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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Beissel, Stephan: Das Siegel des Mainzer Domkapitels aus dem XIII. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0220

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381

1889.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 12.

382

Das Siegel des Mainzer Domkapitels aus dem XIII. Jahrhundert

Mit Abbildung.

iegel sind, wie Reichensperger schon

vor Jahrzehnten aussprach, für die
WerthSchätzung der mittelalterlichen
Kunst in vielfacher Hinsicht von
höchster Bedeutung. Für Epigraphik und Ko-
stümkunde sind sie ebenso wichtig als für He-
raldik, Sphragistik und Numismatik. Die Kunst-
geschichte könnte aus ihnen sehr wichtige An-
haltspunkte gewinnen, weil ja die meisten schon
durch Urkunden ziemlich sicher, viele durch
die Namen ihrer Besitzer mit voller Sicherheit
datirt sind, und weil sie,
seltene Ausnahmen ab-
gerechnet, wohl in der
Nähe des Ortes ange-
fertigt sein dürften, an
dem sie dienten. Manche
bieten übrigens bei der
noch unvollkommenen
Kenntnifs, die wir von
den Siegeln des Mittel-
alters besitzen, räthsel-
hafte Seiten, deren Auf-
hellung anregend wirkt.
Das hier abgebildete,
nach jeder Seite hin be-
achtenswerte Siegel stellt
den hl. Martinus als Erz-
bischof und als Patron
des Mainzer Domes dar.
Die Umschrift besagt da-
rum: Scs : Martinus ■
scc ■ Maguntine ■ sedis ■ patronus. Von der
Kleidung des auf einem Löwenstuhle sitzenden
Heiligen sieht man die faltige, am Halse weit
ausgeschnittene, auf der Brust'mit einem auf-
gelegten, vielleicht an das Rationale des Allen
Bundes erinnernden Stoffstück verzierte Kasel,
dann die mit Quadraten, vierblätterigen Blüm-
chen und Kreisen gemusterte, mit einer durch
Kreise belebten Borte besetzte Dalmatik, den
ebenfalls gemusterten, schmalen Manipel, die
Albe, das lang herabfallende, schmale, vorne
mit drei Kreuzen besetzte, mit vierblätterigen
Blümchen ausgezeichnete Pallium, eine niedrige
Mitra, die mit Borten besetzt ist, welche denen
der I )almatik gleich sind, und unveraerte Schuhe.
Die Rechte hält den dem Antlitz zugewandten
Bischofsstab, dessen Krümmung ausläuft in einen

Schlangenkopf, der an die vom Herrn den
Aposteln anempfohlene Klugheit erinnert. In
der Linken erscheint das geöffnete Buch, worin
der Kern der bischöflichen Predigt enthalten
ist. Zu Füfsen hat der Stempelschneider drei
Köpfe angebracht, um an die drei Todten zu
erinnern, deren Erweckung im alten Offizium
des Heiligen erwähnt wird. (Hie est Martinus
electus Dei Pontifex, cui Dominus post Apo-
stolos tantam gratiam conferre dignatus est.
ut in virliit? Trinitatis Deificae mererelur
fieri tri///// mortuqrum
suscitator magnifiens.)

Räthselhaft sind die
zu beiden Seiten an-
gebrachten rundbogigen
Nischen. Unter dem Bu-
che schaut aus der lin-
ken ein Engel heraus;
am Rande der rechten
erblickt man nur mehr
die Hand und die Flü-
gelspitze eines zweiten
Engels. Auf einer An-
zahl Abgüsse, die sich
theils seit Jahrzehnten in
unserer Sammlung be-
finden, theils auf der Ver-
steigerung des Herrn
Mayer von Mayerfels er-
worben wurden, also aus
München stammen, fin-
det sich in der rechten Nische ein Vierpafs,
obwohl auch dort Hand und Flügel des Engels
erscheinen. Die Abgüsse der Mayerschen Samm-
lung dürften wohl aus dem Stempel genommen
sein, den' laut Mittheilung des P. G. Dreves Herr
Geheimrath Warnecke aus Berlin vor Jahren zu
München bei Herrn von Hefner sah. Auf dem
Vorsteheblatt der schönen Publikationen des
Herrn Fr. Schneider über den Dom zu Mainz ist
in der rechten Nische der zweite Engel noch
vollständig erhalten. Müfste man nun nicht nach
den vorliegenden Abdrücken und Abgüssen an-
nehmen, dafs der Stempel ursprünglich in bei-
den Nischen Engel zeigte, dafs der zur Rechten
befindliche später herausgeschnitten ward, um
durch einen Vierpafs ersetzt zu werden, und
dafs zuletzt auch der Vierpafs entfernt ward,


 
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