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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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23. Heft
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Wolter, Franz; Kaulbach, Friedrich August von: Fritz August von Kaulbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0689

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Copyright 1905'by Franz Hanfstaengl. München.
F. A. v. Kaulbach: Geraldine Farrar.

Fritz August von Kaulbach.
Von Franz Wolter.
*- [Nachdruck verboten.]
Epoche nur den Motiven zuliebe den Kostümschrank der Renaissance plünderten,
sondern das rein Stoffliche trat bei ihm in den Hintergrund, um an dessen Stelle
dem innerlich warm pulsierenden Leben Geltung und Ausdruck zu verschaffen.
Immer mehr tauchen jene lieblichen Frauengestalten auf, die in den späteren
Jahren sich dann zu jenen herrlichen Schöpfungen verdichten, in denen der
Meister seine ganze Kunst der tiefempfundenen Menschendarstellung gab.
Hier lagen schon die Ansätze, die zur Psychologie der Frau ihre ersten zarten
Sproßen zeigte. Und merkwürdig, das, was alle Kunst in ihren Kämpfen und
Ringen stets gesucht hatte, fiel Kaulbach zur Lösung zu. Schon die alt-
deutschen Künstler rangen nach Beseelung ihrer Gestalten, nicht minder Dürer,
Holbein und die glänzenden Sterne am Himmel flämischer, holländischer und
italienischer Kunst, von Giorgione und Titian bis auf Rubens und van Dyck.
Dieser ganze Renaissancegeist stand aber mehr objektiv der Menschen-
schilderung gegenüber, was ihn für uns wertvoll macht, ist die malerisch dekorative
Haltung in erster Linie. Daher blieb auch das Schaffen dieser Meister Kaulbach
nicht fremd, und wer einen Blick in sein Atelier, seine Wohnräume getan, wo
Kunstwerke aller Zeiten in wechselvollem Rhythmus den Innenraum beleben,
der erkennt auch, daß alles dem Meister dienstbar wurde, der nicht nur es ver-
standen hat diesem Hause eine aparte Stimmung von Behaglichkeit und Glanz
zu verleihen, sondern der aus einem solchen Milieu täglich neue Anregungen
zum Schaffen sich holte. — Diese Beziehungen zwischen Besitzer und Kunstwerk
werden ja für jeden um so wertvoller je höher das künstlerische Urteil ist. Die

wir in unseren Tagen nach der langen Herrschaft eines rück-
tslosen Realismus laute Stimmen vernehmen, so sind es dem,
recht zu hören versteht, Rufe nach Inhalt, nach Beseelung der
Form. — Nicht die Oberfläche, nicht die Geschicklichkeit allein ist das Endziel
der Kunst, es liegt weiter, höher. Eine unumstößliche Gesetzmäßigkeit ist mit
ihm verknüpft, wird sie nicht befolgt, dann sehen wir eine Kunst entstehen, die
einer wurzellosen Pflanze gleicht, die schnell dahinwelkt, weil sie den Anschluß
an das Empfindungsleben verloren.
Kaulbach gehört zu jenen starken Naturen, die stets im innigen Zusammen-
hänge mit alter Kultur standen, sie nie aufgaben, sondern aus ihr heraus die
logischen Konsequenzen zogen und in modernem Geiste sie uns übermittelten.
Mag die ganze künstlerische Entwicklung des Meisters von seiner Jugend-
erziehung an viel zu diesem festen Standpunkte beigetragen haben, mag er,
durch seinen Vater Friedrich Kaulbach, in Hannover, später in München, Paris
Und vor allem bei den Großen der Renaissance sich Anregungen geholt haben,
stets blieb er sich selbst treu; stets war jedes Bild, jede Studie seiner Hand ein
echter Kaulbach ohne Erinnerung an irgendein fremdes Vorbild. Daß der Meister
in der Zeit der Renaissancefreudigkeit seinen Tribut zollte, indem er in den 6oer
Jahren minnigliche, zarte Edelfräulein malte, im Gewände und Geschmack des
16. und 17. Jahrhunderts beweist eben, daß er auch damals ein Kind seiner Zeit
war. Aber schon in diesen Gestalten war es nicht die reine Äußerlichkeit, das
Kostümliche, das er betonte, wie die große Schaar der Maler, die in derselben


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