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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 8
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Frimmel, Theodor von: Bilder von seltenen Meistern, 9, Zu Vitrulio
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0372

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332

wohl auch die kräftig behandelten Blumen im Vorder-
gründe, sowie der alte Malgrund, der aus grob ge-
köpertem Gewebe besteht.
Das zweite Bild des Vitrulio, das Boschini nennt
und das uns im Palazzo reale zu Venedig erhalten ist,
zeigt rechts auf dem Marcuslöwen sitzend die jugend-
frische, und vollformige Venezia, welche mit der vor-
gestreckten Rechten der herankommenden Siegesgöttin
einen Lorbeerkranz über das Haupt hält, beziehungs-
weise aufsetzt. Oben in den Lüften eine schwebende
Figur mit einer Trompete. Zwischen den Haupt-
figuren blickt man auf ein Stück des Canal grande.
Auf dem Postament des Thrones die Inschrift „HOS
TIBI DAT LAVROSHEN ACCIPE MATER“. (Diesen
Lorbeer reicht Dir die Mutter; nimm ihn hin). Unter
dieser Inschrift ein Wappenbild mit dem Abzeichen
der Malipiero. Links davon „V“, rechts „M“. Diese
Zusammenstellung von Initialen und Wappen wurde
oben besprochen. — Zähe pastose Malerei. — Grobes
geköpertes Gewebe.
Sicher hat „Vitrulio“ mehr Bilder gemalt, als Boschini
von ihm anführt. Die zwei beglaubigten Stücke ver-
raten eine geübte Hand. Die Frage ist gar nicht zu
unterdrücken, wo sind noch andere Bilder von seiner
Hand zu finden? Eines möchte ich nach den Analogie-
schlüssen der Stilkritik unserem Meister mit Bestimmt-
heit zuweisen. Es ist eine Blendung des Saulus, ein
vielfiguriges Bild der Galerie Querini in Venedig.
Dr. Gustav Ludwig und ich, wir sind jeder unabhängig
von einander auf dieselbe Benennung gekommen. Das
Bild wird als Bonifazio geführt.
Eine alte Notiz leitet mich auch in die Scuola di
San Giovanni Evangelista, doch wage ich es nicht,
ohne neuerliche Ueberprüfung Bestimmtes mitzuteilen.
Ich meinte ein kleines Bild mit Christus auf dem Oel-
berge (Christo nel orto) dem Vitrulio zuschreiben zu
sollen, da mich die Gesichtsbildung des Schlafenden
unten mitten an eine ähnliche auf dem sicheren Bilde
der Accademia erinnerte und da überdies Colorit und

Technik nach der Richtung Vitrulio hinwies. Das Bild
hatte keinen Namen und befand sich in der Cancelleria
der genannten Scuola di San Giovanni Evangelista.
Unentschieden bleibt es auch noch, ob Vitrulio an
dem Bilde Nr. 394 der Wiener Galerie irgend welchen
Anteil hat. In meiner „Geschichte der Wiener Gemälde-
sammlungen“ (I. 414) ist die Möglichkeit eines solchen
Zusammenhanges angedeutet.
Mit grossem Vorbehalt nenne ich auch den Namen
Vitrulio für einige Partien des berühmten Sturmbildes der
Accademia zu Venedig. (Photographie Anderson 13110).
Ich habe 1897 meine Beobachtung mündlich mehreren
Kunstgelehrten mitgeteilt. Eine genaue technische
Beurteilung des Bildes, das sehr gelitten hat, ist noch
ausständig, so viel auch über die verschiedenen
Benennungen dieser mannigfach zusammengestückelten
Leinwand geschrieben worden ist. Das alte Stück
rechts oben dürfte dem alten Bilde angehören, das
durch Vasari als Palma vecchio beglaubigt
ist. Der mittlere Abschnitt mit den nackten Männern
scheint ein wenig später zu fallen, und erinnerte mich
lebhaft an Vitrulio. Eine Benennung ist leichter aus-
gesprochen, als bewiesen, und ich begnüge mich bis auf
weiteres mit der obigen Andeutung und mit dem
Wunsche, dass eine tüchtig geschulte junge Kraft sich
eingehend mit den Schicksalen und den verschiedenen
Benennungen des einst so berühmten, jetzt unter-
schätzten Bildes beschäftigen möge. Die Benennung
Giorgione ist wohl ebenso abgethan, wie die Paris
Bordone. Aber mit Palma vecchio so geradehin geht
es doch auch nicht.
Zu Vitrulio erwähne ich noch, dass Dr. Gust.
Ludwig im Archivio di Stato zu Venedig den Zunamen
des Malers ermittelt hat. Danach hiess Vitrulio mit
seinem zweiten Namen „Buon consiglio“. So teilte
mir Ludwig vor einigen Jahren brieflich mit. In jüngster
Zeit erhielt ich die Nachricht, dass Ludwig sein reich-
liches Material über das Leben des Vitrulio demnächst
veröffentlichen wird.
 
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