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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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19. Heft
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Heiland, Karl Heinz: Shrawana Belgola
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0586

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MODERNE KUNST.





hier aus steiler Höhe — die ganze wellige Hochebene
von Mysore liegt zu Füßen des Pilgers, von Seringa-
patam bis zu den waldigen Bergen von Chikmaglur.
Zwei Figuren bizarrer steinernerTorwächter schützen
ein breites Tor, das von einer wuchtigen Säulenhalle
umlagert. Ein halbdunkler Torweg. In seinen weiten
Nischen Brahminenfrauen mit dem Winden von Kränzen
aus dem heiligen Maligipu — den betäubend duftenden
Tempelblumen, beschäftigt. Dann stehe ich auf den
Steinfliesen des weiten — dem Himmel offenen —
Heiligtums.
Eine Frauengestalt kniet in demütiger Haltung in-
mitten der Weite, vor ihr ein würdiger alter Brahmine,
der unter dem Murmeln Jahrtausende alter Gebets-
formeln geweihten Reis und Blumen auf ihr Flaupt
niederrieseln läßt.
In silbernem Rythmus klingt die kleine Bronze-
platte, welche ein junger Priester unter leichten Be-
rührungen mit einem Stäbchen ertönen läßt. Ein selt-
sam anziehendes Bild, das in seiner schlichten Anmut
das Auge fesselt — vom Hintergründe des Heiligtums
fernhält.
Eine steinerne Balustrade, ein Riesenfuß. — Der
Blick wendet sich empor — Pygmäen, Ameisen scheinen
Priester und Betende, sie stehen zu Füßen Gomata Rajas,
dessen ungeheuere Masse in dieser Nähe bedrückend —
beklemmend

wirkt. Nur
langsam er-
faßtdas Auge
die Dimensionen, die Art des gewal-
tigen Bildwerkes. Zu gering ist die
Entfernung, welche der Tempelhof
dem Beschauer gestattet — zu unge-
heuer der Riesenleib Gomatas — Go-
mata Rajas, nicht eines Gottes — einer
Fabelfigur — sondern eines nackten
Menschen, die ehrfurchtsvolle Erinne-
rung an einen Weisen, der wirklich
lebte — den großen Lehrer der
Sekte Jains.
Wie war es möglich, ein solches
Bildwerk zu schaffen? An Größe alle
ägyptischen übertreffend. Sicherlich
ist es monolithisch — wurzelt in dem
gewachsenen Felsen, mit dem es ein
Ganzes bildet. Jene entschwundenen
Generationen müssen also die ganze
Spitze des Berges weggemeißelt haben,

Gomata Raya.

um nur jenen gewaltigen Block stehen zu lassen, aus
dem man dann die Statue schuf. Eine Arbeit, die über-
menschlich erscheinen muß. Ist doch bei der Eigenart
der südindischen Granitformation absolut nicht anzu-
nehmen, daß dort eine geeignete Felsnadel vorhanden
gewesen sei.
Im Gegenteil, die Form des ganzen Berges verrät
einen breiten, flachen Gipfel. Ein zweites Wunder ist
die wunderbare Konservierung des steinernen Riesen-
leibes, er scheint soeben, nicht vor zweitausend Jahren
gemeißelt. Den Grund dafür sucht man darin, daß das
Gestein alle zwanzig Jahre reichlich mit Öl getränkt
wurde, eine kostbare Opferung, dem Andenken des
großen Weisen dargebracht.
Gar seltsam ist die Darstellungsweise, welche der
Schöpfer jenes Riesenbildes wählte: Chamunda Raya,
der um das Jahr 60 v. Chr. lebte. Um die Verachtung
des Weisen gegen alle Äußerlichkeiten, alles Menschliche
darzutun, stellte er ihn vollkommen nackt dar. In ernster
Ruhe, sinnenden Blickes, schaut das Riesenhaupt gen
Norden, die Heimat, wo Gomata und Buddha, die beiden
großen Religionsstifter Asiens, gelebt. Die Füße des Stein-
riesen ruhen auf den Formen der heiligen Blume — des
Lotos. Zur Rechten und Linken ragen Ameisenhügel —
wachsen Schlingpflanzen zu den Knien Gomatas empor.
Sie bezeichnen die Weltentrücktheit des sinnenden Weisen,
den nichts in seinen Betrachtungen — seiner Versunken-
heit zu stören vermag. — Träumend lehne ich an eine
derSäulen,
immer

