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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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Alle Rechte, auch das der Übersetzung in andere Sprachen, sind den Urhebern Vorbehalten.

Copyright 1913 by Rieh. Bong, Berlin

Monna Vanna als Oper.
Immer mehr bricht sich die Anschauung Bahn, daß
gute und vom Publikum anerkannte Schauspiele sich
auch zur musikalischen Darstellung als Oper eignen.
Der Komponist pflegt sich in diesem Falle sklavisch an
den Text zu halten, indem er das Gesprochene der Reihe
nach unter Zuhilfenahme vieler Rezitative in Musik setzt;
wie man sieht, ein an sich mühevolles, aber nicht all-
zuschwieriges Verfahren. So sahen wir vor einigen
Jahren Hejermans Schauspiel „Die Hoffnung auf Segen“
auf dem Spielplan einer Opernstagione erscheinen, aber
nur dreimal, dann war die Oper vergessen, und so ist
es inzwischen vielen Werken dieser Gattung ergangen.
Nur der berühmte Franzose Claude Debussy hat
Glück gehabt, als er Maeterlincks „Pelleas und Melisande“
zur Oper — das Wort paßt hier eigentlich schlecht —
gestaltete. Er schuf allerdings genial ein Werk, das
ziemlich großen Widerspruch zeitigte, das sich aber
dauernd erhält. Nun hat ein Landsmann von ihm, Henri
Fdvrier, das Wagnis unternommen, auch
Maeterlincks „Monna Vanna“ als Musik-
drama zu inszenieren. In Schwerin ge-
langte es unter der Leitung des Hofkapell-
meisters Professor Kaehler zur ersten
deutschen Aufführung, und die zur Som-
merszeit in Berlin spielende „Sachse-
Oper“, eine Fortsetzung der ehemaligen
Morwitz-Stagione, hat Monna Vanna nun
auch in der Reichshauptstadt erklingen
lassen. Leider muß von beiden Auffüh-
rungen gesagt werden, daß sie dem Kom-
ponisten nicht den erträumten Ruhm ver-
schafften, obwohl Maeterlinck selbst die
Oper Fevriers gebilligt hat. Man be-
hauptet, daß diese dreistündige Musik
nicht dem Geiste des berühmten Text-
dichters kongenial genug sei. Fdvrier, ein
durchaus guter Musiker, habe nicht die
Kraft besessen, durch eigene Ursprüng-
lichkeit und durch plastische Dramatik
dem interessanten Vorwurf folgen zu
können. Es sei alles zu konventionell
geraten, und die Anleihen bei Wagner,
Puccini und Massenet seien allzu deut-
lich. Wie dem nun auch sei, jedenfalls
ist die Art einer solchen musikalischen
Nachdichtung immerhin bemerkenswert,
und es soll uns nicht wundern, wenn
demnächst ein Komponist, ohne zu be-
achten, daß der Stoff dies überhaupt zu-
läßt, Gerhart Hauptmanns „Gabriel Schil-
lings Flucht“ oder gar „Die Weber“, oder
den „Biberpelz“ in Musik setzt. Unser
Bild stellt die drei Hauptdarsteller in der
„Sachse-Oper“, Fräulein Mimi Poensgen
und die Herren Bermann und Siemon dar.
Dr. P. E.
-=*§*=-
Treibjagd im Bergwalde.
Von Dr. Ludwig Staby.
Um 9Uhr ist Rendezvous der Schützen
und Treiber an der Jagdhütte am Kahlen-
berg, aber schon zwei Stunden vorher,
als der Wintermorgen kaum sein erstes
trübes Licht in die Täler schickt, ist die
ganze Gesellschaft unterwegs, denn lang
und beschwerlich ist der Marsch zur Höhe.
Klirrend stoßen die eisernen Spitzen der
Stöcke auf den steinigen Bergpfad und
das Klappern der schweren, nägelbe-
schlagenen Schuhe ist weit zu hören. Alle Schluchten
und Täler sind mit dickem, weißem Nebel erfüllt, der
nicht den geringsten Durchblick gestattet, aber der Jagd-
herr ist frohen Mutes, denn das Barometer zeigte früh-
morgens einen hohen Stand und oben in der Höhe ist
schon ein Stückchen blauen Himmels zu sehen, das
beste Vorzeichen eines schönen Tages. Und es täuscht
auch heute nicht, denn als zur festgesetzten Zeit die
Gesellschaft in der Hütte angekommen ist, hat die Sonne
gesiegt, die Grate und Felsspitzen umher liegen in blen-
dendem Licht und aus den dunklen Tannen des Hanges
ziehen die letzen Nebelstreifen wie dünne Schleier in
die blaue Luft empor.
In kurzer Zeit sind die Stände verteilt, das erste
Treiben beginnt. Ich habe einen Platz am Rande der
hohen Tannen erhalten, vor mir liegt eine abgeholzte,
aber schon wieder angeschonte Fläche, die sich bis ins
Tal herunterzieht, während auf der andern Seite die
Berge sich wie Kulissen hintereinanderschieben, die
Spitzen und Kämme leuchten im ersten Neuschnee.
Ein herrliches Gebirgspanorama liegt zu meinen Füßen,
der Blick gleitet über trotzige Felsen und endlose Wälder
hin, die die Berghänge bedecken, an den Eichen und
Buchen erglänzen die letzten roten und braunen Blätter,
und wie dunkle, schwarze Massen stehen die ge-
schlossenen Bestände der Tannenwälder. Tiefe Stille

