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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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16. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0479

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Von Europas jüngstem Fürstentum.

positiv für mehr Raum gesorgt. Zugleich vermochte
er, aus schlechten Ausstellungsräumen gute zu schaffen.
Man braucht sich nur das Bild, das früher die
Parterreräume boten, zu vergegenwärtigen, um sich an
der Leistung, die der Direktor der Nationalgalerie, Ludwig
Justi, im Verein mit dem königlichen Architekten der
Museen, Wille, vollbracht hat, zu erfreuen. Früher
wurde die linke Seite des Erdgeschosses von dem
magazinartig großen Skulpturensaal mit seinem unüber-
sichtlichen Durcheinander gebildet. Auf der rechten

Fürst Wilhelm von Albanien.
Phot. Kgl. Hofphotograph W. Niederastroth (Seile & Ivuntze).
Seite befand sich eine Folge unorganisch hoher Bilder-
kabinette, deren Eingangstüren so lagen, daß der Be-
sucher bei der Wendung in den Raum durch das gegen-
überliegende hohe Fenster geblendet wurde. Das gleiche
war in den Sälen des Hintergrundes der Fall, die sich,
das Haus beschließend, an den Skulpturensaal wie an
die Reihe der Bilderkabinette im Halbrund gliederten.
Die Aufgabe des Umbaus, die sich hier bot, hat
Justi in klarster, einfachster Weise gelöst, indem er die
Dreiteilung des Geschosses beibehielt. Er löste den
übergroßen Skulpturensaal in vier Säle auf, die sich
auch durch die Kunstwerke, die hier aufgehängt sind,
zu einem organischen Ganzen runden. Die Maler
Böcklin, Feuerbach und Hans von Marre haben hier ihre
Stätte gefunden. Entsprechend der verminderten Größe

der Säle mußten auch die Höhenverhältnisse geändert
werden, was durch Einziehen niedriger Decken, höherer
Fußböden und Verkleinerung der Innenfenster geschah.
Ebenso stark war die Wandlung, welche der rechte
Flügel erfuhr, der schon vorher Bilderkabinette ent-
halten hatte. Vor allem wurden die Umgangstüren in
die Nähe der Fenster gelegt, so daß sich der Zuschauer
mit dem Licht im Rücken in die Säle wendet. Hier
sind die Künstler der letzten Jahrzehnte: Leibi und
Thoma, Uhde und Trübner, Liebermann und andere
Freilichtmaler vertreten. Die Apsis, die sich von dem
einen der beiden Flügel im Halbrund zu dem andern
zieht und fünf Kabinette enthält, ist Adolf Menzel ge-
widmet. Die Kunst dieses Berliner Meisters bildet also
den Kern des Erdgeschosses. In diesen kleinen Kabi-
netten, deren Wände ellipsenartig gehalten sind, mußten
die Decken entsprechend noch niedriger und der Fuß-
boden noch höher gelegt werden. Die Türen wurden
in unregelmäßiger Weise so angebracht, daß sich dem
Beschauer beim Eintritt ein guter Ausblick ergibt.
Die Ausstattung der Säle ist reich, vielleicht zu reich
gehalten, da Ludwig Justi von dem Gedanken ausging,
kostbare Kunstwerke müßten auch eine ähnliche Um-
gebung haben. Eine edle Einfachheit hätte ihre Wir-
kung noch erhöht; aber der reiche Stil der übrigen
Nationalgalerie mag für Justi Veranlassung gewesen
sein, einen scharfen Bruch zu vermeiden. Auch die Ein-
heitlichkeit der Wandbekleidung, welche die Säle des
linken Flügels unter sich, ferner die des rechten und
die der Apsis zu drei Gesamtgebilden zusammenfassen,
wäre vielleicht besser vermieden worden. Böcklin hätte
einen stärkeren Ton vertragen, als ihn das Rosa der
Tapeten der Deutsch-Römer-Säle aufweist, und ander-
seits stehen Leibis und Trübners Gemälde nicht zu dem
hellen, weißlichen Ton, den der rechte Flügel zeigt.
Dagegen paßt das tiefe Grün für die meisten Bilder und
Zeichnungen Menzels.
Das sind jedoch Kleinigkeiten, denen mit Variationen
leicht abgeholfen werden kann. Im allgemeinen spricht
die Wirkung für Justi, da man trotzdem z. B. vor
Böcklin wie vor einer Offenbarung steht. Der Wucht
der Natur und des schaffenden Geistes, die sich in ihm
offenbaren, läßt sich keiner der späteren Künstler an
die Seite stellen. Bemerkt sei noch, daß der Raum-
mangel auch jetzt noch keine vollkommene Vereinigung
der modernen1 Kunst innerhalb des Erdgeschosses zu-
ließ. Größere Formate, wie Menzels „Schlacht bei
Hochkirch“, Feuerbachs „Gastmahl des Plato“, Slevogts
„d’Andrade als Don Juan“ öder Landschaften Kalkreuths,
Leistikows usw. mußten im ersten Stock aufgehängt
werden. Erst ein Neubau, dessen Notwendigkeit längst
außer Frage steht, wird der Kunst des neunzehnten
Jahrhunderts das würdige Heim bereiten, das sie
braucht. Dr. O. A.

