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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0156

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265

1880.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

266

Nachrichten.

Die Preisbewerbung für dasKaiserWilhelm-
Denkmal des deutschen Reiches in Berlin.

Während die Ausstellung der Entwürfe für das dem
Kaiser Wilhelm zu errichtende National-Denkmal das
allgemeine Interesse schon lebhaft in Anspruch nahm,
hat nunmehr, nachdem durch das Preisgericht die Ent-
scheidung über die Vertheilung der Preise getroffen
ist, eine scharfe Erörterung in der Presse sich ent-
wickelt, in welcher weit auseinander gehende Auffas-
sungen, sowohl über den zu wählenden Platz, wie auch
über die Gestaltung des Denkmals zur Geltung ge-
bracht werden. — Nach dem Preisausschreiben, wel-
ches im Januar d. J. veröffentlicht wurde, hatte diese
Preiskonkurrenz im Wesentlichen nur einen vorbereiten-
den Zweck; es sollten die Anforderungen vorläufig
festgestellt werden, „welche an ein, des Andenkens
des grofsen Kaisers würdiges, den Anschauungen des
deutschen Volkes entsprechendes Denkmal zu erheben
seien", und die Begriffe über den Platz und die Art
und Anlage desselben mindestens geklärt werden. In den
Bedingungen des Preisausschreibens wurden 6 Plätze,
theils innerhalb der Stadt, theils vor dem Branden-
burger Thor belegen, als ausschliefslich zulässig be-
zeichnet, im übrigen aber der künstlerischen Gestaltung
keine Schranke gezogen, und im Besonderen die Battr
kunst, wie die Skulptur oder eine Verbindung beider,
und auch unter Heranziehung der Malerei in Anspruch
genommen. — Diese weite Freiheit für die Bewegung
der Phantasie und der schöpferischen Kraft der Künstler
W'ar ohne Zweifel, insbesondere für eine Preisbewerbung,
welche einen vorbereitenden oder aufklärenden Zweck
verfolgte, höchst erfreulich und entsprechend, und die
'n die Bewerbung eintretenden Künstler haben von
derselben auch einen weitgehenden Gebrauch gemacht.
Mag auch kein Entwurf, der zur sofortigen Ausführung
sich als geeignet darstellte, eingegangen sein, so sind
doch unseres Erachtens durch die Anschauung und
Prüfung der zahlreichen eingelieferten Entwürfe gewisse
Grundzüge und Grenzen gewonnen, welche für die Aus-
führung als mafsgebend anzusehen sind.

Zunächst kann wohl durch die Entwürfe nach
allgemeiner Auffassung als festgestellt betrachtet wer-
den, dafs der Platz vor dem Schlofs am Lustgarten
n'it Rücksicht auf das Schlofs, das künstlerisch und
historisch bedeutsamste Gebäude Berlin's, und im
Hinblick auf die schräg einlaufende Hauptstrafse und
öchlofsbrücke überhaupt als nicht geeignet erscheint,
und dafs derselbe, ebenso wie der Platz an der Schlofs-
freiheit (westlich vom Schlofs) jeglichen an das Denkmal
s'ch anschliefsenden architektonischen Aufbau verbietet.
An diesem letzteren Platz würde ein architektonisches
"'erk die schönste Seite des Schlosses beinahe nicht
'ninder beeinträchtigen, als die jetzt dort an der
Spree befindlichen Häuser, deren Beseitigung allerdings
e,ne höchst erfreuliche Verschönerung der Stadt herbei- i
'Uhren könnte. Aber auch für ein einfaches Standbild
fielet dieser Platz erhebliche Bedenken, weil eine gänz-
liche Ueberbrtlckunsr der Spree wohl mit Rücksicht auf
a,e Schifffahrt ausgeschlossen erscheint und ohne die-
selbe bezüglich der leichten Besichtigung des Denkmals

und bezüglich des Lichtes grofse Schwierigkeiten kaum
zu beseitigen sein möchten.

Eine nähere Prüfung des Platzes zwischen der königl.
Bibliothek und dem Opernhause würde zwar einen in
mäfsigen Dimensionen aufgeführten architektonischen
Bau wohl an sich möglich erscheinen lassen, aber die
anliegenden Gebäude würden doch eine erhebliche
Beeinträchtigung erleiden und auf die Gartenanlage,
die beseitigt werden müfste, wird man an dieser Stelle
ungern verzichten.

Auf dem Pariser Platz kann ebenfalls nur ein ein-
faches Standbild seine Stelle finden und zwar auch
mit Rücksicht auf die Nähe des Brandenburger Thores
wohl nur unter Beseitigung des letzten Theils der
Allee der Linden. Unbedingt unzweifelhaft ist es, dafs
eine Umgestaltung des Brandenburger Thores durch
Um- oder Anbauten oder eine Versetzung desselben
den Rücksichten der Pietät, welche dieses Bauwerk
für sich in Anspruch zu nehmen berechtigt ist, nicht
entspricht, und ebenso auch grofse oder reichgestaltete
Bauwerke in der unmittelbaren Nähe desselben, etwa
am Anfang der Charlottenburger Chaussee, diesem
historischen Thore schädlich sind; daher werden alle
Pläne, welche solche Beeinträchtigungen in Aussicht
nehmen, gänzlich zu verwerfen sein.

Eine zweifelhaftere Frage ist es, inwiefern bezüg-
lich des Platzes und der Gestaltung des Denkmals den
Anschauungen des Volkes Rechnung getragen werden
kann oder soll, da dieselben vielfach in entgegen-
gesetzten Richtungen laut werden, und Wünsche ver-
schiedenster Art hervortreten, welche grofsentheils auf
Empfindungen und Gefühlen beruhen, deren Berechti-
gung und Begründung einer mehr subjektiven Weith-
schätzung unterliegt. Vielfach ist die Ansicht mit be-
sonderem Nachdruck geltend gemacht, dafs das Denk-
mal in dem Mittelpunkte der Stadt, in der Nähe des
Schlosses seinen Platz finden müsse, und nur dorthin
gehöre, während von anderer Seite die Meinung Ver-
tretung findet, dafs ein entsprechendes, grofsartiges
Denkmal an der Charlottenburger Chaussee, an der
Siegesallee oder am Königsplatz errichtet werden müsse,
weil nur dort ein hinreichender, genügender Raum sich
finde, und dahin müsse es um so mehr gestellt werden,
als diese Gegend bei dem überaus raschen, grofsartigen
Anwachsen der Stadt bald als mitten in Berlin ge-
legen anzusehen wäre. Ferner wird von vielen Seiten
besonders hervorgehoben, dafs nur ein grofses Reiter-
standbild als geeignet erscheine, auf welchem der Kaiser
so dargestellt würde, wie er in der Erinnerung der
Zeitgenossen lebt, wie Alle ihn gesehen haben; eine
mehr idealisirte Darstellung, z. B. etwa mit der Kaiser-
krone und dem Scepter, werde dagegen befremdend
wirken und sei abzuweisen. Ueber die Berechtigung
solcher Empfindungen oder Wünsche zu streiten, oder
dieselbe abzuwägen, scheint uns, vornehmlich für diese
Mittheilungen, nicht geeignet. Vom Standpunkte des
Interesses der Kunst ausgehend, möchten wir uns der
Auffassung zuneigen, dafs im gegenwärtigen Falle —
wenn selbstredend auch der künstlerische Werth eines
Kunstdenkmals nicht nach dessen Umfang oder der
Grofse der Anlage zu bemessen ist — eine reichere
 
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