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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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10. Heft
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Hermann Rüdisühli: ein deutscher Künstler aus der Schweiz
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0297

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I 22

MODERNE KUNST.

den letzten Dezennien von dort erwach-
sen und wenn die meisten von ihnen
auch in Deutschland leben, einen gemein-
samen Zug Heimatcharakters nehmen
sie mit in die Fremde, mit in ihre Kunst.
Ein Stück sinnigen Schwermuts und knor-
riger Wucht; wenn das Wort geprägt
werden darf: schwerfällig-hehrer Phan-
tasie! Bodenständig wollen sie bleiben
und führen uns doch in ein Land von
Träumen und Gemütstiefe, von Klassizität
in den Figuren und Bildern.
Und eine gewisse schweizerische
Wesensart verleugnen auch die Arbeiten
Hermann Rüdisühlis nicht, obwohl er,
der am 10. Juni 1864 geboren, von 1881
bis 1887 in Karlsruhe an der Akademie
studierte und jetzt seit vierzehn Jahren
in München lebt.
Man kann ihn als ausgesprochenen
Landschafter ansehen, obwohl er eigent-
lich sich zuerst im Figurenfach ausge-
bildet hat.
Aber der Drang nach dem Erha-
benen, Hoheitsvollen, Geruhsamen führte
ihn zur Natur, zur ewig wechselnden,
ewig majestätischen Landschaft. In den
neunziger Jahren taucht zuerst sein Name
unter solchen Bildern auf. Die starke,
gegensätzliche Farbigkeit derselben, die
liebevolle Behandlung der Motive zeichnet
ihn schon in den ersten Arbeiten aus.
Und mit versonnener Phantastik sucht
er eine Art heroischer Landschaft zu
schaffen. Landschaften entstehen, in
denen außer der Gegensätzlichkeit der
Farbe, außer der Glut des Herbstes eine
tiefe Trauer, ein heiliger Friede, eine fast
beängstigende Ruhe steckt. Und in der
Trauer, im Finden, in der Ruhe scheint
immer ein Geheimnis zu liegen: etwas
Besonderes, Unsichtbar-mächtiges. Das
ist vor allem die Kraft und Eigenart
Hermann Rüdisühlis.
Realität liegt an sich in seinen Mo-
tiven, aber die Farbe, der Himmel, das
Gegenspiel der Bäume und Tempel gibt
ihr etwas Magisches und Geheimnisvolles.
So schafft er mit malerischer Phantasie,
die das novellistische Motiv nicht braucht,


Hei-mann Rtidisühli: Motiv aus dem Sassotal.

weil ihr Farbe und Form als Mittel der
Verklärung und Erhöhung des Lebens
völlig genügen.
Das ist z. B. in seinem Bilde „Park-
motiv“ der Fall. Den realen Gegenstand
bildet eine Partie aus dem Schloßpark von
Nymphenburg bei München, an dessen
Rand seine Villa steht. In den Konturen
wird die Landschaft vom wirklichen
Sujet kaum viel abweichen. Aber Rüdis-
ühlis Palette bringt einen so starken
Stimmungsgehalt in das Werk, daß es
an einen vertrauten Götterhain erinnert.
Die gigantische Kühnheit stolzragen-
der Felsblöcke, hochgebauter Burgen,
grausig-einsamer Uferpartien am Meere
lockt ihn ebenso. Er schafft Landschaften,
die ohne Figuren doch durch den starken
Stimmungsgehalt belebt erscheinen.
Ganz in seinen Kreis eigenartigen
Schaffens paßt sein Bild „Friede", das
ein einsames Inselschloß darstellt unter
ragenden Pinien, über denen die warmen,
glühenden Töne des Abends am Himmel
liegen. Hier sieht man deutlich sein Stre-
ben nach einer Klassizität der Landschaft,
nach den heroischen Motiven in der Natur.
Aber auch aus dem Alltag der Natur
holt er sich gern Motive, wenn nur die
Wiese bunt, der Baum saftig und farbig
vor ihm steht. Aus ganz einfachen Vor-
aussetzungen heraus schafft er da, wie
etwa in den „Birken im Herbst“. Aber
sein farbiges Temperament ruft hier
den letzten Effekt mit sicherer Pinsel-
führung hervor.
Gerade die bunte Palette für die
Landschaft ist die Begründung des
populären Erfolgs der Landschaftsbilder
Hermann Rüdisühlis.
Denn wie er in ein Bild Stimmung
und Weihe tragen kann, so kann er uns
auf anderen wieder, ohne etwas dazu zu
empfinden — obwohl auch dies Künstler-
recht ist — nur ein Stück Naturstimmung
festhalten. So ist der Künstler viel-
leicht eine Sondererscheinung unter den
modernen Landschaftern: ein Mittelglied
zwischen sehenden und empfindenden
Malern. C. Gf. Sc.



des JÜerrn non J)renl|l|usen.
Von Klaus Rittland (Elisabeth Heinroth).

[Fortsetzung.]
aber wollte den Reiz der zwanziger Jahre nicht her-
— „Eine große Zeit ist das nicht gewesen,“ meinte sie,
sie hat viele interessante Momente gehabt: die Auswüchse
mystischer Überspanntheit, koketter Religiosität: Frau von Krüdener, die
Seherin von Prevorst, die Prophetin Margarete Peter — wissen Sie, die
sich kreuzigen ließ? — dann die Gründung der Burschenschaft — und das
phantastische Treiben der Romantik, überhaupt das neue, junge, gewaltige
Leben in der deutschen Dichtung — und die Tee- und Butterbrötchen-
salons der geistreichen Berliner Jüdinnen — die großen Puffärmel und die
Locken über dem Ohre sind doch auch ganz kleidsam gewesen.“ —
Sie lachte.
Und dann erzählte Brenkhusen, daß sich neuerdings seine Gedanken
an häuslichen Abenden in ähnlicher Richtung wie die ihren bewegt
hätten. Er las gerade in den Gentzschen Tagebüchern, aus dem Nach-
lasse Varnhagens.
Erfreut schaute Annelise auf. „Seltsam. Ja — das war doch häufig
so, wenn — —-“
Sie sprach nicht weiter.

Copyright 1913 by Rieh. Bong’
Spielend klopfte sie den Schnee von den Büschen und errötete —
kaum merklich.
Aber ihm war es nicht entgangen.
Und der Ton, den sie flüchtig angeschlagen, klang in ihm weiter.
Ja, schön war es gewesen, wunderlich reizvoll, dieses enge geistige Mit-
einanderleben, wie sie so häufig, jeder von anderer Seite herkommend,
auf demselben Punkte zusammengetroffen waren, wie sie so häufig, er
daheim in seinem Studierzimmer, zu stiller Abendstunde, sie, an die Seite
des Kranken gefesselt, bei einförmigem Spiele, dieselben Gedanken ge-
dacht, dieselben Empfindungen durchlebt hatten, so übereinstimmend, daß
es ihnen dann oft, wenn sie am nächsten Teenachmittage darüber
sprachen, als etwas Mystisches erschienen war, als ob geheimnisvolle
Einflüsse von einem zum andern wirkten — —
„Wie eine geistige Ehe war es“, sagte er leise vor sich hin.
Sie tat, als ob sie dieses Lautwerden eines Gedankens nicht ver-
nommen hätte, der auch durch ihre Seele zog.
Sie fragte ihn nach einer amtlichen Angelegenheit, die ihn im letzten
Frühjahre stark beschäftigt hatte. Er erzählte ihr, wie die Sache sich
 
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