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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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MODERNE KUNST.





deutschen Thronfolgers für den Rennsport ist ja seit langem
bekannt; früher ist der Kronprinz auch hin und wieder
selbst in den Sattel gestiegen. So ritt er gelegentlich
bei den Rennen des Berlin-Potsdamer Reiter-Vereins
am Bornimer Amt, also gewissermaßen unter dem
Ausschluß der großen Öffentlichkeit, und hat hier
auch mehrmals einen Sieger gesteuert. Seit einigen
Jahren begnügt er sich jedoch damit, als Besitzer
von Rennpferden eine weniger aktive Rolle im
Turf zu spielen. Während der Kronprinz mehrere
Jahre lang mit Oberleutnant F. v. Zobeltitz, mit
dem ihn eine persönliche Freundschaft verbindet,
gemeinsam einen kleinen Rennstall hielt, dem
zwischen den Flaggen mancher Erfolg beschieden
war, läßt er seine Pferde nunmehr unter seinem
eignen Namen laufen und trägt die Freuden und
Leiden des Rennmannes allein. So hatte er letzthin
das Mißgeschick, daß sein Steepler Moose im Orcadian-
Jagdrennen zu Karlshorst einen Sturz erlitt und sich so
schwere Verletzungen zuzog, daß er am nächsten Tage
einging. Unser Bild stellt die Parade vor diesem Rennen dar.
Der Kronprinz beobachtet vom Richterturm in Karlshorst aus die
am Orcadian-Rennen teilnehmenden Pferde. An der Spitze sehen Heckensprung in
wir Moose unter Leutnant Freiherrn von Doernberg, der ihn in Steeplechase zu
Karlshorst steuerte. Im Alleinbesitz des Kronprinzen befinden phot- sPort & Central
sich jetzt nur noch Baby und Kings Love, die aber gut genug sind, um die
kronprinzlichen Farben zu gelegentlichen bescheidenen Erfolgen zu tragen. W.K.E.

Gustav Rickelt, den die deutsche Bühnengenossenschaft jetzt zu ihrem
Präsidenten gewählt hat, tritt damit von der Bühne des Deutschen Künstler-

Der Kronprinz beim Abreiten seiner Pferde.

Phot. Conrad Hünich,
Berlin-Charlottenburg.

theaters ab, um im Kampf um die materielle Festigung und soziale Freiheit des
Schauspielers die führende Rolle zu spielen. Seine Wahl war von vornherein
außer Frage, da er Hermann Nissen stets als stärkster Helfer zur Seite stand
und nach dessen Tode der gegebene Mann war. Für seinen Posten eignen ihn
sowohl sein Herz wie sein Temperament. Von jeher geriet Rickelt in heiße Er-
regung, wenn das Schauspielerelend und die Tyrannis mancher Direktoren zur
Sprache kamen; aber sein Rechtsgefühl hält ihn auch von Torheiten und Irr-
tümern fern. Daß der Präsident der Bühnengenossenschaft eine
besoldete Stellung bekleiden muß, ergab sich schon im
Falle Nissen sowohl aus dem Umfange der Arbeit,
die eine volle Tätigkeit auf der Bühne kaum zu-
läßt, wie aus dem gegnerischen Charakter der
Präsidententätigkeit gegen die Direktoren.
Freilich wäre es zu wünschen, daß sich
diese Gegnerschaft mehr und mehr zu
einem Hand in Hand-Arbeiten wandelte.
Jedenfalls hat Rickelt die Konsequenz
gezogen und ist von den Brettern des
Ruhmes abgetreten. Denn gerade er wäre
der letzte gewesen, seine Amtsgeschäfte
auf einen andern abzuschieben. Viel-
mehr wird er in der Vollkraft seiner Jahre
und mit seinem unermüdlichen Fleiß der
Bühnengenossenschaft ein Präsident sein, der
sie zum Siege aus ihren inneren Kämpfen führen
dürfte. Dabei bleibt es freilich ein Verlust, daß man
den Schauspieler Rickelt entbehren muß. Denn wenn er

