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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 8
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Weber, Anton: Der heilige Hieronymus: ein neu aufgefundenes Gemälde Albrecht Dürers
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328

Zuckerrohre, wie sie wachsen“. — „Der Roderigo hat
meinem Weibe einen kleinen, grünen Papagei geschenkt“.
— „Der Roderigo schenkte mir etliche kalikutische
Federn“.1) —- „Der Roderigo schenkte mir 6 indianische
Nüsse“ (wohl Kokosnüsse). — „Der Roderigo hat mir
starken Wein und Austern geschenkt.“ — „Der Roderigo
schenkte mir einen Bisamknopf, wie er aus dem Bisam-
tier geschnitten wurde; auch ein Viertelpfund Persinen,2)
eine Schachtel voll Quittenlatwerge und eine grosse
Schachtel voll Zucker“. „Der Roderigo, Scriban de
Portugal, schenkte mir zwei kalikutische Tücher, das
eine seiden, und schenkte mir ein schmuckes Barett,
einen grünen Krug mit Myrobalanen“ (birnförmige, ost-
indische Früchte, welche als Heilmittel benutzt wurden),
„und einen Ast von einem Zedernbaum, ist zusammen
10 Gulden3) wert.“ — „Der Roderigo schenkte mir aber-
mals zwei Schachteln mit Quittenlatwerge und viel von
allerlei Zuckerwerk“. — „Der Roderigo' hatte mir ge-
schenkt sechs indianische grosse Nüsse“, d. i. Kokos-
nüsse, „einen ganz besonders hübschen Korallenstamm
und zwei portugiesische grosse Gulden, wiegt einer
zehn Dukaten“.4)
Um nun seine Dankbarkeit und Anhänglichkeit dem
reichen Handelsherrn und freigebigen Gönner zu er-
weisen, widmete Dürer ihm das Oelgemälde, wie er
auch in anderen Fällen seine Erkenntlichkeit auf diese
Weise zum Ausdruck brachte. Wohl hatte der Portu-
giese dem Künstler viel von dem prächtigen Bau des
Hieronymitenklosters von Belem5) bei Lissabon erzählt,
zu welchem König Emanuel der Glückliche im Jahre 1499,
voll des Dankes für die Entdeckung des Seeweges nach
Ostindien, den Grundstein gelegt hatte. So musste ein
Bild des Kirchenlehrers, nach welchem sich der Orden
nannte, dem Südländer willkommen sein. Dann war ein
„Hieronymus mit dem Totenkopfe“ ein stetes Memento
mori, welche Auffassung Inschriften wie „Cogita mori“
— Bedenke, dass du stirbst — oder „Homo bulla“ —
Der Mensch gleicht der Seifenblase — auf niederländ-
ischen Bildern ausdrücklich betonen, und dieser Ge-
danke mochte zur Stimmung des erkrankten Meisters
passen.
Prüfen wir nun das Bild auf seine Dürersche Her-
kunft, so tritt zunächst die Geschichte des Gemäldes
für Dürer ein. Das Bild ward durch Ruy Fernandes
de Almeida, Gesandten des Königs Joao (= Johann) III.
(1521—1554) nach Portugal gebracht. Dom Jose Joaquim
de Almada Castro Noronha Lobo, ein Nachkomme des
erwähnten Grafen, bewahrte dasselbe auf einer Besitzung
im Marktflecken Azeitao nächst der Seestadt Setubal.
Vor seinem Tode vermachte er es dem Verwalter seines
Hauses, Alberto Henriques James Gomes de Oliveira,
welcher es im Jahre 1880 an die portugiesische Re-
gierung für die Bildergalerie in Lissabon verkaufte.
1) Wahrscheinlich Federn vom Truthahn, der kalikutischer (von
der ostindischen Seestadt Calicut, verderbt aus Kolikodu) Hahn, in Frank-
reich Indian genannt wurde. Der prächtige (z. B. Meleagris ocellata,
Meleagris Mexicana) Vogel war erst im Jahre 1520 aus der neuen Welt
nach Spanien gekommen.
2) Wohl getrocknete Pfirsiche, welche man wie unsere Hutzeln
kocht. M. Thausing (Dürers Briefe, Tagebücher und Reime, Wien 1872,
S. 108, 225) denkt an Persio, einen dunkelroten Farbstoff, den roten Indigo,
Orseille violette. Aber im Zusammenhänge mit den anderen eingemachten
Früchten, die dem kränkelnden Dürer Erleichterung verschaffen sollten,
ist erstere Erklärung vorzuziehen.
8) Dürer meint wahrscheinlich Nürnberger Goldgulden ä 6 M. 80 Pf.
Goldwert; weil die Kaufkraft des Geldes damals viermal grösser war,
entsprechen die zehn Gulden heutigen 272 Mark.
4) Vergl. über den damaligen Geldwert das oben Gesagte.
5) Convento dos Jeronymos de Bel£m (Bethlehem).