wieder das unbegreifliche Werk der
Menschenhand mit dem Blicke mes-
send. Der Klang der Bronzeplatten,
aromatischer Weihrauchdampf — ge-
dämpfte rythmische Stimmen zwin-
gen den Blick zurück zum säulen-
umrankten Hofe des Heiligtums. Die
Priester, einen Landfremden ge-
wahrend, sind näher getreten und
murmeln ein Gebet der Segnung und
Begrüßung. Leise klingt die geweihte
Bronze, derDuft des Räucherbeckens
wallt, eine seltsam weißrote Glocken-
blume reicht mir der alte Priester:
„Sei willkommen, Fremdling, imHei-
ligtume Gomatas, des Weisen, der kei-
nen Haß, keine Religionsfeindschaft
kennt, dem alle Geborenen Kinder
eines Gottes!“ Heinz Karl Heiland.

Lingam.

2icfc-2ac/(.

Ion Napoleons Schlachtpferden. Vor 100 Jahren stand Deutschland, ganz
Europa im Zeichen des großen Befreiungskampfes von dem Joch Napoleons,
des großen Korsen. Viel ist im abgelaufenen Jahre 1913, wo sich die große Zeit
zum hundertsten Male jährte, geschrieben und gesprochen worden, von all den
Helden jener Zeit, von allen großen Kämpfen, von allen Opfern. Auch der
große Korse selbst bekam dabei sein gut Teil, Gerechtes und Ungerechtes, mit ab.
Noch niemand hat aber aller jener
treuen Waffengefährten Napoleons
gedacht, jener Pferde, die er im
Kampfgetümmel ritt, die ihm mit-
halfen alle jene Wunder der Kriegs-
kunst zu vollbringen, die man dem
.Schlachtenkaiser nun einmal nicht
absprechen kann. Auf den meisten
Bildern, die Napoleon zu Pferde dar-
stellen, reitet er einen Schimmel,
das Leibreitpferd Marengo, das
auch den Tag von Waterloo und
damit den Zusammenbruch seines
Herrn mitmachte. Allen Fremden,
welche die Sammlungen der Royal-
Service-Institution in London be-
suchen, zeigen die Aufseher mit
einem gewissen Stolz die Gebeine
von Marengo. Ein Huf nur fehlt
an dem Skelett des berühmten

Schimmels. Er befindet sich, zu
einer Tabaksdose verarbeitet, in
der Wachtstube der Offiziere des
St. James-Palace in London. Der
silberne Deckel zeigt folgende In-
schrift: „Dies ist der Fuß Marengos, des

Blick vom Haupteingang.
Berberpferdes, welches Napoleon
in den Schlachten von Marengo,
von Austerlitz, von Jena, von
Wagram, während des russischen
Feldzuges und bei Waterloo ge-
ritten hat.“ Die Wahrheit dieser
Inschrift wurde wiederholt stark
angezweifelt, und es haben sich
auch .vor Jahren schon Gelehrte
gefunden, welche die Berichte
dieses wohl einzig in der Geschichte
dastehenden Pferdes bestritten,
liegen doch tatsächlich die Tage
von Marengo und Waterloo um
15,Jahre auseinander. Im „United
Service-Magazine“ teilte Vorjahren
ein Captain Holden mit, daß der
Kaiser nach General Vandammes
Zeugnis bei Austerlitz einen ara-
bischen Apfelschimmel ritt, der
den Namen der Schlacht erhielt.

Pujo Opferung
 
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