Während selbst im schwärzesten Afrika im Laufe
der Jahre die Arbeit der Forschungsreisenden das Dunkel
lichtete und infolgedessen auf den Landkarten die
weißen Flecken, die unerforschtes Land bezeichnen,
immer weniger wurden, lag, nicht etwa vor den Toren
Europas, sondern mitten darin, in nächster Nähe hoch-
kultivierter Länder ein Gebiet, das unbekannter war als
Zentralafrika: Albanien. Nicht in geographischen Schwie-
rigkeiten ist diese Weltverlorenheit begründet, sondern
einzig in dem wilden, unbotmäßigen Charakter seiner
Bewohner, deren fast dreitausendjährige Geschichte
unter den Augen Europas ein einziges, großes, an
heroischen Zügen reiches Ringen gegen alles, was staat-
liche Autorität heißt, darstellt. Mochte diese Autorität
von außen durch die Mazedonier, Römer, Byzantiner,
Türken oder von innen durch weitblickende, staats-
männisch begabte Volksgenossen dem Lande aufge-
zwungen werden sollen. In dieser Hinsicht hat die
Geschichte der alten Illyrier, wie die Albanier im Altertum
hießen, eine merkwürdige Ähnlichkeit mit der Geschichte
der Albanier in der jüngsten Zeit. An sich sind sie
weder in staatsmännischer, noch in anderer, z. B. mili-
tärischer Hinsicht, unbegabt, —- was der Umstand be-
weist, daß zahlreiche Albanier in den Staaten, die mit
Albaniern in Berührung gekommen sind, zu hohen
Ämtern und Würden gelangten. Trotzdem kamen die
Albanier (ähnlich wie die Kurden, auf die heutigen Tages
noch die Schilderung paßt, die Xenophon in der Anabasis
von den alten Karduchen gibt) nie aus dem Stadium
einer wild um sich schlagenden Völkerwanderungs-
romantik heraus, obwohl sie nie, wie andere Völker,
in ihren Lehr- und Wanderjahren die Welt durch-
streift haben. In überschäumendem Freiheitsdrang und
einem durch Abschließung überzüchteten, indogerma-
nischen Individualismus wollten sie niemand gehorchen,
sondern jedermann befehlen. Ein derartiges Volk zu
einem modernen Staatengebilde mit allen seinen Ab-
hängigkeiten, Pflichten und Beschränkungen für den
Einzelnen zusammenzufassen, ist eine Aufgabe, wie sie
kaum schwerer — aber auch kaum schöner gedacht
werden kann. Denn trotz alles Kulturmangels schlum-
mert in dem durch drei Jahrtausende ewig jung ge-
bliebenen albanischen Volke das Herrenvolkstum seiner
alt-arischen Herkunft, das in der Jugend der Germanen
auch ähnlich wilde Blüten getrieben, aber schließlich
kein Hindernis dafür bildete, daß die Germanen die
Staatenbildner nicht nur Europas, sondern der Welt
geworden sind. Möge es dem Fürsten Wilhelm be-
schieden sein, dieses ritterlich, geartete, älteste Volk
Europas, das in seiner Art und Geschichte unserm
deutschen Volk während der Sturm- und Drangjahre
immerhin ähnelt, zu einem lebenskräftigen Staaten-
gebilde zusammenzufassen, nachdem es in tausend-
jährigen Kämpfen sein Volkstum gegen fremde Einflüsse
verteidigt hat! Möge er in diesem Volke die Überzeu-
gung erwecken, daß es auf dem Wege zu einer schönen
Zukunft nur noch einen, allerdings den schlimmsten
Feind zu überwinden hat, nämlich sich selbst und seinen
ungebändigten Freiheitsdrang, der es trotz aller Tapfer-
keit bisher zum Hörigen und Spielball anderer Völker
gemacht hat! Mag Fürst Wilhelm das Glück und die
Erfolge seines königlichen Oheims in Bukarest, des
Königs Karol von Rumänien, haben! Dr. H. H.