Dann trägt das Oelgemälde die Beglaubigung
von der Hand des Meisters an sich. Nach Art des
Dürerschen Madonnenbildes: „Maria mit dem Zeisig“
vom Jahre 1506 steht auf einem Zettel’) die Jahres-
zahl „1521“ und das Monogramm Dürers. Wir kennen
zudem kein anderes Bild des hl. Hieronymus vom Jahre
1521. Die Annahme, dass man in Portugal, wo man
den deutschen Maler weniger verstand und schätzte,
eine Fälschung vorgenommen oder eine Kopie gemacht
habe, ist von vornherein abzuweisen. Denn den Portu-
giesen sind die grossen Schöpfungen der klassischen
Kunstperiode Italiens und der Spanier sympathischer
als die realistischen Dürerschen Gemälde, die der Ab-
rundung und glänzenden Schönheit ermangeln. Während
Abbildungen von jenen Werken in Fülle vorhanden
waren, konnte ich bei meiner Anwesenheit in Lissabon
weder im Museum noch ifi einem Kunstladen eine Ab-
bildung des Dürerbildes erwerben. Durch meine Ver-
mittlung wurde es zum erstenmale photographiert.
Ausserdem ist das Gemälde einigermassen mit der Studie
Dürers in der Sammlung Lanna zu Prag, sowie dem
Holzschnitte vom Jahre 1511 und dem Kupferstiche vom
Jahre 1514 verwandt; die Beigaben: Kruzifix, Toten-
schädel, Bücher, Tintenfass, Feder sind die gleichen.
Wie hier der Kardinalshut-') an den weisen Ratgeber
des heiligen Papstes Damasus erinnern soll, so weist
dort — beim Gemälde — die rote Kleidung auf diese
seine Thätigkeit — in anachronistischer Weise — hin.
In der Aufzeichnung Dürers heisst es, dass er den
„Hieronymus fleissig gemacht“ habe. Diesen Fleiss
lernen wir sowohl aus den noch vorhandenen Studien,
welche Dürer zu dem Gemälde gezeichnet hat, als
auch aus der Ausführung des Bildes selbst kennen.
Wir besitzen nämlich von keinem anderen Ge-
mälde Dürers äusser dem in der Münchner Residenz
verbrannten Hellerschen Altarbilde eine so sorgfältige
Vorbereitung durch Zeichnungen wie von unserem Hiero-
nymus-Bilde. Allerdings mag es ein Zufall sein, der
uns aufbewahrt hat, was in anderen Fällen verloren
gegangen ist. Die fünf Zeichnungen, sämtlich auf
dunkelrotes Papier in Tusch, mit Bleiweiss gehöht, sind
der Kunstwissenschaft durch Veröffentlichungen längst
bekannt, ohne dass man von deren Verwertung eine
Ahnung hatte.
Für den Kopf ist massgebend gewesen der be-
rühmte, prächtig modellierte Greisenkopf (Taf. II),
welcher sich jetzt in der Albertina zu Wien befindet;
er gehört zu den bekanntesten und trefflichsten Zeich-
nungen des Meisters. Rechts vom Haupte, oben in
der Ecke zeigt die Zahl „1521“ das Jahr der Entstehung
an; unter der Zahl sieht man das Monogramm Dürers.
Ueber der Mütze hat der Künstler eigenhändig ge-
schrieben: „Der Mann war alt drei und neunzig Jar
und noch gesund und fermuglich (d. h. bei Kräften)
zu Antorff“ (= Antwerpen). In ganz ähnlicher Weise wird
der Kopf von der flachen rechten Hand gestützt, quillt
das Haar unter der gleichen Kappe hervor, wird das
Haupt- und Barthaar behandelt. Nur tritt der Unter-
arm auf dem Blatte weniger in den Gesichtskreis, und
wollte der Meister in dem Gemälde die Augen gerade-
aus blicken lassen, während die Albertinazeichnung den
P Vergl.: A. Weber, „Albrecht Dürer“, 2. Aufl. Regensburg 1894,
Seite 24.
2) Der rote, breitkrempige Hut ward erst durch Papst Innocenz IV.
auf dem ersten Konzil von Lyon im Jahre 1245 den Kardinalen verliehen.
 
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