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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Kleinere Beiträge und Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0028

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25

188'J.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. ].

26

Kleinere Beiträge.

Kanzel von Schmiedeeisen in der evangel. Pfarrkirche zu Ober-Diebach

bei Bacharach am Rhein.

Mit Abbildungen.

Die Werke der mittelalterlichen Schmiede-
kunst werden immer seltener; eine Reihe der-
selben, die noch vor wenigen Jahren meist in
verwahrlostem Zustande in den rheinischen
Kirchen und Burgen an ihrer ursprünglichen
Stelle zu sehen waren, ist in die Museen und
Privatsammlungen gewandert, um sog. modern-
gothischen Werken Platz zu machen. Das auf
seine mittelalterlichen Schmieden mit Recht
stolze Rheinland, in dem vor etwa 30 Jahren
die Metallkünste einen so vielversprechenden
Aufschwung nahmen, ist, einige wenige Werk-
stätten ausgenommen, in neuerer Zeit von an-
deren Ländern weit überholt. In Frankfurt,
München, Wien und Berlin neben einigen andern
Orten haben die Kunstschmiede heute ihren
Wohnsitz genommen, und leisten Manches, was
die Werke des Mittelalters in Schatten stellt,
wenn auch im Allgemeinen immer noch die
Renaissance- und Zopfarbeiten die Vorbilder
abgeben müssen.

Aber es ist nicht etwa die Unfähigkeit
unserer rheinischen Meister, was die Metall-
industrie am Rhein zurückgebracht hat, nein,
die Kunst und das sogen. Kunsthandwerk
schlagen eben da ihre Hütten auf, wo sie Auf-
träge zu lohnenden Preisen finden und wo das
Auge des Auftraggebers durch das viele Sehen
guter Werke allmählich den Werth derselben
schätzen lernt und Schlechtes von Gutem zu
unterscheiden versteht.

Nicht blofs Sehen und Studiren macht den
Meister, sondern vor Allem Uebung — und
dazu gehören lohnende Aufträge. Möge daher
die Veröffentlichung dieser Eisen-Kanzel we-
niger den Zweck haben, zu zeigen, wie man ein
solches Möbel wohl machen könne, als den
Anstofs geben, einmal in ähnlicher Art ein
solches von einem strebsamen Meister her-
stellen zu lassen. Leider ist der Deckel des
Werkes, der auch von Schmiedeeisen gewesen
Se'n soll, verloren gegangen; doch wird es
n'cht schwer sein, einen solchen dazu zu ent-
werfen; wie es denn ebenfalls ein Leichtes sein

dürfte, dem Ganzen eine reichere Ausbildung zu
verleihen. Das Eigenthümliche dieses Werkes
ist vor Allem in der Gestaltung des Unterbaues
zu suchen, eine jener naiven Lösungen, auf
welche der in der modernen Schule erzogene
Künstler schwerlich verfallen würde, eine Lö-
sung, wie sie eben nur der in der Werkstatt
grofs gewordene Mann erfinden kann. Dieser
Untersatz bestellt aus vier einfach mit Mafs-
werk und Lilienendigungen verzierten Bogen-
stützen derart, dafs das Ganze an die Form
eines Kelchunterbaues erinnert; vielleicht hat
die gewöhnliche Form der Mefskelche den
Meister auf die Idee gebracht, sie einmal bei
einem Kirchengeräthe in Eisen wiederzugeben.
Die sogenannte Bütte ist durch einfaches Stab-
werk mit verbindenden Mafswerkbögen herge-
stellt. Die Ecken bilden stärkere, strebepfeiler-
artige Pfosten mit vorgelegtem, aus Flacheisen
gedrehtem Stabe. Sonderbar ist, dafs die aus
Flacheisen hergestellten Mafswerkbänder gegen
die scharfe Kante der senkrechten Stäbe an-
stoßen; dafs dieses über die erlaubte Naivität
hinaus geht, wollen wir neben allem Lob doch
hier als Tadel notiren, und wolle der etwa
diese Kanzel kopirende Meister davon Kenntnifs
nehmen. Selbstverständlich mufs der letztere
sich gutes Schmiedeeisen verschaffen, was aus
dem Siegerland und dem Ahrthale zu beziehen
ist. Die innere Seite der Bütte war mit ge-
sticktem Stoffe behangen, der vor noch nicht
langer Zeit verschwunden sein soll.

Die Kirche in Ober-Diebach ist ein seltenes
Beispiel einer oberrheinischen Hallenkirche aus
dem XV. Jahrhundert, ähnlich der alten Stifts-
kirche in St. Goar, leider in sehr verwahrlostem
Zustande und durch einen abscheulichen mo-
dernen Thurm verunstaltet; sie besitzt noch
schöne Chorgestühle, Emporen aus dem Ueber-
gang zur Renaissance, eine Reihe herrlicher
Grabsteine, Reste von Malereien und allerlei
schönem Ornamentwerk. Vielleicht unterstützt
die Provinz gelegentlich die mittellose Gemeinde
bei einer nothdürftigen Restauration des Baues
 
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