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4. Familie
sehr beschränkten Aktionsradius hatten, nur in ihrer (vermeintlichen) Zu-
gehörigkeit zu einer großen Grundbesitzerfamilie gesehen werden. So wird in der
Literatur über die Zugehörigkeit eines Joseph, der im frühen 9. Jahrhundert ein
regelmäßiger Zeuge an der Isen - und nur dort - war, zur Familie des gleich-
namigen Freisinger Bischofs aus dem 8. Jahrhundert spekuliert und letztendlich
auch zu der des Grafen Job und der Bischöfe Andreas und Francho von VicenzaA
Unabhängig davon, ob dies zutreffend ist, verdeckt dies doch den Blick für die
Tatsache, dass er lediglich einer lokalen Elite mit beschränktem Aktionsradius
angehörte'"'. Diese strukturelle, oft nur implizite soziale Aufwertung verdeckt den
Blick auf die lokale Rolle dieser Menschen.
In einer Gesellschaft mit beschränkter horizontaler Mobilität ist damit zu
rechnen, dass Heiratsbeziehungen in weit überwiegendem Maße in der näheren
Umgebung geschlossen wurden. Da im Normalfall beide Herkunftsfamilien
darauf geachtet haben werden, über Heiratsallianzen soziale und wirtschaftliche
Vorteile zu erlangen, wurden Ehen sicherlich in den meisten Fällen durch An-
gehörige wirtschaftlich und sozial ähnlich gestellter Familien geschlossen. Geht
man von solchen Erwägungen aus, ist wahrscheinlich, dass im Verlauf der Gene-
rationen Angehörige von wohlhabenden wie weniger wohlhabenden Familien,
deren Besitz nahe beieinanderlagen, jeweils miteinander Eheverbindungen ein-
gingen. Dabei ist für die Gruppe der großen Landbesitzerfamilien, zu denen etwa
die zu zählen sind, ein räumlich größerer Heiratsmarkt zu erwarten, da
einerseits ihr Besitz meist weit verstreut lag, andererseits die relativ kleine Zahl
solche Familien die Auswahl beschränkte. Hier ist mit Heiratsverbindungen auch
außerhalb Bayerns zu rechnen. Zudem waren die Angehörigen dieser Schichten
vergleichsweise mobil, so dass es wenig überraschend ist, dass sich Hinweise auf
verwandtschaftliche Beziehungen außerhalb Bayerns, nach Alemannien, Rhein-
und Mainfranken, Südgallien und Italien, finden^.
Auf der Ebene der kleineren und mittleren Landbesitzer dürften sich die Ehe-
beziehungen meist auf einen kleineren Raum beschränkt haben, so dass es auch
hier nicht verwundert, wenn sich die Mehrzahl der bekannten Landbesitzer eines
Dorfs in einen verwandtschaftlichen Zusammenhang einordnen lassen. Vielmehr
wäre das Gegenteil eine echte Überraschung. Die Strategien der kleineren Familien
lassen sich allerdings nur sehr schlecht verfolgen, denn, wenn sie überhaupt in
den Quellen erscheinen, dann fast zwangsläufig nur einmal, da damit ihr
wirtschaftlicher Spielraum für fromme Stiftungen ausgeschöpft gewesen sein
dürfte.
Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Überlegungen ist die Bedeutung
der sozial empfundenen und kulturell ausgedrückten Verwandtschaft, wie sie auf
14 STÖRMER, Adelsgruppen 135f., STURM, Preysing 89-93.
15 Zu ihm u. 6.3.1. mit Karte 11.
16 MlTIS, Sippen; ZÖLLNER, Bedeutung; STÖRMER, Adelsgruppen; JAHN, Ducatus; MAYR, Adel;
MlTTERAUER, Markgrafen. Allerdings sind nicht alle Konstruktionen von Verwandtschaften
zuverlässig. S. aber zu den bayerischen Bischöfen in Dijon und Lyon Josef SEMMLER, Zu den
bayerisch-westfränkischen Beziehungen in karolingischer Zeit, in: ZBLG 29 1966, 344-424.
Allgemein zu Bayern in Italien Eduard HLAWITSCHKA, Franken, Alemannen, Bayern und
Burgunder in Oberitalien (774—962). Zum Verständnis der fränkischen Königsherrschaft in
Italien (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 8), Freiburg i. Br. 1960.
