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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Ditges, A.: Stickerei aus dem Schreine der hl. Ewaldi in St. Kunibert zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0182

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Üü

188Ö.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

öiä

Stickerei aus

dem Schreine der hl. Ewaldi

Mit Abbildung.

in St. Kunibert zu Köln.

m 3. Oktober 1879 wurde unter dem
Vorsitze des Herrn Weihbischofs
Dr. Baudri der Schrein der hl. Ewaldi
in St. Kunibert zu Köln feierlich
eröffnet. Es fanden sich an Stoffen aufser der
Umhüllung der Gebeine ein Stück Goldbrokat
und eine Stickerei von hohem Werthe, welche
dem XII. oder XIII. Jahrh. anzugehören scheint.
Sie ist 3,11 *« lang> 83 cm breit, aus drei Stücken
zusammengesetzt. Das Mittelstück (welches die
hier beigegebene Abbildung uns in seinen bei-
derseitigen Anfängen zeigt) besteht aus tiefblauem
Leinen, die beiden (hier vollständig abgebildeten)
Seitenstiicke, je 92 cm lang, aus seegrünem Seiden-
stoff; alle drei Stücke sind mit Stickerei von glän-
zender, mehrfarbiger Seide in Platt- und Ketten-
stich besetzt. Den gröfsten Schmuck zeigen die
beiden Endstücke, die beim Gebrauche herunter-
hingen und dem entsprechend mit gelbseidenen
Fransen an der untern Kante besetzt sind. Bild-
werk und Arbeit sind an beiden Theilen von
hoher Bedeutung für die Kunstgeschichte und
fordern deshalb eine genauere Beschreibung.

Das reichere Bild zeigt in prächtigem Rahmen
die persönliche Darstellung des Jahres, wie sie
nachweislich seit dem XII. Jahrh. in der christ-
lichen Kunst vorkommt. So findet sich (Piper
„Mythologie der christlichen Kunst" Bd. II
S. 379) das Bild des Jahres in dem Compuhis
bei dem Chronicon Zwifaltense minus aus dem
XII. Jahrh. in der Bibliothek zu Stuttgart. Nach
dem Bilde der Schöpfung folgt das Bild des
Jahres, das als die weitere Ausführung zum
vierten Schöpfungstage erscheint; es ist somit
eine Darstellung des Spruches von den Himmels-
lichtern (I. Moses 1,14), welche scheiden sollen
Tag und Nacht und Zeichen geben zu Zeiten
(Jahreszeiten, Monaten), Tagen und Jahren. Das
Ganze bildet ein Viereck, worin ein dreifacher
Kreis beschrieben ist. Den innersten Kreis
nimmt die sitzende Figur des Jahres ein, mit
der Unterschrift Annus, eine ehrwürdige Gestalt
mit länglichem Gesichte, langem, gespaltenem
Barte, welche Sonne und Mond als Köpfe in
den Händen hält, gleich der Aeternitas auf
Kaisexmünzen; darunter erscheinen die Ge-
sichter von Tag und Nacht. Im Kreise umher
sieht man die zwölf Zeichen des Thierkreises,
denen im äufsersten Kreise die Beschäftigungen

der Monate entsprechen. Aufserhalb der Kreise
endlich in den Ecken des Vierecks sind die
vier Jahreszeiten, sowie aufserhalb des Vierecks
die vier Tageszeiten. Aehnliche Darstellungen
haben eine Handschrift der paulinischen Briefe
aus dem Ende des XII. Jahrh. in Berlin und
ein Gebetbuch von 1293 in Florenz.

Diesem Bilderkreise gehört unsere Stickerei
an. Auch hier haben wir ein Viereck mit drei
eingeschriebenen konzentrischen Kreisen. In
einem Kreise sitzt eine mit langem Gewände
bekleidete Figur mit ernstem Angesichte und
gespaltenem Barte mit der Ueberschrift Annus.
Sie hält in den emporgehobenen Händen zwei
weifse Köpfe; der Kopf links vom Beschauer
trägt eine weifse Krone und hat die Ueberschrift
Dies; der Kopf rechts hat eine rothe Krone
und ist als Nox bezeichnet. Der Kreis ist
hinter der Figur durch ein gerades und ein
schräges goldenes Kreuz in acht Felder getheilt.
Auf dem Querbalken des geraden Kreuzes stehen
zu beiden Seiten je zwei flammende Sternräder.
Im zweiten umschriebenen Kreise entsprechen
den Enden der Kreuzbalken acht kleine Kreise
mit Brustbildern ohne unterscheidende Sym-
bole. Sie sind durch Überschriften als Ele-
mente und Jahreszeiten bezeichnet. An den
Enden des geraden Kreuzes stehen von oben
nach rechts folgend Aer, Ignis, Terra, Aqua>
an dem Ende des schrägen Kreuzes folge'1
Autumnus, Estas, Ver, Hiemps.

Der dritte Kreis enthält zwölf kleine Kreise
mit den Bildern des Thierkreises, wie dieselben
in der christlichen Kunst seit dem IX. Jahrh-
in Malerei und Skulptur als Kalenderbilder vor-
kommen, in den noch heute allgemein bekann-
ten Bildformen. Sie beginnen oben mit dem
Wassermann und setzen sich nach rechts fort-
in den Zwickeln zwischen den Kreisen und
dem Rahmen sitzt unten Neptun mit Fisch und
Dreizack über Wellen und rechts die Teilte
mit Blumen und Früchten in aufrechtstehendem
Füllhorn auf dem kräuterspriefsenden Boden.

In den obern Zwickeln stehen die mit dem
Kreuze gekrönten griechischen Buchstaben Alp'1'1
und Omega, der Anfang und das Ende, ein Sinn-
bild Christi. (Apocalypse t, 8; 21, 6; 22, 13-)
Damit ist dem ganzen Bilde die christliche Deu-
tung gegeben; hier haben wir die Schöpf«111»
 
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