liegt über den Bergen, und ich habe das Gefühl, als
wäre ich ganz allein in dieser Bergeinsamkeit, denn die
Treiben im Bergwalde sind sehr ausgedehnt und dauern
oft stundenlang. Mit Interesse beobachte ich einen
Bussard, der sich mit fast unbewegten Schwingen in der
klaren Luft immer höher emporschraubt, bis ich plötz-
lich durch den Hall eines Schusses aufgeschreckt werde,
der nicht weit von mir auf dem Nachbarstande gefallen
ist. Das war sicher Meister Reinecke, denke ich, der
in Besorgnis um seinen kostbaren Pelz sich möglichst
schnell zu salvieren sucht und immer zuerst an der
Schützenlinie erscheint. Jetzt wird der helle Laut eines
Teckels hörbar, dem sich bald ein zweiter zugesellt,
gespannt horche ich auf, denn immer näher kommt die
Jagd, jetzt bricht und knackt es in den Tannen, ein
Stück Rehwild erscheint auf der Blöße, aber ich lasse
das erhobene Gewehr wieder sinken, denn es ist ein
Rehbock, der sein Gehörn schon abgeworfen hat. Mit
Jiff und Jaff setzen die Teckel, so schnell ihre kurzen
Läufe sich bewegen können, hinter dem Bock her, der

es aber gar nicht eilig hat und sich unten im Hang
sogar nach seinen kleinen Verfolgern umschaut, ehe er
im jenseitigen Walde verschwindet. Wieder fällt unten
ein Schuß, ein starker Auerhahn fliegt sausenden Fluges
außer Schußbereich über die Lichtung, doch jetzt tritt
auch mein Gewehr in Tätigkeit und im Knall rouliert
ein Hahn, der dicht neben meinem Stand aus den Tannen
herausstürmte. Kaum habe ich eine neue Patrone im
Lauf, da schwirrt mir ein Haselhahn über den Kopf,
der schnell hingeworfene Schuß hat ihn gerade noch
gefaßt, und wie ein Stein stürzt der prächtig gefärbte
Waldhahn zur Erde. Jetzt knallt es überall auf den
Ständen, die Treiber kommen immer näher und deutlich
höre ich das Klopfen der Stöcke an die Stämme und
ihre einzelnen Rufe. Noch einige Schüsse fallen, dann
ertönt ein langgezogener Hornruf, der erste Trieb ist
zu Ende.
Die Schützen und Treiber kommen zusammen und
die Strecke wird gelegt, die zwar nicht groß, aber sehr
mannigfaltig ist. Zwei Ricken, fünf Hasen, zwei Füchse,
zwei Haselhühner und ein Birkhahn sind das Resultat
des ersten Treibens. Mein Nachbarschütze wird von
allen Jägern beneidet, denn er hat das Glück gehabt,
einen fast schwarzen Fuchs, ein sehr seltenes Exemplar
zu schießen. Die sonst weiße Unterseite ist bei diesem
Fuchs schwarz, ebenso das Gesicht und die lange

