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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 11
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Walcher von Molthein, Alfred: Erinnerungsbecher aus dem Jahre 1547: Siegburger Kruggeschenke
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0478

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443

und Freunden des Kurfürsten Trinkbecher zum
Geschenke zu machen und die Ausführung der-
selben dem von ihm begünstigten Siegburg übertrug.
Wenn auch die Holzformen für die Medaillons
in Siegburg selbst, welches stets bedeutende Form-
schneider aufzuweisen hatte, hergestellt wurden,
so fehlten den dortigen Arbeitern doch die Zeich-
nungen für die 3 Portraits und müssen letztere, wie
bereits erwähnt, aus der Zeit stammend, unbedingt
an Ort und Stelle angefertigt worden sein. Herzog
Wilhelm von Jülich weilte auch nicht allzulange am
Hofe Karl V. Bald nach der Begnadigung des
Kurfürsten kehrte er wieder in seine Länder zu-
rück; er musste daher die Zeichnungen durch einen
in nächster Nähe ansässigen Künstler anfertigen
lassen. Dieser Künstler dürfte kein geringerer ge-
wesen sein als Lukas Cranach, Bürgermeister in
Wittenberg.
Meister Lucas, wie ihn der Kurfürst J. Friedrich
stets nannte, stand bereits bei dessen Vater als
pictor ducalis1) in Diensten, lieferte 1509 die Zeich-
nungen zu den sächsischen Münzstempeln und
malte wiederholt den Kurfürsten. Nach der Schlacht
bei Mühlberg liess Karl V. Cranach zu sich in
das Lager nach Bistritz rufen und teilte ihm mit,
dass er sich recht gut daran erinnere, wie ihn
Cranach 1509 in Mecheln als 8jährigen Prinzen
gemalt hatte-2)
Cranach weilte somit zu dieser Zeit in un-
mittelbarer Nähe des Kurfürsten und traf auch
mit dem Herzog v. Jülich, welcher nach Bistritz
kam, zusammen. Des Herzogs Wahl konnte
daher, als er einen Zeichner für seinen Becher
suchte, schwer auf einen anderen Künstler als auf
den gerade anwesenden Cranach fallen. Im Juni
1547 kehrte der Herzog über Köln in sein Herzogtum
zurück3) und konnte, die Zeichnungen Cranachs
mitnehmend, in Siegburg, welches nicht weit vom
Wege lag, seine Aufträge persönlich erteilen.
Die Portraits sind von einer gewissen Anmut
und teilweiser, den Arbeiten Cranachs so eigen-
tümlichen Naivität; speziell das Brustbild des Kur-
fürsten mit dem Schwerte ist ganz Cranachsche
Weise. Auf einem Thaler vom Jahre 1544 finden
wir beinahe die gleiche und auf einem Holzschnitt
vom Jahre 1535, welcher das Meisterzeichen Cranachs
trägt, genau dieselbe Darstellung. Der Bart erscheint
jedoch beim Thaler und Holzschnitt voll, während
er beim vorliegenden Portrait zugestutzt ist. Die
Portraits sind daher, was ich bereits bei dem Medaillon
„Alba“ besprochen habe, Originale, nicht vielleicht
Reproduktionen bereits vorhanden gewesener Bilder;
sie sind eigens zu dem genannten Zweck angefertigt
worden und zeigen uns die drei Personen, wie selbe
im Jahre 1547 ausgesehen.
Kruggeschenke waren speziell im Herzogtum
Jülich üblich. Bald wurden Krüge im Auftrage der
Herzoglichen Familie für deutsche Fürstenhäuser in
Siegburg angefertigt, bald war es wieder Siegburg
selbst, welches äusser den normierten Abgaben,
1) Wie er bei Scheuri in seiner 1508 gehaltenen akademischen Rede
ausdrücklich genannt wird.
2) Schuchardt, Lukas Cranachs Leben und Werke. Leipzig 1851.
3) J. F. Knapps Regenten und Volks-Geschichte der Länder Cleve,
Mark, Jülich, Berg und Ravensberg. Crefeld 1836.

