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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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19. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [13]
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Kastner, Willy Alexander: Legende
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Unsere Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0584

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248

MODERNE KUNST.

war, innerlich zerfallen — manchmal hatte sie sich selber eingeredet,
daß der Freund ihr leid tat — in dieser letzten Zeit aber war sie sich
ganz klar darüber geworden, daß die Überzeugung von Brenkhusens
Glücklosigkeit in der Ehe ihren eignen Wünschen nur zu sehr ent-
gegenkam.
Ein fast peinliches Gefühl kam jetzt über sie, wenn sie an ihre
einstigen Bestrebungen neidloser Teilnahme dachte. Es gibt eine Scham,
die nicht schlechten Taten oder Empfindungen gilt, die wir zu bereuen
hätten — nein, jene andere Art Scham ist es, die uns wohl überkommen
mag, wenn wir uns edler Gefühle erinnern, zu denen wir uns künstlich

hinaufgeschraubt haben, Gefühle, die besser waren, als wir wirklich sind.
Ihre damaligen Empfindungen erschienen Annelise jetzt als Heuchelei
vor sich selber — zu Unrecht, sie hatte die ehrlichsten Absichten ge-
habt, aber der Egoismus ihrer Liebe war zu jener Zeit durch den
Schmerz in eine Selbstverleugnung gewandelt worden, die nicht von
Dauer sein konnte, weil sie Annelisens Natur widersprach. Wohl konnte
man Annelise gütig, aufopfernd nennen, nicht aber eine Heldin selbst-
vergessenden Edelmuts.
Jetzt war sie wieder mit sich selber im Reinen, jetzt fühlte sie sich
wieder seelisch daheim. [Fortsetzung folgt.]


Legende.


Von Willy Alexander Kästner.

Dieses lieblich stille Märchen
Soll mir doch den Sinn durchklingen.
So verworren auch die Tage,
Denn es spricht von Himmelsgunst.
Also hört: War einst ein Maler,
Wohl ein Mensch voll Schwächen, aber
Tugendreich in seiner Kunst.
Denn die Farbe war ihm heilig
Und die Form, von Gott geschaffen.
Und das Licht, von Gott geschaffen.
Und der Schatten — alles dies.
Und so schuf er sich und andern
Jenes überm Tag erhöhte
Kunstgeweihte Paradies.
Nun, an einem Maienmorgen
Voller Duft und Vogelstimmen
Malte er die Muttergottes,
Ganz entrückt zu sel’gen Höh’n:
Blau Gewand in edlen Falten
Und die frommen weißen Hände,
Alles dies bedeutend schön.

Aber nun das hohe Antlitz:
Ach, wie sollt’ er dieses bilden?
Übermenschlich und doch menschlich.
Heilig, lieblich, — ernst und süß . . .
Und er fühlte sich verzagen.
Und er fühlte, daß die sichre
Kraft des Künstlers ihn verließ.
„Wahrlich,“ sprach er, „Künstler bin ich.
Wißt ihr’s nicht, ihr Blumen, Bäume,
Lichtgetragne Wolken? — Aber
Ach, ein Meister bin ich kaum.
Fühl’ es, daß ich weinen möchte . . .“
Und von wahrem Schmerz benommen
Sank er tief in Schlaf und Traum.
Mittag mit dem Ätherflügel
Zog vorüber, — Laubgeflüster
Perlt umher . . . Ein Wunderweben
Durch Natur und Seele schwoll.
Und ihm war’s wie Lorbeerrauschen,
Und ihm ward das Herz im Traume
Überaus verheißungsvoll.

Gegen Abend nun erwachend.
Hob er bang die schweren Lider —
Sah und schrak — und sah und jauchzte
War es Wahrheit oder Wahn? —
Seiner Gottesmutter Antlitz,
Das er nicht zu malen wagte,
Siehe da: es war getan!
Und dem Staunen folgten Tränen,
Und die Wimper sank anbetend
Vor dem Blick des Wunderbildes,
Und er lag, das Knie gesenkt.
Da geschah’s, als ob er höre
Eine Abenddämmerstimme:
„Engel haben dir’s geschenkt“.
We il du Meister und nicht Schüler,
Weil dir die Vollendung heilig! —
Was ein Meister zagt zu schaffen.
Siehe, das vollenden ihm.
Wenn er Treue wahrt der Schönheit,
Das vollenden ihm im stillen
Genien und Cherubim!“

Unsere ©ilder.

