1889.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 1.
der beigefügten Grundrifsskizze erläutert werden:
Durch die Pfeile wird die Bildfolge innerhalb
der einzelnen Gruppen bezeichnet, die Zahlen
folgen dem Gange des Gedankens und dienen
zur Beziehung zwischen Bildwerk und Text;
vorweg sei noch erwähnt, dafs die Darstellung
zwar einheitlich von West nach Ost fortschreitet,
die einzelnen Gruppen jedoch seitens des Be-
schauers wie eine Schrift von links nach rechts
abgelesen werden müssen.)
Der Westtheil der Kirche, der Raum der
Ritterbrüder, liegt im Halbdunkel. Tritt man
durch die gold'ne Pforte ein, so eilt das Auge
vorerst nach der Lichtquelle, dem Chor, wo
von der Altarwand das überlebensgrofse Halb-
bild des Heilandes herabsieht und im Gewölb-
schlufs die heilige Familie thront, von Engeln
umschwebt. Alsdann fällt das gesammelte Auge
auf den Bildfries.
Nun tritt die Erlösung der Menschheit ein
durch Christum, den Messias. Es ist dies bei
der gold'nen Pforte, also gerade in der Mitte
der Laienkirche, auf beiden Wänden zur Dar-
stellung gebracht: rechts durch die Mensch-
werdung des Heilandes (Nr. 29, Anbetung des
Christkindes durch Simeon), die Ueberwindung
der Sünde durch die Bufse (Nr. 30, Maria Mag-
dalena beim Gastmahl des Zöllners) lind durch
die Weltherrschaff des Kreuzes (Nr. 31, vier
Engel mit der kreuzgekrönten Weltkugel), —
links ist der Bildfries durch die in Relief her-
vorgehobene Gestalt des lehrenden Heilandes
(Nr. 32) unterbrochen und darüber ist die
Heilsthat selbst durch das Holzschnitzwerk des
Kruzifixus (Nr. 33) angebracht.
Von hier an bis zu den Chorstufen, also
im zweiten Theil der Laienkirche, sehen wir
die neue Kirche verherrlicht. Man zählt je
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Die Längswände des Laientheils, von der
Westwand an bis zu den Chorstufen, sind durch
eine Unterbrechung der Architektur bei der
gold'nen Pforte deutlich in zwei Theile geschie-
den. Der westliche enthält die Darstellungen
des Alten, der östliche die des Neuen Bundes.
An der Pforte bei 1 setzen wir den Anfang.
Die ersten Bilder 1—11 sind leider sehr zer-
stört gefunden, jedoch als alttestamentliche Ge-
stalten hinreichend gesichert. Jenseits nun setzt
sich mit Samuel (12) und den drei Königen
Saul, David und Salomo (13, 14, 15) die Reihe
der Vertreter der Heilsvorbereitung fort und
endet mit den Kriegsgestalten der Makkabäer,
Judas und Jonathas (27 und 28).
Bis hier breitet sich oberhalb der Bilder
ein schwerer Vorhang aus, unter welchem hin
und wieder ein Scheusal nervorgrinzt: das
bedeutet den Schleier der Unvollkommenheit,
welcher über den Satzungen des Alten Bun-
des lastet.
12 Bildfelder rechts und links, welche 12 Pro-
pheten und Apostel, abwechselnd angeordnet,
enthalten.
Die Reihe beginnt rechts bei 34 mit Petrus
und geht bis 45, springt dann über zur linken
Wand und läuft von 46—57. Die Propheten
tragen Schriftbänder, die Apostel weisen tri-
umphirend das aufgeschlagene Evangelium, und
statt des finsteren Vorhangs krönen lichte,
prächtig - phantasiereiche Giebelbauten diesen
Theil des Bildfrieses.
