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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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16. Heft
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Bloem, Wilhelm: Elefanten: ostafrikanische Beobachtungen und Erlebnisse aus freier Wildbahn
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0471

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201

Elefanten.
Ostafrikanische Beobachtungen und Erlebnisse aus freier Wildbahn von Wilhelm Bloem.



Horizont fängt es an zu dämmern. Grauweiße dichte Nebelschwaden
SKjäfS der Nacht lagern noch schwer auf den weiten Steppengebieten. Die
nahen Höhenzüge mit ihren stolz emporragenden Felsenhäuptern, die
am Fuße liegenden Urwalddickungen, die Galeriewälder mit den charakteristischen
Borassus- und Dumpalmen scheinen über Nacht vom Erdboden fortgezaubert
zu sein. Die ihren Tageslauf beginnende Sonne sendet gegen
die scheinbar undurchdringliche Nebelwand die ersten
Strahlen, deren Kraft allmählich der Nebel dennoch
weicht. Immer durchsichtiger wird der Flor,
immer heller glitzern und funkeln die un-
zähligen Tautropfen wie Diamanten.
Der Tag ist angebrochen. Niederge-
tretenes Gras, frische Fährtenabdrücke
und Losung lassen einen Elefanten-
wechsel erkennen. Eine ganze Ele-
fantenfamilie hat in der Nacht die
Steppe durchquert und ist den
Dickungen zugewandert. Mit Gras
überwucherte, tief in den Erdboden
getretene Löcher, über die man
alle Augenblicke stolpert, deuten
darauf hin, daß es hier während der
verflossenen Regenzeit von Elefanten
gewimmelt haben muß. Ein Teil hat
sich später wieder in entlegenere Ge-
genden zurückgezogen. Ein anderer
Teil behielt das Revier bei. Die frischen
Fährten führten bis zur nächsten Dickung,
wo sie in einen glatten Weg mündeten, wie
ihn kein Baumeister besser anlegen konnte.
Elefanten hatten ihn durch jahrelange Benutzung aus-
getreten. Ausgekaute, durch die Sonne gebleichte Sansi-
vierenblätter lagen in Bündeln herum, abgerissene Äste und
umgelegte Bäume zeigten die Stellen an, wo die Dickhäuter
gefressen hatten. Hier und dort fielen Bäume auf, deren Rinde und unteren Äste
poliert zu sein schienen. Es waren sogenannte Mahlbäume, an denen sich Elefanten
nach dem Baden oder Suhlen (Wälzen) in einer Wasserpfütze geschubbert hatten.
Ich beschloß sofort, die Verfolgung aufzunehmen. Mit einigen Trägern
meines Hauptlagers brach ich unter Mitnahme des Feldbettes und der not-
wendigsten Lebensmittel auf. Ein Mann schleppte die achtzehn Pfund schwere
Doppelbüchse Kaliber 577; ich selbst trug die Mauserrepetierbüchse Kaliber 9,3.
Vorsichtig und lautlos folgten wir den frischen Fährten, die teils durch lichteres
Gelände, teils durch
dichten Urwald führ-
ten. Plötzlich standen
wir vor einem Fluß,
dem Luhoi, den die
Dickhäuter durch-
schwommen hatten.
Zwei Elefanten da-
gegen, die ich nach
der Größe der Sohlen-
abdrücke für starke
männliche Tiere an-
sprach, hatten sich
hier abgesondert und
waren auf dem dies-
seitigen Ufer geblie-
ben. Da höre ich
deutlich vor mir ein
leises Brechen und
Rauschen der Zweige.
Ein kurz abgestoße-
ner Trompetenton
verriet mir vollends
ihren Standort. Ich
hatte die Elefanten
eingeholt. Während
die Träger im Hinter-
grund hielten und
leise die Lasten ab-
setzten, kroch ich mit
meinem Gewehrträ-

[Nachdruck verboten ]
ger unter Wind langsam vorwärts. Ein Geruch wie im Elefantenhaus des
Berliner Zoo strömte mir entgegen. Da schimmern auch schon die gewaltigen
Körper der Kolosse durch das Astwerk. Indem ich schußfertig noch überlege,
welchem von beiden ich die tödliche Kugel aufs Blatt oder Ohr setzen soll,
schlägt unverhofft der Wind um. Mit lautem Krachen gingen sie ab und ver-
ließen die schützende Dickung.
Nach kurzer Rast folgte ich ihnen unermüdlich immer
weiter und weiter durch lichteres Steppengelände.
Da zupft mich mein Boy heftig am Ärmel, zeigt
auf eine dunkle Buschgruppe und flüstert:
„Ndofu, bwana!“ (Elefanten, Herr!) Auf zirka
fünfzig Meter — frei vor mir —- bummelten,
wie aus dem Boden gewachsen, zwei
prächtige, mit langen, schweren Stoß-
zähnen bewaffnete Elefantenbullen.
Friedlich klappten sie mit ihren
großen Ohren, wiegten sich in sorg-
loser Sicherheit und fraßen Blätter-
werk. Meinen Begleiter zurück-
lassend, pirschte ich mich vorsich-
tig bis auf wenige Schritt an die
Dickhäuter heran. Lange Zeit stand
ich, jeden Nerv gespannt, regungs-
los hinter ihnen. Jetzt wendet der
vordere Elefant mir seine volle Breit-
seite zu. Langsam hob ich die Büchse
und zielte mitten aufs Herz. Ein scharfer
Knall! Der Getroffene ruckt einen Augen-
blick zusammen, stürmt dann wie rasend vor-
wärts und schon sitzt ihm die zweite Kugel im
Schädel hinter dem Ohr. Schnell repetierend, treffen
auch den andern flüchtenden Elefanten, ehe ihn der
nächste Busch deckt, zwei wohlgezielte Schüsse. Ich sehe,
wie das vordere Tier anfängt zu taumeln und kurz darauf
mit dumpfem Fall zu Boden stürzt. Schnell laufe ich hin, und wild um
sich schlagend liegt der Elefant mir zu Füßen. Da kracht es halblinks hinter
mir in den Ästen. Die Büsche fliegen auseinander, hindernde Bäume knicken
wie Strohhalme und mit markdurchschütterndem Trompeten, den Rüssel wage-
recht nach vorn gestreckt, die mächtigen Ohren breitgestellt, die Lichter (Augen)
vor rasender Wut rot unterlaufen, kommt der krankgeschossene Elefant zurück
und nimmt mich an. Im letzten Augenblick sprang ich zur Seite. Er läuft
auf ein paar Schritt an mir vorbei und ich schieße. Er dreht um und wieder-
holt seinen Angriff.
Ausweichend, trifft
ihn eine weitere Ku-
gel. Die Büsche schla-
gen hinter ihm zu-
sammen, er flüchtet,
schwerkrank. Aber
in derselben Sekunde
muß ich mein Gewehr
herumreißen, denn
der am Boden lie-
gende Elefant war
wieder hoch gewor-
den und stand in sei-
ner vollen Größe vor
mir. Unter Zusam-
mennehmen seiner
ganzen, letzten Kraft
kommt er auf mich zu,
um mich zu packen.
Zwei Schüsse emp-
fangen ihn und laut-
los sinkt er vor mir
nieder. Ein Blutstrahl
aus dem Rüssel färbt
die Umgebung rot.
Noch ein heftiges Zit-
tern des Körpers, ein
leises, röchelndes
Gurgeln und dann ist
es totenstill. Der

Begegnung im afrikanischen Urwald.
Phot. W. Bloem.

XXVIII. 51.

Elefantenfährten in freier Steppe zur Regenzeit.

Phot. W. Bloem.
 
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