirklichen sollte. Die An-
gelsachsen sind Meister darin, Tugend und Profit, Sentimentalität und nüch-
ternste Berechnung zu vereinigen und dabei obendrein ganz ehrlich an ihre
Tugend zu glauben. Und so tritt jetzt ein Plan hervor, der den Wahnsinn
des Wettrüstens, die beständige Kriegsgesahr und tödliche Konkurrenz der
großen Wirtschaftsimperialismen beseitigt oder mildert und zugleich die
amerikanische Weltstellung gegenüber England und Iapan sür die Zukunft
sichert. Das sind heute die drei großen Weltreiche mit den großen Flotten.
Nur solche kommen für die Weltpolitik noch in Betracht. Frankreich isk
bloße Landmacht, es kommt trotz aller kulturellen Sympathien für die Welt-
politik nicht in Rechnung. Von Italien ist gar nicht mehr die Rede. Die

228
 
Annotationen