auch nicht zu den Größten gehörte, war er doch ein guter
Chargenspieler, der manche Rolle mit seiner prächtigen
Wärme, seiner gutmütigen Rauhigkeit und Beweglichkeit
erfüllt hat. Die beste Zeit seines Wirkens fiel in die
Aera Otto Brahms, der vom Deutschen Theater ins
Lessing-Theater übergesiedelt war und Rickelt vom
Schiller-Theater engagiert hatte. Dieser war auch
ein ausgezeichneter Hauptmann-Darsteller, wie ihm
z. B. sein Rentier Krüger aus dem „Biberpelz“
unvergessen bleibt. Mochte sein Rollenfach auch
nicht weit gesteckt sein, so hat er diesen engen
Bezirk um so tiefer und innerlicher ausgefüllt, m.
•1- *
Die Nackttänzerin Ado ree Villany. Während
im Altertum die mit der Religion verknüpften
Nackttänze beim Volke ungeteilten Beifall fanden,
sind die modernen Nackttänzerinnen schweren An-
feindungen ausgesetzt. Auch die Tänzerin Adoree
Villany, die kürzlich in der deutschen Reichshauptstadt
gastierte, ist den kritischen Augen der heiligen Hermandad
nicht entgangen und mußte in München ä la Monna Vanna,
nur mit einem Mantel bekleidet, den Weg von der Bühne nach
der Champion der Polizeistation antreten. Aber die Französin fand eine glänzende
Hurst Parc. Verteidigung in Gestalt hervorragender Vertreter der Münchner
Preß Agency, Ltd. Künstlerschaft, und Fritz von Kaulbach erklärte unumwunden:
„Adoree Villany ist die züchtigste Tänzerin der Welt, ihre Tänze haben einer,
ausgesprochenen künstlerischen Charakter“. Adoree Villany hat ihren verschie-
denen Tänzen ägyptische, assyri-
sche, römische und griechische
Motive zugrunde gelegt. In ihren
ägyptischen Tänzen bringt sie
die älteren ruhigen rhythmischen
Schrittbewegungen mit den über
den Kopf zusammengehaltenen
Armen oder in die Hüften ge-
stemmten Händen zum Ausdruck,
wie man sie auf den Reliefbildern
in Sakkara sieht. Jeder Pas, jede
Geste in dem Apis-Tanz zeugen
von einem sorgfältigen Studium.
In der psychodramatischen Panto-
mime aus dem alten Ägypten
„Bent-Anat und ihr Sklave“ lehnt
sich die Künstlerin mehr an die
späteren, die heute im Orient üb-
lichen schnellen Drehungen und
sinnlichen Bewegungen an. Un-
zweifelhaft ist die Szene, die mit
der Erdrosselung des Sklaven
endet, von einer packenden Wir-
kung. Die Schmiegsamkeit und
Agilität des Körpers kommen be-
sonders in dem assyrischen „Tanz
der Sklavin“, dem römischen
„Tanz der Verfolgten“, dem altgriechischen „Bienentanz“ und dem nach dem
Chopinschen Trauermarsch getanzten Tanz „Die Personifikation des Schmerzes“
zur Geltung. Wie das Programm besagt, will die Tänzerin den seelischen
Schmerz durch einen fortwährenden Wechsel der Körperlinien und im künstle-
rischen Ausdruck zur Geltung bringen. Leicht und gefällig wird der Bacchanten-
tanz mit dem auch in „Bent-Anat“ tätigen Partner Charles Groubert
getanzt. Als „Phryne“ versetzt uns die Tänzerin in die
altgriechische Zeit und erinnert an das Modell des
Praxiteles, das sich in seiner hüllenlosen Schön-
heit den Richtern zeigte. Eigenartig und trotz
der geringen Bekleidung dezent wirkt der
hinter einer straff gespannten weißen
Leinenwand exekutierte griechische „Sil-
houettentanz“. Ein nach Waldteufel-
schen Klängen getanztes „Tanzspiel mit
Schleiern“ war äußerst wirkungsvoll.
Wer den Vorstellungen der Villany bei-
gewohnt hat und ein ehrliches Urteil ab-
geben will, wird offen gestehen müssen,
daß die in Berlin dargebotenen Tänze jeder
Indezenz entbehrten und ein rein künstleri-
sches Wollen verrieten. Sie bewiesen auch,
daß die Tänzerin ihren Körper geradezu erstaunlich
in ihrer Gewalt hat; daß jede Muskel, man möchte
sagen, jeder Nerv ihr „aufs Wort“ pariert. F. B.

Adoree Villany. Phot. Bert, Paris.

Gustav Rickelt in seinem Arbeitszimmmer.

Phot. Zunder & Labisch, Berlin.
 
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