Dar Hau der Natienalgalerie.
Die Berliner Nationalgalerie
hat unter ihrem neuen Direktor
Ludwig Justi, Wandlungen ver-
schiedener Art erfahren. Der
eigentliche Grund hierfür war
die geringe Behangfläche, aut
der sich die erworbenen Kunst-
werke längst nicht mehr unter-
bringen ließen. Um den erfor-
derlichen Raum zu schaffen, hat
Justi zunächst die Bilder patrio-
tischen Inhalts, die ja mehr
durch die Ruhmestaten unserer
Armee angeregt und weniger
aus künstlerischen Impulsen ent-
standen waren, in der Ruhmes-
halle untergebracht. Ebenso
gliederte er die Porträts bedeu-
tender Männer zu einer Art
Ruhmeshalle zusammen, die in
der Schinkelschen Bauakademie
ihr Unterkommen gefunden hat.
Wenn diese beiden Maßregeln,
die schon vor Jahresfrist ge-
troffen wurden, die Behang-
fläche der Nationalgalerie so-
zusagen im negativen Sinne ver-
größerten, so hat der Umbau
ihres Erdgeschosses jetzt auch

William Shakespeare.
Zur 550. Wiederkehr seines Geburtstages.

Es ist ein eigen Ding um die Unsterblichkeit; bei
den meisten Dichtern, Denkern und Helden dauert sie
nur wenige Jahrzehnte, nach denen ihre Inhaber wieder
ins Meer der Gleichgiltigkeit versinken. Wohl nennen
die Historien ihren Namen, und hin und wieder versenkt
sich einer oder der andere Interessierte in ihre Ideen-
welt; aber dem Herzen ihres Volkes oder gar mehrerer
Völker sind sie erstorben. Die
Geschichte kennt nur einige
Riesen des Gefühls und Geistes,
die noch nach Jahrhunderten
mit dem vollen Gewichte ihrer
Persönlichkeit wirken. Zu ihnen
gehört in erster Hinsicht Wil-
liam Shakespeare, dessen Dra-
men und Lustspiele erst jetzt
wieder unter der Regie Max
Reinhardts in Berlin ihre un-
verwüstliche Kraft und Frische
beweisen. Wer kennte nicht
all die Gestalten, die hier un-
ser Herz oder Zwerchfell be-
wegen; weniger bekannt ist
Shakespeares Lebensgang, über
den wir nur mangelhaft unter-
richtet sind.
Der Dichter wurde zu Strat-
ford am Avon in der englischen
Grafschaft Warwick, 1564, wahr-
scheinlich am 23. April ge-
boren. Sein Vater war freier
Landbesitzer und brachte es in
seiner Stadt zum Oberalder-
mann. Später aber verfiel sein
Vermögen, und wegen Schulden
wurde er auch seiner Würde
entkleidet. Der junge Shake-
speare besuchte die heimische
Lateinschule und half dann
dem Vater in seinem Gewerbe.

XXVIII. 16. B.

Das erste albanische Kinematographentheater
Phot. Leipziger Presse-Büro, Leipzig-Schleußig
 
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