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Kunstwart und Kulturwart — 35,2.1922

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1922)
DOI Artikel:
Fischer, Aloys: Die Deutsche Gewerbeschau zu München, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14435#0357

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seiner leicht leserlichen Aufbausymbolik zur pädagogischen Tendenz, mit seiner
Plakatmanier zur Reklamekunst gehört, als namentlich an die Wände in
den Räumen für Packungen aller Art, für Gebrauchsgraphik und Buchein-
bände, für Spielwaren. Das große Wandgemälde der Vergangenheit wurzelt
freilich in einer anderen Glaubensatmosphäre als diese geistreichen, witzigen,
amüsanten Schildereien, in Gedanken, an die man überwältigt glaubt, nicht
in Linfällen, mit denen man kritisch oder gutmütig, satirisch oder naiv, lie-
benswürdig oder doppelsinnig alle Realität individuell umspielt. Als typische
Intellektuelle können auch unsere Künstler die Wirklichkeit in beziehungs-
reichem Denken von allen Seiten beleuchten, wofür eben die Graphik
die einzig brauchbaren Ausdrncksformen bietet — aber sie haben so wenig
einen substanziellen Kunstinhalt, wie unsere Zeit einen Stil besitzt. Na-
türlich weiß ich, daß die für den Tag und Zweck geschaffene Ausstattung
einer Ausstellungshalle unter anderen Bedingungen steht, als etwa das
Fresko in einer Kirche, einem Rathaus, einer Hochschnle, einem Museum,
einer Börse, einem Ministerium, einem Parlamentsgebäude. Aber eine
flüchtige Besinnnng darüber, wie unsere Kunst, d. h. wie heute schasfende
Künstler von anerkanntem Ruf diese Aufgaben gelöst haben und noch
lösen, überzeugt uns davon, daß es im Geist nachfühlender Reflexion
und mit ererbtem künstlerischem tzausrat geschieht, wohl weil sie im
tiefsten selber spüren, daß unserer Zeit spezifische Kunst nur auf anderen
Gebieten monumental ist. Was sollen die — in anderer Umgebung und
ihrer ursprünglichen Einordnung hehr wirkenden — Gestalten der grie-
chischen Götterwelt auf unseren Bahnhöfen oder in den Börsensälen, was
sollen die — in gotischen Domen feierlich stimmenden — Glasgemälde und
Riesenfresken in der Bureauatmosphäre der Sitzungssäle von Gebäuden
der öffentlichen Dienste? Es scheint mir nicht wahr zu sein, daß das
„wirkliche Leben" sich nicht mehr mit Kunst vertrage, nur wahr zu sein,
daß es noch nicht gelungen ist, es Kunst werden zu lassen. Deshalb ver-
deckt, verbirgt oder — wie man gerne sagt — „verklärt" man es durch
einen innerlich unangemessenen Aufwand von Kraft, eine Rhetorik for-
maler Vollendung, so wie unsere schreibenden Gymnasiasten glauben, Stil-
künstler zu sein, wenn sie ihre Aufsätze über die belanglosesten Gegenstände
nach klassischen Mustern und einer angelernten Topik durch lumina
orationis auszieren und darüber verlernen, die Vollendung der Sprache in
ihrer Angemessenheit an Gegenstand und Zweck, ihrer mit jeder Situation
und jedem Thema wechselnden Wirkungsfähigkeit zu erfassen. Die
Zeit, in der man auch Ausstellungshallen künstlerisch „veredelte"
durch einen Apparat gemeißelter und gemalter Allegorien, Re-
präsentationsbilder und ernstgemeinter Darstellungen, ist doch wohl noch
nicht so lange überwunden, daß in dem Mut zu einer ganz auf unsere
Gedankenhaftigkeit und Zweckbefangenheit eingestellten Behandlung der
tzintergründe für die Schauobjekte nicht eine respektable Leistung erblickt
werden müßte. Wer weiß, ob nicht in diesen Versuchen von Glaß, B.
Mayer, Val. Zietara u. a. als Graphiker großgewordenen Künstlern die
Anfänge eines modernen „monumentalen" Wandbildes stecken?

<^»ach den vorherigen Ausführungen über den Massen- und Messen-
-^charakter der Gewerbeschau wird es mir schwer, zu den Einzelheiten
als solchen Stellung zu nehmen. Durch eine Aufzählung der Vielen be-
kannten und weniger bekannten Namen, die mit Werken ihres Geistes und
ihrer Hand vertreten sind, müßte der allgemeine Eindruck der individua-
 
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