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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI issue:
Heft 12 (Septemberheft 1922)
DOI article:
Fischer, Aloys: Die Deutsche Gewerbeschau zu München, [2]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0356

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Trotz aller Findigkeit der Anordnung im einzelnen, trotz weitgehender
Untergliederung — das Grundprinzip aller unserer Ausstellungen, Massen
zu bringen, ist nicht verlassen oder überwunden. Und darin zeigt sich
zweifellos ein bewußter, demonstrierender Wille, ein Wille, dessen tzeimat
und Standort nicht die Kunst, sondern die Warenmesse ist. Es sollte
gezeigt werden, daß die deutsche Produktion auf allen Gebieten und in
allen Teilen Deutschlands, die Produktion für jeden Geschmack und jede
Kaufkrast wieder auflebt. Das sollte demonstriert werden nach innen, zur
Stärkung der Zuversicht, der Arbeitsfreude, des Rnternehmergeistes, des
„Fortschritts", nach außen, um den deutschen Markt nicht nur als billigen
sondern auch als begehrenswerten in empfehlende Erinnerung zu bringen.
DieTendenzderLrziehungundderReklame, beides in einem
durchaus edlen und anständigen Sinn, sind im Ganzen der Schau ungleich
stärker spürbar als selbst der Wille zur Kunst. Ich glaube gern, daß die
Aufgabe der Auslese von der künstlerischen Leitung als solchen strenger
gehandhabt worden wäre, wenn eben ausschließlich der Wertwille hätte
walten dürfen, ohne Rücksicht auf die Geschäftswünsche der unter allen
Umständen mit großen Opfern sich belastenden Aussteller. So mag man
die spürbaren Kompromisse sich durch den Gedanken erträglich machen,
daß auch die Masse gezeigt werden muß, der Durchschnitt unentbehrlich
ist, wenn die ihn überragenden Spitzenleistungen als solche zur Geltung
kommen sollen.

Wir sehen die Energie des künstlerischen Willens stärker in Erschei--
nung treten, wo er sreier, ohne Rücksichten auf die Wünsche der Aussteller
sich auswirken konnte, in der Schmuckbehandlung der Räume. Ieder Be°
sucher wird bei einer Rückschau auf seine Eindrücke die Gesamtstimmung
der Hallen, namentlich der Hallen I und II, der Sondervorstellung „Die
Farbe", einzelner Seitenräume als seine deutlichsten Erinnerungsbilder fest-
stellen können. Diese nachhaltige Wirkung verdanken die Räume nicht
irgendwelchem Schmuck, Zierstücken im einzelnen, sondern der Behandlung
von Farbe und Licht, von Mauerflächen und Deckenabschlüssen im ganzen,
der Verteilung von Ständern und Vitrinen, deren Abersichtlichkeit
nur, wie schon angedeutet, durch die an manchen Stellen einfach erdrückende
Masse der unterzubringenden Objekte leidet. Die nüchtern-kräftige Tö°
nung der Wandflächen in der keramischen Halle ist für das feine und
reizvolle Farben- und Lichterspiel auf den Schaustücken ein ebenso günstig-
ruhiger Hintergrund, wie der sonore, fast bäuerlich bunte tzolzstrich für
die härter tönenden Glanzphänomen in der Halle der Metallarbeiten,
oder die zugleich als Ausstellungsstücke gemeinten Tapeten in den kleinen,
für Hausgerät und Möbel bestimmten Räumen. Kein Zweifel, daß die
Münchner Kunst dekorativ denkt, ohne dekorieren zu müssen, daß sie dem
Raum je nachdem eine heiter-festliche, geschäftlich-nüchterne, eine wohnlich-
anheimelnde, eine feierlich-repräsentative Atmosphäre gibt, nicht durch
Zierate und Schmuckstücke im einzelnen, sondern durch die Musik fein
abgewogener Farben und Massenverteilungen, aus den Gegenständen und
Materialien, die in den Raum hineingehören, die Raumstimmung ent-
wickeln. Gerade wo die Dekoration zum Bild greift, spürt man die ein-
gangs erwähnte Eigenheit unserer künstlerischen Lage, den spiritualen Mo-
ment und die Aberlegenheit der ihr einzig gemäßen Graphik über die
Empfindungsgewalt und die Stileinheit organischer Epochen. Ich denke
dabei sowohl an das Bild an der Abschlußwand der Halle I, das mit
 
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