buschige Lunte und der ganze Pelz ist von einem
schwarzen Schimmer überflogen. Diese Abart des
Fuchses, die man Kohlfuchs nennt, ist sehr selten, und
der Pelz bildet bei der jetzt herrschenden Mode einen
auserlesenen Schmuck.
Im zweiten Treiben habe ich Gelegenheit, ein präch-
tiges jagdliches Schauspiel zu beobachten. Mit lautem
Hals jagten die drei an der Jagd beteiligten Teckel ein
Stück Wild, das für Rehwild gehalten wurde, bis plötz-
lich unten vom Bach her heller Standlaut ertönte, ein
Zeichen, daß es Schwarzwild war. Der Jagdherr, dei
neben mir stand, nickte mir zu und vorsichtig stiegen
wir zu Tal. Unten angekommen, sahen wir, daß die
drei giftigen Teckel mit voller Wut einen starken Keilei
verbellten, der sich mit dem Rücken in einen dichten
Strauch am Bachrande eingeschoben hatte und aus seinen
tückischen Lichtern die kleinen Störenfriede anfunkelte.
Die tapferen Krummbeine suchten den riesigen Gegner
hier und da zu fassen, wichen aber sofort geschickt
zurück, wenn der Basse mit den Gewehren klappte und
Miene machte, zuzuschlagen. Während
ich am Eingang des Tales stehen blieb,
schlich sich der Jagdherr leise unter Be-
nutzung jeder Deckung in großem Bogen
zu dem Kampfplatz heran. Bald stand
er nur zirka 30 Schritte von dem Strauch
ab, in dem der Keiler saß, und als plötz-
lich die Teckel ihren Herrn erblickten,
drangen sie mit doppelter Wut auf den
Schwarzkittel ein, der nun auch die Nähe
seines gefährlichen Feindes merkte, mit
einem Satz aufsprang und flüchtig wurde.
In demselben Augenblick krachte aber der
Drilling des Jägers und nach wenigen
Fluchten rollte der Keiler zusammen, wäh-
rend sofort die wütenden Krummbeine über
ihn herfielen und sich in seine Schwarte
verbissen, daß die Borsten flogen. Rasch
traten wir heran. Er zuckte nur noch leise,
die Kugel hatte ihre Schuldigkeit getan,
sie hatte das Herz des Bassen durch-
schlagen. Durch den Lärm der Hunde
waren auch die andern Jäger aufmerksam
geworden, ein Hornstoß rief sie jetzt her-
bei und sie bewunderten alle den starken
alten Burschen, dessen krumme, nadel-
scharf geschliffenen Gewehre wie poliertes
Elfenbein glänzten.
Es wurden nun noch zwei Treiben
gemacht, dann war der köstliche Jagdtag
in den Bergen zu Ende, der mit seiner
bunten Strecke, die im ganzen nur aus
24 Stück Wild bestand, viel mehr des
Interessanten und Aufregenden geboten
hatte, als eine Treibjagd in der Ebene,
bei der einige Hundert Hasen ihr Leben
lassen müssen. Nicht nur die herrliche
Naturszenerie mit ihren Bergen, Schluchten
und Tälern ist so überaus schön, sondern
auch die Art des Jagens erhält den Weid-
mann stets in Spannung. Die wenigen
Treiber können in die Dickichte der Berg-
wälder nicht überall eindringen, aber die
flinken Teckel kommen selbst in die ver-
stecktesten Schlupfwinkel, und sobald ihr
heller Hals anzeigt, daß ein Stück Wild
flüchtig ist, horchen alle Schützen ge-
spannt auf und folgen mit dem Gehör
dem Verlauf der Jagd, jeden Augenblick
bereit, das etwa bei ihnen ausbrechende
Wild gebührend zu empfangen. Und dann
ist es etwas ganz anderes, den wie einen
roten Blitz durch die Büsche flitzenden
Fuchs oder den nur einen Moment sichtbaren Hasen auf
den Kopf zu stellen, als im offenen Feld einen Lampe
mit Schrot zu begrüßen, den man schon auf 300 Meter
ankommen sieht. Hier auf der Jagd im Bergwalde zählt
die Qualität und nicht die Menge des Wildes.
—a/\/\/Vv—
Ein Van-Eyck-Denkmal in Gent.
Die Brüder Hubert und Jan van Eyck, deren Welt-
ruhm hauptsächlich durch das große, zwanzig einzelne
Gemälde insichschließende Altar-Flügelbild: Die An-
betung des mystischen Lammes, von dem ein paar
Teile der Stolz des Berliner Museums sind, begründet
wurde, haben endlich in ihrer Vaterstadt Gent ein groß-
artiges Monument erhalten. Es erhebt sich vor dem
herrlichen Hintergrund der alten Kirche St. Baoon, wo
in der Kapelle Vydt sich jenes .Altarbild befindet. „Das
Wunder von Gent“ wirdes genannt, weil es damals
bei seiner Vollendung, im Mai 1432, wie eine Offenbarung
wirkend, noch heute durch die Macht der Komposition,
die tiefe Glut der Farben, wie durch die ganze Stimmung
auf diesem frühlingsprächtigen Bilde, erhebt und ent-
zückt; — erstand es doch sichtlich in einer Zeit, da die
Kunst noch Religion war. — Ursprünglich hatte der
verstorbene belgische Bildhauer Julian Dillens einen


Szenenbild aus der Oper Monna Vanna.
Copyright Willinger, Berlin.

XXVIII. 6. B.
 
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