Wir überschreiten nun zwei Stufen zum Chor
und treffen an den Wänden eine abweichende
nämlich höher gerückte und mafswerkartig ge-
haltene Form der Blendbogen. —■ Hier wird
uns die Weiterentwickelung der christlichen
Kirche vorgestellt in den Gewährsmännern,
welche durch That, Lehre und Lebenswandel
in der Kirchengeschichte hervorleuchten und
welchen von der Kirche die Krone der Hei-
ligkeit zugesprochen ist.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 1.
der beigefügten Grundrifsskizze erläutert werden:
Durch die Pfeile wird die Bildfolge innerhalb
der einzelnen Gruppen bezeichnet, die Zahlen
folgen dem Gange des Gedankens und dienen
zur Beziehung zwischen Bildwerk und Text;
vorweg sei noch erwähnt, dafs die Darstellung
zwar einheitlich von West nach Ost fortschreitet,
die einzelnen Gruppen jedoch seitens des Be-
schauers wie eine Schrift von links nach rechts
abgelesen werden müssen.)
Der Westtheil der Kirche, der Raum der
Ritterbrüder, liegt im Halbdunkel. Tritt man
durch die gold'ne Pforte ein, so eilt das Auge
vorerst nach der Lichtquelle, dem Chor, wo
von der Altarwand das überlebensgrofse Halb-
bild des Heilandes herabsieht und im Gewölb-
schlufs die heilige Familie thront, von Engeln
umschwebt. Alsdann fällt das gesammelte Auge
auf den Bildfries.
Nun tritt die Erlösung der Menschheit ein
durch Christum, den Messias. Es ist dies bei
der gold'nen Pforte, also gerade in der Mitte
der Laienkirche, auf beiden Wänden zur Dar-
stellung gebracht: rechts durch die Mensch-
werdung des Heilandes (Nr. 29, Anbetung des
Christkindes durch Simeon), die Ueberwindung
der Sünde durch die Bufse (Nr. 30, Maria Mag-
dalena beim Gastmahl des Zöllners) lind durch
die Weltherrschaff des Kreuzes (Nr. 31, vier
Engel mit der kreuzgekrönten Weltkugel), —
links ist der Bildfries durch die in Relief her-
vorgehobene Gestalt des lehrenden Heilandes
(Nr. 32) unterbrochen und darüber ist die
Heilsthat selbst durch das Holzschnitzwerk des
Kruzifixus (Nr. 33) angebracht.
Von hier an bis zu den Chorstufen, also
im zweiten Theil der Laienkirche, sehen wir
die neue Kirche verherrlicht. Man zählt je
WWWiff»
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Die Längswände des Laientheils, von der
Westwand an bis zu den Chorstufen, sind durch
eine Unterbrechung der Architektur bei der
gold'nen Pforte deutlich in zwei Theile geschie-
den. Der westliche enthält die Darstellungen
des Alten, der östliche die des Neuen Bundes.
An der Pforte bei 1 setzen wir den Anfang.
Die ersten Bilder 1—11 sind leider sehr zer-
stört gefunden, jedoch als alttestamentliche Ge-
stalten hinreichend gesichert. Jenseits nun setzt
sich mit Samuel (12) und den drei Königen
Saul, David und Salomo (13, 14, 15) die Reihe
der Vertreter der Heilsvorbereitung fort und
endet mit den Kriegsgestalten der Makkabäer,
Judas und Jonathas (27 und 28).
Bis hier breitet sich oberhalb der Bilder
ein schwerer Vorhang aus, unter welchem hin
und wieder ein Scheusal nervorgrinzt: das
bedeutet den Schleier der Unvollkommenheit,
welcher über den Satzungen des Alten Bun-
des lastet.
12 Bildfelder rechts und links, welche 12 Pro-
pheten und Apostel, abwechselnd angeordnet,
enthalten.
Die Reihe beginnt rechts bei 34 mit Petrus
und geht bis 45, springt dann über zur linken
Wand und läuft von 46—57. Die Propheten
tragen Schriftbänder, die Apostel weisen tri-
umphirend das aufgeschlagene Evangelium, und
statt des finsteren Vorhangs krönen lichte,
prächtig - phantasiereiche Giebelbauten diesen
Theil des Bildfrieses.
Wir überschreiten nun zwei Stufen zum Chor
und treffen an den Wänden eine abweichende
nämlich höher gerückte und mafswerkartig ge-
haltene Form der Blendbogen. —■ Hier wird
uns die Weiterentwickelung der christlichen
Kirche vorgestellt in den Gewährsmännern,
welche durch That, Lehre und Lebenswandel
in der Kirchengeschichte hervorleuchten und
welchen von der Kirche die Krone der Hei-
ligkeit zugesprochen ist.