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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 9
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Koch, Günther: I. Ausstellung für Kunst im Handwerk, München 1901
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375

müssen : Um so instruktiver ist in dieser Hinsicht
der uns in den Zimmern der Ausstellung entgegen-
tretende Nachweis, „dass sich mit entsprechend
gewählten Tapeten, Teppichen und Farbe doch
künstlerische Gesamtwirkungen erzielen lassen“. Die
einzelnen Zimmer sind eingerichtet und arrangiert
von dem erfindenden Künstler, dessen Namen sie
tragen. Nur die Räume Richard Riemerschmids
machen hiervon eine Ausnahme. Die von diesem
Künstler vorhandenen Einrichtungen umfassen
Arbeiten von ihm bis zum Jahre 1899. Einige der-
selben will Riemerschmid heute nicht mehr künst-
lerisch vor der Oeffentlichkeit vertreten, die Ver-
einigten Werkstätten für Kunst im Handwerk, deren
Eigentum die betr. Einrichtungen sind, haben aber
geglaubt, auch diese Stücke auszustellen, selbst
gegen den Willen des Künsters, und das ist sicher
um so erfreulicher, als es uns ermöglicht, auch
den Entwicklungsgang dieses Künstlers wie den der
andern verfolgen zu können. Beginnen wir die
Wanderung, so empfängt uns ein einfacher Vorplatz
(Möbel, entworfen v. F. A. 0. Krüger 1898, Tapeten
nach Entwurf von Otto Eckmann, Berlin). Besonders
bemerkenswert ist hier der grosse, von Riemerschmid
1899 entworfene Wäscheschrank (in Zirbenholz,
innen poliert, Beschläge in Schmiedeeisen). Unter
den folgenden Räumen sei gedacht der bei aller
Einfachheit und Gemütlichkeit hocheleganten Küche
(von Riemerschmid entworfen 1898), des einfachen
Schlafzimmers (in Fichtenholz, braun poliert), ent-
worfen von Bernhard Pankok 1898 und des reichen
Speisezimmers (in Wassereichenholz mit Intarsien),
entworfen von demselben Künstler i. J. 1900, des
Kinderzimmers (in Fichte, gestrichen mit poliertem
ungarischen Escheneinlagen) entworfen von Karl
Bertsch und 0. Ubbelohde 1899, des Schlafzimmers
(in Birnbaumholz, schwarz poliert, Mahagoniholz
und ungarisch Eschenholzfüllungen) nach Entwurf
von Bernhard Pankok 1898/99, des reichen Speise-
zimmers (in naturfarbenem Mahagoniholz, poliert
mit Wassereichenholz) nach Entwurf von Bruno
Paul 1898/99, des Schlafzimmers (in naturfarbenem
Mahagoniholz, poliert) nach Entwürfen von Richard
Riemerschmid 1897/98, des Wohnzimmers (ebenso),
nach Entwurf desselben Künstlers, des Salons, in
Kirschbaumholz, poliert mit Intarsia von Bruno
Paul 1901 — Beispiel eines auch in der Raum-
gestaltung durchgeführten Zimmers — des Musik-
zimmers (in Wassereichenholz und Padouk) nach
Riemerschmidschem Entwurf. Sodann sind zu er-
wähnen, das Rauchzimmer von Bernhard Pankok
— in amerikanischem Nussbaumholz reich ge-
schnitzt, mit poliertem Kirschbaumholz, ganz ge-

täfelt — und das Jagdzimmer von Bruno Paul —
ganz in Rüsterholz getäfelt, mit grossem Intarsia-
fries und geschnitzten Deckenkonsolen — beide
Zimmer waren schon auf der Pariser Weltaus-
stellung, ohne jedoch dort zu so vorteilhafter
Wirkung zu gelangen.
Obwohl mit vorstehender Aufzählung die Reihe
der Zimmereinrichtungen noch lange nicht erschöpft
ist, wende ich mich der II. Hauptabteilung der Aus-
stellung, den Fachgruppen zu. Hier will das Komite
zeigen „eine wie grosse Menge von Gegenständen
für den Gebrauch des täglichen Lebens schon in
guten, modernen Formen existieren, sodass es heute
durchaus möglich ist, sich einzurichten, ohne An-
leihe bei den Dekorationsformen alter Stilarten zu
machen?4 Aufs glänzendste ist die neue Münchner
Keramik vertreten, Theo Schmutz-Baudiss, J. J. Schar-
vogel, Magnussen, die Familie von Heider repräsen-
tieren hier die Moderne. Bemerkenswert sind die
Kunstgläser von J. Schneckendorf; des Interessanten
viel bietet die Abteilung der Bronze- und Metall-
waren, die u. A. allerlei Beleuchtungskörper um-
schliesst, und der auch allerlei Uhren nach modernen
Entwürfen beigegeben sind. Unter den Edelmetall-
arbeiten sind reizvolle Stücke zu erwähnen von
Eugen Berner, Theodor von Gosen, Professor Karl
Gross (Dresden), Paul Haustein, F. A. 0. Krüger,
Ignatius Taschner, u. A. In der letzten dieser
Fachgruppen, der der Stickereien und Lederwaren
treffen wir Kissen, Decken, Wandbehänge in Appli-
kationsarbeit und Weberei, nach Entwürfen von
Margarethe Brauchitsch, Elisabeth Erber, Bernhard
Pankok, Richard Rochga, Margarethe Susmann etc.
Das Komite hat sich nicht auf den engherzigen
Standpunkt des Unterscheidens zwischen hoher
Kunst und Kleinkunst gestellt, sondern sich ange-
legen sein lassen, neben der „angewandten44 auch
die sogenannte „reine44 Kunst der Ausstellung ein-
zugliedern. Wir finden Gemälde, Handzeichnungen,
Farbendrucke, Lithographien nicht nur als Schmuck
in die Zimmereinrichtungen eingelassen, sondern
einen eigenen Raum, ausschliesslich den zeichnenden
und vervielfältigenden Künsten gewidmet. Ganz
abgesehen von dem Interesse, das die hier ver-
einigten Oelgemälde, Aquarelle und Zeichnungen,
— besonders interessant ist die Kollektivausstellung
von Originalen des „Simplizissimus44 — an sich
besitzen, sind sie der schlagendste Beleg, dass die
Repräsentanten der „Kunst im Handwerk44, Bernhard
Pankok, Eugen Berner, F. A. 0. Krüger etc., nicht
wie die Gegner sagen, „nur Kunstgewerbler44,
sondern vollendete „Künstler44 sind in des Wortes
bestem Sinne. G. K 44
 
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