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Kohl, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0171

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4. Familie

selbstverständlich auch seinem eigenen Seelenheil zugute kommen sollten. Schlug
Haduperht tatsächlich wie sein Onkel Liutto eine geistliche Laufbahn ein, so wäre
auch dies typisch: Es gibt kaum eine Familie dieser sozialen Schicht, in der keine
Kleriker zu finden wären. Haduperht hätte in diesem Fall sicherlich eine
besondere Rolle für das Heil seiner Familie gehabt. Es wäre gut möglich, dass auch
die Schwestern als gottgeweihte Frauen ein religiöses Leben führten, da von
beiden keine Ehemänner bekannt sind. Da sie auch nicht als Deo oder
ähnliches bezeichnet werden, ist dies unsicher, denn es ist durchaus denkbar, dass
verheiratete Frauen ohne Zustimmung und Anwesenheit ihrer Ehemänner
geschäftlich aktiv waren
Piligrim begann seine Schenkungstätigkeit ähnlich wie sein Vater und band
seinen wohl einzigen Sohn Reginperht in die Schenkung von Kirchengut in
Allershausen ein. Hier ging es jedoch nicht um eine Lehensvergabe - es ist sogar
auffällig, dass bei keinem der sieben erhaltenen Vorgänge, die in Verbindung mit
diesem Besitz stehen, von einer Rückverleihung oder Vergabe eines anderen
Lehens an die Schenker die Rede ist. Weder Piligrim noch sein Sohn Reginperht
besaßen nach diesen Traditionen, an denen sich, wie bereits dargestellt, zahlreiche
nähere und fernere Verwandte, unter anderem Piligrims Schwester Erchanfrit,
beteiligten, ein heisingisches von dem wir wissen. Hier könnte Piligrim
eine Leitfigur für die Herstellung einer für den Freisinger Bischof vorteilhaften
und gesetzeskonformen Kirchenordnung gewesen sein. Zumindest ging Piligrim
mit gutem Beispiel voran und stand auch bei der Investitur an der Spitze der
Tradenten. Es handelte sich bei dem Gut um Kirchengut (ms ccchsMsb'cac) mit
Kirche, das in zahlreiche Teile zersplittert war, was in dieser Zeit als problematisch
gah'". Angesichts der Rolle Piligrims in dieser einmaligen Transaktion scheint es
kaum verwunderlich, dass er drei Jahre später zum ersten Mal als Vogt der
Freisinger Kirche in Erscheinung trat. Indem er seinen Sohn in die Schenkung
einbezog, folgte Piligrim dem Beispiel seines Vaters. Die Dankbarkeit des Bischofs
erstreckte sich daher sicherlich auch auf den Sohn Reginperht. Als dieser vor 843
starb, bedeutete dies einen drastischen Einschnitt in die Besitzstrategie seiner
Eltern Piligrim und Alta. Piligrims große Schenkung zu seinem eigenen Seelenheil
und dem seines verstorbenen Sohnes aus dem Juli dieses Jahres erweckt fast den
Eindruck eines Testaments, zumal er kurz vor einer gefährlichen Reise stand.
Diese führte ihn kaum einen Monat später nach Verdun zu den Verhandlungen
um einen Vertrag zwischen den karolingischen Brüdern Ludwig, Karl und
Lothar^.
Obwohl diese umfangreiche Schenkung aus Allershausen und zwei Nachbar-
orten, also aus einem der Besitzzentren der Familie, einen Passus für die
Versorgung von eventuellen Nachfahren beinhaltete, scheinen Alta und Piligrim
nicht mehr mit einem Erben gerechnet zu haben; die entsprechenden Sätze wirken
wie beiläufig eingefügt. Wichtiger war Piligrim offenbar, dass seine Frau versorgt
war und unter der Bedingung der Ehelosigkeit einen ansehnlichen Besitzanteil
und ein gegen einen geringen Zins erhalten würde. Ferner war der Hof

66 Zu einem rheinfränkischen Beispiel KOHL, Dienheim 73.
67 HARTMANN, Zustand 408,412.
68 TF 660 (843.07.06), Piligrim in Verdun: TF 661 (843.08.10/22).
 
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