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Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

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Heft 1 (Oktoberheft 1921)
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Gregori, Ferdinand: Zweierlei Schauspieler: nach Possarts Tode
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Troeltsch, Ernst: Die Verfassungskrise: Berliner Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0041

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Zeit beweist den Irrtmn dieser Annahme; denn so viel wie in den letzten
drei Iahren beispielsweise in Berlin ist, auch in der unnatürlichsten Epoche
des Hoftheaters, nicht deklamiert worden. Die Schauspieler traten in den
expressionistischen Stücken mit ihren anklagenden schlechten Versen so weit
aus dem Rahmen heraus (an den Souffleurkasten, ja auf den Souffleur-
kasten), wie es ein Pius Alexander Wolff und Emil Devrient nie gewagt hat.
Gewiß auch erfordern Ibsens Rebekka West und Hjalmar Ekdal differenzier-
tere Schauspielergehirne als Luise Millerin und Zanga; aber die tiefste Quelle
darstellerischer Kunst wird davon nicht berührt. And vor allem war Pos-
sart, den man auch zur alten Schule rechnet, dieser Intelligenz durchaus teil-
vaftig. Aber ein andrer Unterschied ist da, dem alle unterworfen sind: des
ainen Talent geht aufs Große, des andern aufs Kleine. In der Vergangen-
beit steht Schröder auf der einen, Iffland auf der andern Seite; ihnen ent-
sprach vor 20 Iahren etwa Matkowsky — Kainz und Haase — Possart. Wenn
^ große Schröder heute seinen Lear spielte, wie er ihn vor (^O Iahren ge-
spielt, so wären die Nichtmodischen von uns ebenso erschüttert, wie sie sich
bei Possarts Rabbi Sichel schmunzelnd amüsiert haben. Grundlegend auch
sur den Schauspieler ist die Selbsterkenntnis, die ihn befähigt, seine Grenzen
ubzustecken und -sich für das Genrehafte und Verstandesmäßige oder für die
leidenschaftlichen Charaktere zu entscheiden. Da beginnt seine Wahrhaftigkeit,
ba endigt sie; da ist eine Nachwirkung, ja ein Nachruhm möglich. Wir ver-
stellen uns ja gar nicht, wie die Leute oft meinen. Nnd vielleicht var das an
> ossart etwas Antiquiertes, dajz er sich an der Verstellung freute. Wir geben
^us immer selbst und unterdrücken nur zu Zeiten je nach der Rolle einige
uusrer Eigenschaften (diesen Kompler sehr weit gefaßt, auch das Reich der
^haiitasie umzirkend), so wie Goethe, als er seinen Alba schuf, seine aus-
6 L^chenden Eigenschaften unterdrücken mußte. Einer, der das Zeug für den
<iuust ^aiin oielleicht auch den Famulus Wagner darstellen, nicht aber
^ geborene Wagner den Faust: zusetzen läßt sich keines Haares Breite.

as rvar es also, was uns an Possarts Rhetorik störte? Nicht eine Kunst-
^lassung, die etwa von Goethes vergilbten „Schauspielerregeln" beeinflußt
den ^ gibt, Spitteler einmal ausführte, in der gesamten Kunst nicht
uiterschied von alt und jung —, sondern die Künstlichkeit, mit der der
ugel dämonisch durchsetztem Blute behoben werden sollte.

Ferdinand Gregori

D

Die Verfassungskrise*

^ Berliner Brief

E ^erien haben mich in meine bayrisch-schwäbische Heimat geführt und
ainit von den Quellen getrennt, aus denen ich im allgemeinen meine

euipfana^"""^ von Tatsachen und die Mittel zu ihrer Deutung zu
halb Bew- 3ch habe mich wieder überzeugt, wie schwer es ist, außer-

ich j,, u>s in solchen Fragen Kenntnis und Nrteil zu gewrnnen, nachdem
wie vorsini^" schon immer von neuem den Eindruck erhalten hatte,
^ateriai ^ einer doch immer unvollständigen und das amtliche

'uuß. Die'-vs^ kennenden Orientierung über die jeweilige Lage urteilen
-—-^^ge vollziehen sich in rasendem Wechsel und sind unendlich

gwße Vedcutu^^o^jchs „Berliner Bricfe" für den Kunstwart haben cine so
umßig zuui daß wir sie von jetzt an in größerem Satz und regel-

Ichluß des crsten Kunstwartteils bringen.

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