(T
ro
Vbfou den Führern der Berliner Sezession in ihrer besten Zeit gehörte Walter
(2^ Leistikow, der aus voller Schaffenskraft abgerufen wurde. Der Name
dieses Künstlers ist hauptsächlich mit seinen Gemälden, welche die melancholische
Schönheit und den strengen vornehmen Rhythmus des Grunewalds um Berlin
wiedergeben, unauslöschlich verknüpft. Obwohl nicht hier, sondern in Bromberg
geboren, hat er die Eigenart dieser Landschaft aufs tiefste empfunden. Aber
man täte ihm Unrecht, ihn nur auf diesen Teil seines Schaffens festlegen zu
wollen. Ebenso wie der Grunewald haben ihn die Ostsee mit ihrem Duft und
ihren feinen Perlmuttertönen und das Riesengebirge zur Wiedergabe gelockt,
wobei ihm gleichfalls Vortreffliches gelungen ist. Mit diesen Schaffensperioden
wechselten andere ab, in denen der Künstler das stilisierende Moment, das sich
auch in seinen sozusagen realistischen Bildern findet, bis zum Dekorativen
erhöhte. Aber das Beste an ihm bleibt doch sein feines, zartes Naturempfinden,
das sich auch in seinem „Weg“ ausspricht.
•i: *
*
Ungefähr der gleichen Zeit, die auf Neueroberung der Natürlichkeit in der Land-
schaftsmalerei ausging, entstammt Fritz Thaulows Gemälde „Norwegische
Schmieden“. Dieser Künstler hat nicht nur seinen norwegischen Landsleuten,
sondern ganz Europa die Augen für die Schönheit der Umgebung Christianias,
sowie kleinerer Fjordstädte und scheinbar schlichter Naturausschnitte geöffnet.
Wie die Norweger überhaupt gute Maler des Schnees sind, den sie ja einen
langen Winter hindurch bei sich beobachten können, so verdankt ihm auch
Thaulows Kunst zahlreiche Anregungen. Die breiten ruhigen Flächen, die er ihm
bot, fand der Künstler anderseits durch den Mondschein auf die Erde gebreitet,
so daß auch Stimmungen dieser Art bei ihm häufig Vorkommen. Solchen
Motiven wußte Tbaulow mit dem Wohlklang seiner Farbe, die später manchmal
zu weich und süß wurde, einen eignen, geheimnisvollen Reiz zu verleihen.
*
Von einer „Insel der Seligen“ .hat die Phantasie der Dichter und Künstler
stets gern geträumt. Wie Arkadien und jedes schöne Nirgendwo unserer Sehn-
sucht zeigt dieses Eiland Elemente der Kultur und der Natur vereinigt. Denn

einmal befreit es uns von jeder Unnatur, wie sie uns die Zivilisation geschaffen
hat. Anderseits aber steht hier nicht mehr Mensch gegen Mensch und Tier mit
feindlichen Instinkten, was in den Urzeiten sicherlich der Fall war. Ein paradie-
sischer Friede, eine arkadische Ruhe sind ausgebreitet, von der die nackten
Gestalten jugendlich schöner Menschen wie von stiller Musik umfangen werden.
Diese Stimmung klingt uns aus Heinrich Wilkes Arbeit entgegen.
* *
;S;
Ein „Himmelfahrtsfest im Grunewald“ schildert uns Ulli Wolters.
Mehr noch als Ostern sind ja Pfingsten und Himmelfahrt die Feste, die der Nord-
deutsche und somit auch der Berliner im Freien verbringt. Gelegentlich wird
hier auch eine Tribüne errichtet, von der ein Prediger der Heilsarmee zu einer
zahlreichen Versammlung spricht, deren helle Sommerkleider zwischen den
schlanken Kiefernstämmen schimmern. Blau leuchtet der Himmel durch die
Kronen, der Schrei und der Schatten einer Krähe gleiten über die Versammlung
hin, und leise klatschen die Wellen des nahen Sees an das Ufer.
* *
Der in Rom lebende Bildhauer und Maler Henrik Glicenstein ist ein
Künstler von sicherem Formgefühl, leicht beweglichem Temperament und innigem
Empfinden. So geht seine Kunst auf Verkörperung starker Stimmungsgehalte
aus und braucht sich bei voller Beherrschung der Technik doch mit technischen
Ergebnissen nicht zu begnügen. Davon geben die Abbildungen von Henryk
Glicensteins Plastiken „Die Sphinx“ und „Dämmerung“ einen klaren Beweis.
Wie gut ist in der „Sphinx“ der Stein in flächenhafter Weise behandelt, die zu
dem Geduckten des Raubtierrückens vortrefflich überleitet. Und wie fein hat
der Künstler die „Dämmerung“, in der sich Licht und Dunkelheit mischen,
durch Mann und Frau wiedergegeben, die im Kusse sich aneinanderschmiegen.
Beides sind Arbeiten von hohem künstlerischen Wert und persönlichem Formen-
sinn, wie Glicenstein ja auch als Maler durchaus selbständige Wege schreitet.
Hier liegen in einem starken edelsteinartigen Leuchten reiner Farben die Vor-
züge seiner Kunst. Jedenfalls gehört er zu den Erwählten, auf denen unsere
Aufmerksamkeit ruht, und von denen wir noch manches erwarten.
 
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