4. Familie
sehr beschränkten Aktionsradius hatten, nur in ihrer (vermeintlichen) Zu-
gehörigkeit zu einer großen Grundbesitzerfamilie gesehen werden. So wird in der
Literatur über die Zugehörigkeit eines Joseph, der im frühen 9. Jahrhundert ein
regelmäßiger Zeuge an der Isen - und nur dort - war, zur Familie des gleich-
namigen Freisinger Bischofs aus dem 8. Jahrhundert spekuliert und letztendlich
auch zu der des Grafen Job und der Bischöfe Andreas und Francho von VicenzaA
Unabhängig davon, ob dies zutreffend ist, verdeckt dies doch den Blick für die
Tatsache, dass er lediglich einer lokalen Elite mit beschränktem Aktionsradius
angehörte'"'. Diese strukturelle, oft nur implizite soziale Aufwertung verdeckt den
Blick auf die lokale Rolle dieser Menschen.
In einer Gesellschaft mit beschränkter horizontaler Mobilität ist damit zu
rechnen, dass Heiratsbeziehungen in weit überwiegendem Maße in der näheren
Umgebung geschlossen wurden. Da im Normalfall beide Herkunftsfamilien
darauf geachtet haben werden, über Heiratsallianzen soziale und wirtschaftliche
Vorteile zu erlangen, wurden Ehen sicherlich in den meisten Fällen durch An-
gehörige wirtschaftlich und sozial ähnlich gestellter Familien geschlossen. Geht
man von solchen Erwägungen aus, ist wahrscheinlich, dass im Verlauf der Gene-
rationen Angehörige von wohlhabenden wie weniger wohlhabenden Familien,
deren Besitz nahe beieinanderlagen, jeweils miteinander Eheverbindungen ein-
gingen. Dabei ist für die Gruppe der großen Landbesitzerfamilien, zu denen etwa
die zu zählen sind, ein räumlich größerer Heiratsmarkt zu erwarten, da
einerseits ihr Besitz meist weit verstreut lag, andererseits die relativ kleine Zahl
solche Familien die Auswahl beschränkte. Hier ist mit Heiratsverbindungen auch
außerhalb Bayerns zu rechnen. Zudem waren die Angehörigen dieser Schichten
vergleichsweise mobil, so dass es wenig überraschend ist, dass sich Hinweise auf
verwandtschaftliche Beziehungen außerhalb Bayerns, nach Alemannien, Rhein-
und Mainfranken, Südgallien und Italien, finden^.
Auf der Ebene der kleineren und mittleren Landbesitzer dürften sich die Ehe-
beziehungen meist auf einen kleineren Raum beschränkt haben, so dass es auch
hier nicht verwundert, wenn sich die Mehrzahl der bekannten Landbesitzer eines
Dorfs in einen verwandtschaftlichen Zusammenhang einordnen lassen. Vielmehr
wäre das Gegenteil eine echte Überraschung. Die Strategien der kleineren Familien
lassen sich allerdings nur sehr schlecht verfolgen, denn, wenn sie überhaupt in
den Quellen erscheinen, dann fast zwangsläufig nur einmal, da damit ihr
wirtschaftlicher Spielraum für fromme Stiftungen ausgeschöpft gewesen sein
dürfte.
Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Überlegungen ist die Bedeutung
der sozial empfundenen und kulturell ausgedrückten Verwandtschaft, wie sie auf
14 STÖRMER, Adelsgruppen 135f., STURM, Preysing 89-93.
15 Zu ihm u. 6.3.1. mit Karte 11.
16 MlTIS, Sippen; ZÖLLNER, Bedeutung; STÖRMER, Adelsgruppen; JAHN, Ducatus; MAYR, Adel;
MlTTERAUER, Markgrafen. Allerdings sind nicht alle Konstruktionen von Verwandtschaften
zuverlässig. S. aber zu den bayerischen Bischöfen in Dijon und Lyon Josef SEMMLER, Zu den
bayerisch-westfränkischen Beziehungen in karolingischer Zeit, in: ZBLG 29 1966, 344-424.
Allgemein zu Bayern in Italien Eduard HLAWITSCHKA, Franken, Alemannen, Bayern und
Burgunder in Oberitalien (774—962). Zum Verständnis der fränkischen Königsherrschaft in
Italien (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 8), Freiburg i. Br. 1960.