welche die Töpferinnung dem Herzog, dem Abte
und der Stadt zu entrichten hatte und welche per
Ofen berechnet wurden'), dem Herzog, hohen Herren
und hochgestellten Beamten des Landes Ulwerk
zum Geschenk machte.
In den noch zuteil vorhandenen Stadtrechnungen
finden sich darauf bezügliche Posten z. B.: 1459
Item mynre vrauen van dem Berge2) geschenkt
an potten ind eyme boeden3), die potte zo dragen
zo Nydecken, gegenen IV mrc.
Auch bezüglich der an die Formschneider ge-
zahlten Preise finden wir in den Stadtrechnungen
einiges:
1587 Item von dem Wapen zu stechen gegeben
ein halber thaler.
1615. Item vur Graff Henrichs Wapen auszu-
stechen gegeben uff Pott betzalt sieben gülden.
War es mir einerseits möglich, den Auftrag-
geber, sowie den Portraitzeichner des Erinnerungs-
bechers mit ziemlicher Sicherheit nachzuweisen,
so sind anderseits bezüglich des Formschneiders
und des Töpfers nur Vermutungen zulässig. Die
teilweise noch erhaltenen Stadtrechnungen Siegburgs
weisen speziell in diesem uns hier am meisten
interessierenden Zeitraum eine empfindliche Lücke
auf.4) Möglicherweise wäre auch im Gegenfalle
ein Resultat nicht zu erzielen, wenn der Auftrag
des Herzogs direkt an einen Töpfer und somit
nicht an die Zunft ergangen ist.
In jener Zeit lebten und wirkten als Töpfer in
Siegburg: vier Mitglieder der Familie Knuetgen, zwei
Vlachs, ferner Johann Roloffs, Johann Neuss, Bertram
Oem und andere. Wenn ich mich unter diesen für
Johann Neuss, welcher 1536 Meister wurde, p
entscheide, so veranlasst mich dazu die Marke 1 Zj
welche sich auf einen ähnlichen Becher mit r*
der genauen Wiederholung des Albaportraits auf
Burg Kreuzenstein bei Wien vorfindet und welche
Marke ich als I —N deuten möchte.
Es ist jedoch auch die Deutung I -j- Z und
damit der Hinweis auf Johann Zeimans zulässig.5)
Ueber die rheinische Steinzeugindustrie, deren
Fabrikate seinerzeit hochgeschätzt, hierauf jedoch
durch zwei Jahrhunderte stiefmütterlich behandelt
wurden, ist seit 30 Jahren viel geschrieben und ihr end-
lich ein Platz im Kunstgewerbe eingeräumt worden.
Den Wenigen, welche den genannten Erzeugnissen
heute noch jeden Kunstwert absprechen wollen,
möchte ich einen Krug6) aus dem Jahre 1598 zeigen. —
Er trägt dieWorte: „DIT : IS : EIN : KVNST : DIE :
KVMPT : AVSZ : GOTTES : GVNST.
*) Laut Zunftbrief vom 31. Mai 1552 waren dem Abte aus jedem
Ofen 2 Bier und 2 Nürnberger-Pött ins Kloster am Feste des h. Anno
abzuliefern. Dornbusch, Kunstgilde der Töpfer in Siegburg.
2) Die hier genannte Frau von dem Berge ist Herzogin Sophie aus
dem fürstlichen Hause Sachsen-Lauenburg, Gemahlin Gerhard II. Herzog
von Berg-Jülich 1437—1457. Burg Niedeck war ihr Sommersitz.
3) Der Bote, welcher das Geschenk nach Niedeck zu bringen hatte.
4) Meine Nachforschungen wurden vom Bürgermeister von Sieg-
burg sowie von dem um die Geschichte Siegburgs hochverdienten Professor
Heinekamp in thatkräftigster Weise unterstützt. Leider wurde seinerzeit,
als Kaplan D. Dornbusch die Stadtrechnungen für seine Arbeiten benützte,
eine strenge Kontrolle über die Zurückstellung des Entliehenen unter-
lassen; hiedurch ist manches für immer verloren gegangen.
5) Die Form der Hausmarken ist häufig aus mehreren, an einen
stehenden Strich (Mercurstab, caduceus) gereihten Buchstaben zusammen-
gesetzt. Der Erbe der Töpferei behielt nun häufig die Marke bei und
so wurde sie allmählich, gleich dem Wappen, erblich.
6) Kunsthistorische Ausstellung zu Köln 1876, Catalogue de la vente
Minard Nr. 68. Ein gleiches Exemplar fand 1881 in der Auction Disch
für 2080 Mark einen glücklichen Ersteher.
 
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