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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 6
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Bassermann-Jordan, Ernst von: Dominicus Auliczek: sein Leben und seine Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0289

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258

In Wien scheinen Raffael Donners frühe, den Zielen
des Barockstiles entgegenlaufende Bestrebungen nach
grösserer Einfachheit und Ruhe unseren Künstler so
wenig nachhaltig beeinflusst zu haben, wie die übrigen
Wiener Plastiker, die mit Ausnahme einiger weniger
Ausländer schon im reinen Rokokostile arbeiteten.
Unter diesen Ausnahmen ist vor allem Lorenzo Mattielli
zu nennen, der zu architektonischen Werken Gaetano
Chiaveris den plastischen Schmuck im Stile der Nach-
folger Berninis geliefert hat.
Als Auliczek dann in Paris arbeitete, stand die
ganze dortige Künstlerwelt im Zeichen des Rokoko,

viel eingelernte Manier und billige Theatereffekte, ein
Naturalismus, der zwar besticht, doch niemals überzeugt,
meist jedoch grossen dekorativen Wirkungen nicht
hinderlich ist.
Auch Auliczek wurde in Rom ein später Bernini-
schüler und schuf monumentale Arbeiten. Wir
wissen von einer 16 römische Fuss hohen Marmorgruppe,
einem grossen Krucifix und zwei dekorativen Tonstatuen
für den Katafalk der Königin von Spanien. Obwohl
diese Arbeiten heute verschollen sind, dürfen wir doch
mit gutem Grunde annehmen, dass auch Auliczek sich
in Rom von der allgewaltigen Strömung hat treiben


DOMINICUS AULICZEK
Kindergruppen
im Nymphenburger Hofgarten.

eines schlankeren, feineren, ruhigeren Rokokostiles, der
zu jenen süddeutschen Arbeiten, mit denen Auliczek
später bekannt werden sollte, in so bedeutendem Gegen-
sätze steht.
Zunächst folgte Auliczeks sechsjähriger Aufenthalt
in Rom, der auf die Entwickelung seines Stiles von
grösstem Einfluss wurde. 1680 war Bernini gestorben,
aber noch arbeiteten die römischen Plastiker in seiner
Weise und suchten nach noch kräftigeren und gewalt-
sameren Mitteln und Wirkungen. Dem mächtigen Ein-
flüsse dieser Kunst wusste sich auch das starke Kon-
tingent französischer Künstler in Rom nicht zu entziehen,
von denen einige »berninischer als Bernini selbst«
arbeiteten. »Affekt um jeden Preis« ist die Losung,

lassen und im Stile des späten römischen Barockes ge-
arbeitet hat.
Und so mächtig und nachhaltig war der Einfluss
der römischen Studienjahre, dass dieser Barockstil noch
erkennbar ist an Auliczeks Arbeiten, die er seit 1765
in Nymphenburg, inmitten eines ganz anders geschulten
Künstlerkreises und unter ganz anderen künstlerischen
Bedingungen geschaffen hat. In Bayern stand das
Rokoko in vollster Blüte, ein Rokoko, viel bewegter
als es Auliczek in Frankreich kennen gelernt hatte:
ein Stil von oft ausgelassener Tollheit und stets von
ausgeprägtem Lokalcharakter. Cuvillies Arbeiten für
den Münchener Hof waren vollendet. Ein ganzer Kreis
namhafter Künstler, die zum grossen Teil in Wien ihre
 
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