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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 5
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Wiener Kunst. Die Todesfälle des Jahres 1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0256

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226

Gestalten zu malen Eine Abbildung nach einem derlei
Bilde findet sich in der »Heimat« (VI, S. 597). Kurze
Nekrologe standen im Wiener Fremdenblatt und in der
Neuen freien Presse vom 28. Juni. Am 3. Mai, 3. Juli
und 8. November meldeten die Wiener Tagesblätter das
Ableben der Maler Franz Folkner, des Kupferstechers
Karl von Sie gl und des Malers Jos. Kis. Ernst
Pessler, ein Nachzügler der Wiener Romantik, ist am
27. April im 62. Lebensjahre gestorben. Ich kenne
zahlreiche Aquarelle und Zeichnungen von diesem Künstler
(Kurzer Nekrolog im Deutsch. Volksbl. v. 29. April 1900).
Nach Angabe des »Wiener Almanachs« ist am 22. Oc-
tober der Landschaftsmaler Carl Lafitte verstorben.
Unter den Architekten, deren Ableben zu berichten
ist, waren Wilhelm Ritter v. Doderer und Wilhelm
von Flattich die hervorragendsten. Flattich war
geborener Stuttgarter und ist erst in den 60er Jahren
nach Oesterreich gekommen, wo er durch zahlreiche
Bahnhofbauten der Südbahn, durch einige Hotels und
Villen bleibende Spuren hinterlassen hat. Flattich, 1826
geboren, starb am 24. Februar 1900. (Nachrufe standen
in der Zeitschrift des österr. Ingenieur- und Architekten-
Vereins von 1900, Nr. 9, und in den meisten Wiener
Tagesblättern). Doderer war zu Heilbronn am Neckar
1825 geboren. Gleich Flattich hatte er seine Studien
in Stuttgart gemacht. Später lernte er auch in Berlin
und Wien. 1866 wurde er Professor an der technischen
Hochschule in Wien. Sein Hauptwerk ist das Gebäude
des Generalkommandos in Wien. Seine Biographen
nennen auch den Neubau des Herkulesbades bei Mehadia,
den ich nicht aus eigener Anschauung kenne. Auch
als Schriftsteller war Doderer gelegentlich thätig. So
schrieb er vor Jahren in die Zeitschrift für bildende
Kunst über neue Wiener Bauten. Leopold Bartelmus,
der Architekt, starb in Wien am 12. oder 13. März.
Ferner ist der Architekten Joh. Zemann und Menge-
mann Ableben zu verzeichnen. Zemann ist am 30. Juli
zu Degerloch bei Stuttgart gestorben. Er war eine
zeitlang in Wien als Dozent thätig. Auch Mengemann
hat in Oesterreich gewirkt. Er wanderte dann nach
Ungarn aus und hat sich zu Budapest gegen Ende
August 1900 entleibt (Nachrichten der Neuen Freien
Presse vom 2. und 28. August 1900).
Unter den Verlusten des Jahres 1900 ist unmög-
lich der Hingang einiger Kunstfr eunde und Kunst-
forscher zu übersehen. So ist Nicolaus Dumba,
am 23. März vom Leben abberufen worden. Dumba’s
Name ist unzertrennlich vom Glanz der Wiener Makart-
periode. Ist doch das Schreibzimmer Dumba’s mit dem
Makart’schen Friese einer der vornehmsten Innenräume,
die in der angedeuteten Periode geschaffen worden
sind. Späterhin war Dumba nicht immer ebenso glück-
lich in ähnlichen Angelegenheiten. Der ungewöhnliche
Reichtum des kunstfreundlichen Mannes und seine her-
vorragende gesellschaftliche Stellung erklären es, dass
nach seinem Ableben an allen Enden Nekrologe ge-
druckt worden sind. Auch die Musikwelt hat in diesem

Falle den Tod des reichen Mäcens zu beklagen, da
Dumba, ein begeisterter Verehrer Franz Schuberts,
sich auch lebenden Musikern gegenüber fördernd und
aufmunternd verhielt. Das Jahr 1900 hat uns auch
den wackeren Boeheim entrissen, der durch seine
ausgedehnten Kenntnisse auf dem Gebiete der Waffen-
kunde einen grossen Ruf genoss. Wendelin Boeheim
(geboren am 17. September 1832 zu Wiener Neustadt
als Sohn des Historiographen der »allzeit getreuen«
Stadt, gestorben am 1. Novemb. 1900 zu Wien) hatte
einen feinen Blick für’s Technische und für’s Künst-
lerische. Er war kein gewöhnlicher Bücher-Mensch, son-
dern verfügte über eine vielseitige, auch über künstlerische
Begabung. Wer ihn näher kannte, erfreute sich an seinem
köstlichen Humor, der im Gespräch, gelegentlich auch
in feuilletonistischcn Arbeiten zum Ausdruck kam. Boeheim
war Offizier und dadurch wurde er auf die Waffenkunde
geführt, ein Gebiet, auf welchem er eine ausgebreitete
schriftstellerische Thätigkeit entfaltete; zumeist schrieb
er über die Waffensammlung in der Ambrasersamm-
lung zu Wien, deren Neuaufstellung im Hofmuseum
Boeheim, soweit er freie Hand hatte, musterhaft be-
sorgte. Vor einigen Jahren war Boeheim zum Director
der Kunstgewerblichen Abteilung des Wiener Hofmuseums
ernannt worden. Eine zeitlang vorher entfaltete Boeheim
eine dankenswerte Thätigkeit im Wiener Altertums-
vereine. Ein jüngerer Beamter am Wiener Hofmuseum
Dr. Hermann Dollmeyr ist leider ebenfalls in den
Wiener Nekrolog aufzunehmen. Dollmeyr fing eben
an, sich tüchtig in’s Bilderfach einzuarbeiten, als ihn ein
rascher Tod hinwegraffte (um die Mitte März). Aber-
mals die Hofsammlungen betrifft der Verlust, der mit
dem Ableben des Vicedirectors der Hof-Bibliothek
Eduard Chmelarz gegeben ist. Chmelarz, ehedem
Bibliothekar am oesterr. Museum für Kunst und In-
dustrie, war seit Jahren Leiter des Kupferstichkabinets
der Wiener Hofbibliothek. Er starb am 12. October.
Ein begeisterter Kunstfreund war der Schriftsteller Karl
Goldmann, der sich vor mehreren Jahren um die
Leitung der »Weltpost« Verdienste erworben hat, in-
dem er eine Reihe namhafter Kunstgelehrter zu Mit-
arbeitern zu gewinnen wusste. Goldmann, am 18. März
verstorben, war hauptsächlich als Theater- und Kunst-
referent der Hamburger Nachrichten thätig.
Mit den bildenden Künsten stets in einer gewissen
Fühlung muss Ernst Wahliss zum Schluss noch ge-
nannt werden. Er ist am 18. oder 19. Juli im 64.
Lebensjahre gestorben. Wahliss war Begründer der
Firma, deren Handel mit Porzellanwaren und deren
Porzellanerzeugung in der (ehemals Stellmacher’schen)
Fabrik zu Turn bei Teplitz geradewegs weltbekannt
ist. Sein ältester Sohn Hans führte die Leitung der
Turn-Teplitzer Fabrik. Auch dieser kunstbegabte noch
junge Mann ist im Laufe des Jahres 1900 (am 3. Oct.)
gestorben.
Wien, Anfangs Januar 1901.
Dr. Th. v. Fr.
 
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