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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI issue:
Heft 7 (Aprilheft 1922)
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Bernhardt, Josef: Aus Joseph Bernharts "Kaplan"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0032

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Mein Pflegling auf dem Papierkorb befindet sich heute schlecht. Er
zieht die Augenhaut halb hoch, schnauft schwer und nimmt weder Körner
noch Brot noch Milch. Äbrigens hat es für einen geistlichen Einsiedler
etwas Tröstendes, im tristen Zimmer ein Lebewesen mit klopfendem Herzen
zu pflegen.

^r eut werde ich meinen Kirchenvater ruhen lassen. Mit all seiner schönen
-r)Mystik bringt er mich nicht über den peinlichen Eindruck hinweg, den mir
der Besuch bei der Bäuerin hinterlassen. Sie ist ehrlich erregt über die
Beschädigung ihres Eigentums, das ich ohne alles Recht angegriffen habe.
Äberdies war der Peter ein Stück ihres Herzens: seit Iahr und Tag sei
sie an das Tier gewöhnt, habe es am Fußende ihres Bettes schlafen lassen
und sich seiner Anhänglichkeit auf Schritt und Tritt gefreut. Sie er-
zählte mir einige klnge Streiche aus dem Leben Peters, die mich, seinen
Mörder, rühren sollten. Ich bot ihr Schadenersatz, wenn möglich die
Beschaffung eines nach Farbe und Tugend ganz ähnlichen Katers an, aber
sie wies, zwischen Zorn und Tränen kämpfend, mein Anerbieten zurück.
Abrigens, sagte ich, lebt der Peter noch, und ich will ihn auf meine Kosten
beim Tierarzt in Behandlung geben. Aber wenn er nicht fresse, sogar
Fleischbissen verschmähe, meinte die Bäuerin, so sei das ein Zeichen,
daß er eingehe. Sie wollte ihn wenigstens noch einmal sehen, so-
lang er am Leben sei. Gut, sagte ich, die Fräulein SHwestern
werden bereit sein, sie an Peters Krankenlager zu führen. Woher wissen
Sie übrigens, fragte ich, daß ich der Missetäter bin? — Nun folgte eine
Auskunft, die mich auss peinlichste traf. Es waren einige Schulkinder,
die bei ihrem Spiel an der Friedhofmauer meinem Treiben zusahen und
stracks zur Bäuerin liefen, um ihr die Äntat anzuzeigen. Was nun? Es
ist ein Lrgerlicher Zufall, daß ich in der Katechese gerade das fünfte Gebot
erörtere und dem Thema Tierquälerei nicht entgehen kann. Und habe
ich auch den Vögeln Gutes getan, den Peter habe ich gequält. Arzt, heile
dich selbst! — Am besten, ich erschieße morgen den Kater, wenn er noch
leidet.

Mit der Taube wendet sich's zum Bessern. tzat sie auch noch keine
Fluglust, so pickt sie mir doch schon artig Körner aus der Haud. Ich kann
getrost vor die Weltgerechtigkeit hintreten und sprechen: Siehe, ich habe ein
Leben gerettet!

Nach dem Gebetläuten. Die Bäuerin war im Stadel. Peter schrie
heftig bei ihrem Anblick, zog sich aber sauchend zurück. Wir trugen den
Holzstoß Scheit um Scheit ab, bis das Tier bloßlag. Es duckte sich wie
zum Sprung, so daß ich zurückwich. Die Bäuerin sprach ihrem Peter
tröstlich zu, ergriff ihn, um im nächsten Augenblick schon ihre blutig zer-
kratzte Hand zurückzuziehen. Das Tier schnellte mit einem Satz ins
Gebälk der Heubühne und verschwand, noch immer heftig schreiend. Der
Auftritt war unerquicklich, für mich im höchsten Grade unschicklich uud
ärgerlich. Es bleibt dabei, daß ich das Vieh niederknalle.

^L eute war Peter nicht zu sehen.

vMeine Taube wagte schon den ersten Ausflug. Wie seltsam, daß sie
auf den Abend zurückkehrte! Sie scheint nicht zu fühlen, daß ich Tier-
quäler bin.

Nun habe ich auch deu Pfarrer in mein Geheimnis eingeweiht. Er
nahm es mit herzlichem Gelächter auf und wünschte nur, ich wäre ein
besserer Schütze gewesen.

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